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Das Ergebnis muß vielmehr als Achtungserfolg einer Partei verstanden werden, die mit gerade einmal 250 Mitgliedern im Landesverband und 29 Kommunalabgeordneten nur in einzelnen Regionen Sachsen-Anhalts überhaupt personell wahrnehmbar ist. Und der hohe Anteil an Erst- und Jungwählern für die NPD ist ein schrilles Alarmsignal. Vor der Wahl hatten 21 Prozent der Jungwähler erklärt, eine Wahl der NPD nicht auszuschließen. Tatsächlich entschieden sich dann zwölf Prozent in der Altersgruppe unter 30 für die rechtsextreme Partei. Unter der Parole »Jugend – Zukunft – NPD« stehen Jung- und Erstwähler nun auch in Bremen, wo am 22. Mai die Bürgerschaft gewählt wird, im Zentrum der NPD-Agitation. Mehrfach haben extrem rechte Parteien in Bremen den Einzug in die Bürgerschaft geschafft. Erleichtert wurde ihnen das durch eine Besonderheit des Bremer Wahlrechts, wonach es ausreicht, in Bremen oder in Bremerhaven die Fünf-Prozent-Marke zu überspringen. Bis auf eine Legislaturperiode war die DVU seit 1987 mit einem Sitz vertreten, und auch die rechtspopulistischen »Bürger in Wut« konnten über Bremerhaven bei der letzten Wahl in die Bürgerschaft einziehen. Die DVU, die im vergangenen Jahr ihren Zusammenschluß mit der NPD beschlossen hat, tritt nicht mehr an, dafür aber die nunmehr vereinigte NPD-Die Volksunion. Durch eine Wahlrechtsänderung wurde das Wahlalter in Bremen auf 16 Jahre abgesenkt – ein weiterer Grund für die faschistische Partei, besonders um Jungwähler zu werben. »Sie sind interessiert und offen für Argumente, sie haben sich politisch noch nicht festgelegt. Und was man nicht vergessen darf: Junge Menschen sind die Zukunft unseres Volkes und damit nicht nur der Hauptadressat, sondern auch das Hauptziel unserer Bestrebungen«, so der Bremer NPD-Landeswahlleiter Jens Pühse. In Bremen setzen die Neonazis auf blanken Rassismus. Ihr Wahlkampfspot unter dem Motto »Multikulti-Wahn beenden, Bremen bleibt in Deutschen Händen« ist ein Animationsfilm, der besonders die Jugend ansprechen soll. Vordergründig geht es um das Schicksal der nordamerikanischen Indianer, die durch Einwanderer ausgerottet und in Reservate verdrängt wurden. »Gestern waren die Indianer die Vertriebenen im eigenen Land, morgen werden wir es sein«, sagt der ehemalige DVU-Vorsitzende und jetzige Bremer NPD-Spitzenkandidat Matthias Faust. »Es ist gerade auch die Aufgabe der Jugend, aufzustehen und sich diese Entwicklung nicht länger gefallen zu lassen.« Im Internetportal youtube wurde der Wahlspot wegen seiner offensichtlichen rassistischen Hetze gesperrt. Die Neonazis wollen auch die als Teil des Unterrichts an den Schulen ab der 7. Klasse stattfindenden Juniorwahlen eine Woche vor den Bürgerschaftswahlen nutzen, um Jugendliche »für die Ziele der nationalen Opposition« zu sensibilisieren. Dazu soll vor den Schultoren Wahlpropaganda einschließlich der berüchtigten Schulhof-CDs mit rassistischem Rechtsrock verteilt werden. Mehrere Studien haben in den letzten Jahren ein rechtsextremes Potential unter Jugendlichen nachgewiesen. Bei der U-18-Wahl, einer Art Testwahl für Minderjährige, zur letzten Bundestagswahl kam die NPD bundesweit auf 4,2 Prozent, doch auf 12,7 in Sachsen, 9,4 in Thüringen, 7,1 Prozent in Sachsen-Anhalt und 6,1 in Brandenburg. In den Augen vieler Jugendliche in den Neuen Bundesländern konnte sich die NPD offensichtlich erfolgreich als »revolutionäre Protestpartei« etablieren. 2009 stimmten fast 30 Prozent der befragten Jugendlichen in einer bundesweiten Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen uneingeschränkt der Aussage zu: »In Deutschland gibt es zu viele Ausländer.« 4,9 Prozent der Jungen und 2,6 Prozent der Mädchen gaben an, Mitglied in einer rechtsextremen Gruppe oder Kameradschaft zu sein. Eine im Auftrag der brandenburgischen Landesregierung im Jahr 2010 durchgeführte Jugendstudie der Universität Potsdam kommt zu widersprüchlichen Ergebnissen. Zwar stimmten nur drei Prozent der Befragten 12- bis 20-Jährigen rechtsextremen Aussagen völlig und 10,5 Prozent teilweise zu, während 60 Prozent Rechtsextremismus zurückwiesen. Doch gleichzeitig waren rund 40 Prozent der Befragten der Auffassung, daß zu viele Ausländer in Brandenburg leben – bei nur zwei Prozent Migranten in diesem Bundesland! Während dieser Rassismus ein erhebliches Potential für rechtsextremes Gedankengut bietet, scheuen die Befragten dennoch offensichtlich eine Identifizierung mit dem offenen Rechtsextremismus. Hier zeigt sich die Wirksamkeit der gesellschaftlichen Ächtung des Faschismus – aber zugleich werden deren Grenzen sichtbar, denn die Fremdenfeindlichkeit bleibt ja bestehen, nur findet sich (noch) keine organisatorische Widerspiegelung. Die NPD setzt gezielt auf Provokation, um ihre Inhalte ins Gespräch zu bringen. Diesem Ziel dienen – neben dem »Anfixen« von Jugendlichen für faschistisches Gedankengut – auch die schon erwähnten, seit Anfang April auch in Bremen verteilten Schulhof-CDs. Denn dort, wo Schulen ihrerseits als Reaktion auf die Verteilaktionen vor den Schultoren die Gefahr des Rechtsextremismus thematisieren, hofft Wahlkampfleiter Pühse sogar, daß die »hilflosen Aufklärungsversuche linker Lehrer« und »die ebenso platte wie langweilige Anti-Rechts-Propaganda« erst Interesse an der NPD wecken. Durch solche Überlegungen sollten sich die betroffenen Schulen und Jugendzentren auf keinen Fall abschrecken lassen, Aufklärung über die Hintergründe und Ziele der Faschisten zu leisten. »Eins haben die zurückliegenden Jahre allerdings deutlich gezeigt: Wo immer Neonazis Gegenwind zu spüren bekommen, wird es für sie schwierig, sich unbemerkt in der Gesellschaft und in den Jugendkulturen zu verankern. Anschläge totzuschweigen und Neonazis in den Medien zu ignorieren, ist kontraproduktiv, ebenso wenn ihre Parolen in etwas milderer Form ein Echo in der demokratischen Öffentlichkeit finden«, schreibt der Vorsitzende des Vereins »Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland« Uwe-Karsten Heye in dem konservativen Magazin Cicero. Erschwert wird der notwendige Gegenwind gegen Neonazis allerdings durch die Politik der Bundesregierung und besonders der Bundesfamilienministerin Kristina Schröder, die die seit rund zehn Jahren aus Bundesmitteln geförderten zivilgesellschaftlichen Projekte gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus unter den Generalverdacht der Verfassungsfeindlichkeit stellt. Projektgelder sollen nur noch vergeben werden, wenn sich die Projektträger nicht nur selber zum Grundgesetz bekennen, sondern auch versichern, alle ihre Kooperationspartner auf Verfassungstreue zu überprüfen. Dazu sollen die Projektträger Verfassungsschutzberichte auswerten oder gleich beim Geheimdienst anfragen. Unter Extremismusverdacht stehen dabei antifaschistische Jugendgruppen, die gerade in ostdeutschen Kleinstädten oft als einzige gegen eine rechte kulturelle Hegemonie ankämpfen. Unter Extremismusverdacht stehen auch Mitglieder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA), die seit Jahrzehnten über die Hintergründe des Faschismus und dessen Zusammenhang mit dem Kapitalismus aufklären. Und auch Mitglieder der Partei Die Linke, die einer der angeblich extremistischen Strömungen dieser Partei wie der Antikapitalistischen Linken, der Kommunistischen Plattform oder dem Jugendverband `solid angehören, fallen als Referenten bei den geförderten Projekten aus, wenn diese nicht ihre Förderung aufs Spiel setzen wollen. Gerade in ostdeutschen Kommunen, in denen die Linkspartei fast überall eine Rolle spielt und Politiker aus ihren Reihen zwangsläufig zu Ansprechpartnern der Projekte gegen Rechtsextremismus gehören, zeigt sich die Absurdität dieser Extremistenjagd. Mit der Extremismusklausel wird von staatlicher Seite Mißtrauen gesät, werden antifaschistische und antirassistische Gruppierungen gegeneinander ausgespielt und zur gegenseitigen Gesinnungsschnüffelei aufgefordert. Damit arbeitet die Bundesregierung den Neonazis in die Hände.
Erschienen in Ossietzky 8/2011 |
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