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Aus Sicht des Gerichtes gibt es in der Hauptstadt genug Wohnraum, der auch ohne Einzugsrenovierung sofort bezogen werden könne. So hätte die Klägerin »unangemessene Kosten« vermeiden können. 23. Februar: Die fortgesetzte Umverteilung von unten nach oben schadet der Wirtschaft, weil dadurch der private Verbrauch geschwächt wird. Das stellt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in seinem neuesten Wochenbericht fest. Es sei in den letzten Jahren vermehrt gespart worden, wobei aber 40 Prozent der bundesdeutschen Haushalte kein Geld zurücklegen konnten. Die Einkommen der gut verdienenden Haushalte hätten seit Ende der 1990er Jahre überdurchschnittlich zugenommen. »Diese Haushalte sparen besonders viel und in zunehmendem Maße.« Die Lohnentwicklung sei dagegen schwach und die Sozialleistungen wurden weiter abgebaut, so das DIW über die Ursachen. 24. Februar: Die vielbeschworene Informations- und Mediengesellschaft schließt Bezieher von »Hartz IV«-Leistungen aus: Ein Fernseher gehört nicht zur Erstausstattung der Wohnung eines Beziehers von »Hartz IV«, verkündet das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. Das Jobcenter muß das Gerät nicht bezahlen. Hilfebedürftige haben dem Gericht zufolge nur Anspruch auf ein Darlehen, um sich einen Fernseher kaufen zu können. Es wies die Klage eines Arbeitslosen aus Göttingen ab, der nach Obdachlosigkeit ein 17 Quadratmeter großes Zimmer beziehen konnte. Das Jobcenter hatte das beantragte Geld für einen gebrauchten Fernseher verweigert. Das BSG hält das für richtig, da ein TV-Gerät nicht zu den Gegenständen gehöre, »die für eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen erforderlich« seien. Es sei für die grundlegenden Bedürfnisse Aufenthalt, Schlafen und Essen nicht notwendig. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus der Tatsache, daß 95 Prozent aller Haushalte über einen Fernseher verfügen und Fernsehen in Deutschland zu den »herrschenden Lebensgewohnheiten« zählt. Freizeit, Information und Unterhaltung müßten aus dem Regelsatz bezahlt werden, betont das BSG. 25. Februar: Bundestag und Bundesrat bestätigen die sogenannte »Hartz IV«-Reform. Bund und Länder hatten sich nach wochenlangen Verhandlungen darauf geeinigt, den Regelsatz von 359 Euro rückwirkend zum 1. Januar 2011 um fünf Euro und ab 2012 um weitere drei Euro zu erhöhen. Das sogenannte Bildungspaket für bedürftige Kinder soll um Hilfe für Schulsozialarbeit und Mittagessen in Horteinrichtungen aufgestockt werden. Als »die erbärmlichste Farce, die die deutsche Sozialpolitik je erlebt hat«, hatte schon Tage zuvor der Paritätische Wohlfahrtsverband das politische Geschacher der vergangenen Wochen bezeichnet. Kanzlerin Angela Merkel ist dagegen zufrieden mit dem Kompromiß. Er wird zur Folge haben, daß die Bezüge der »Hartz IV«-Empfänger hinter den steigenden Preisen zurückbleiben. Die Armen werden also noch ärmer. 7. März: Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) plant laut einem Bericht der Sächsischen Zeitung für 2012 eine neue Gebührenordnung für Zahnärzte, nach der sich vor allem für Kassenpatienten der Zahnarzt-Besuch verteuern wird. Die Allgemeine Ortskrankenkasse in Dresden geht davon aus, daß Kassenversicherte für einzelne Behandlungen künftig 17 bis 133 Euro mehr zuzahlen müssen. 17. März: Der Bürgermeister von Ribnitz-Damgarten, Jürgen Borbe (CDU), hetzt bei einem Unternehmerinnenfrühstück gegen Bezieher« von »Hartz IV«-Leistungen. Laut Bericht der Ostsee-Zeitung vom nächsten Tag spricht Borbe von »Hartz-IV-Muttis, die fernsehen, rauchen und trinken«. Um deren Kinder müsse man sich kümmern. Er spreche »nur von den Muttis, weil die Väter oft wechseln«. Borbe weiter: »Ein Drittel unserer Schulkinder ist aus sozialschwachen Familien. … Die Guten vermehren sich nicht genug, die, die zu Hause sitzen, schon.« Fast jedes sechste Kind unter 15 Jahren in der Bundesrepublik wächst in Armut auf, stellt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit fest. »Im September 2010 lebten 1,72 Millionen Kinder unter 15 Jahren in einem Haushalt, der »Hartz-IV«-Leistungen erhielt,« so das IAB in einer Studie. Die Grundversorgung sei bei dem Großteil dieser Kinder gesichert. »Nur zwei Prozent von ihnen wachsen in einem Haushalt auf, der bei der Befragung angegeben hat, sich keine warme Mahlzeit am Tag leisten zu können. Sechs Prozent leben allerdings in Wohnungen mit feuchten Wänden oder Fußböden.« Die Heranwachsenden müßten aber nicht nur auf »höherwertige Konsumgüter«, sondern auch auf soziale und kulturelle Teilhabe verzichten. Der Studie zufolge leben 80 Prozent der »Hartz IV«-Kinder in Haushalten, in denen für neue Kleidung, Schulmaterialien, Freizeitaktivitäten oder Ähnliches nicht gespart werden kann. Mehr als die Hälfte leben in einem Haushalt, in dem man es sich nicht leisten kann, wenigstens einmal im Monat ins Kino, in ein Konzert oder ins Theater zu gehen. 21 Prozent der Kinder aus Hartz-IV-Haushalten haben keinen Computer mit Internetanschluß. »Gerade für Schulkinder hat ein Computer im Haushalt besondere Relevanz: Er wird unter anderem als Bildungsmedium in der Schule eingesetzt«, schreiben die Autoren der IAB-Studie. Ein besonderes Armutsrisiko gebe es für Kinder, die mehrere Geschwister haben, von Alleinerziehenden betreut werden, deren Eltern einen Migrationshintergrund oder einen niedrigen Bildungsabschluß haben. 21. März: »Für die Mehrheit der Theater- und Tanzschaffenden hat sich die wirtschaftliche und soziale Lage in den letzten Jahren deutlich verschlechtert.« Das ist das Fazit des »Report Darstellende Künste«. Das durchschnittliche Netto-Jahreseinkommen betrage 11.500 Euro. 50 Prozent der darstellenden Künstler können danach von ihrer Kunst allein nicht leben, sondern müssen oft zur Lebenssicherung nichtkünstlerische Nebentätigkeiten ausüben. Dem Abbau abhängiger Beschäftigungsverhältnisse für Bühnenschaffende auf nur noch sechs Prozent stehe eine stetige Zunahme an Selbständigkeit gegenüber. »Selbständige arbeiten zu einem Drittel im Niedrigeinkommenssegment unter fünf Euro,« heißt es in dem Bericht. Aus dem geringen Einkommen ergäben sich entsprechend geringe Ansprüche der Künstler in der gesetzlichen Rentenversicherung, also Altersarmut. 24. März: Die Stadt Leipzig legt ihren »Sozialreport 2010« vor. Danach gelten 19 Prozent der Leipziger als relativ einkommensarm, da ihr Einkommen unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle von 686 Euro liegt. Jedes dritte Kind in Leipzig unter 15 Jahren ist auf Sozialgeld angewiesen. Nach 40 Jahren Arbeit bekommt Therese Lux aus Stuttgart 769 Euro Rente. Davon bleiben ihr nach Abzug aller Festkosten noch 196 Euro im Monat zum Leben. Über die Situation der Rentnerin berichtet das Stuttgarter Wochenblatt: Sie erhalte nach dem Tod ihres Mannes keine Witwenrente, weil die beiden nach einer Scheidung 1985 im Jahr 2002 noch einmal heirateten. Ihr Mann starb neun Monate später. Witwenrente gibt es erst nach zwölf Monaten Ehe. Die erste Ehe zähle nicht, so die zuständige Behörde.
Erschienen in Ossietzky 7/2011 |
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