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Im Bundestag pries der grüne Außenminister Joseph Fischer »die friedliche, demokratische und freiheitliche Revolution« in Serbien und verkündete im Überschwang der Begeisterung, die NATO-Aggression vom Vorjahr, er umschrieb sie vornehm als »Eingreifen«, sei »richtig« und »notwendig« gewesen, denn ohne sie »hätte es garantiert nicht einen Sieg der Demokratie in Belgrad gegeben«. Dieses makabre Eingeständnis traf zu, aber es war keineswegs die volle Wahrheit, denn zum »Sieg der Demokratie in Belgrad«, der das letzte Kapitel der Zerschlagung der jugoslawischen Föderation einleitete, hatte die Bundesrepublik Deutschland nicht allein mit der Teilnahme an dem verbrecherischen Krieg beigetragen. Ihr Beitrag war weitaus größer. Rücksichtslos nutzten die Bundeskanzler Kohl und Schröder und ihre Außenminister Genscher, Fischer und Steinmeier die Tatsache, daß der Vielvölkerstaat in den 80er und beginnenden 90er Jahren nach dem Ableben Josip Broz Titos in eine schwere Krise geraten war, die in gewaltsame zwischennationale Auseinandersetzungen mündete. Großmachtsüchtig mischte sich die Bundesrepublik, die laut Kohl nach der Einverleibung der DDR zur »Nummer eins in Europa« geworden war, in die schweren innerjugoslawischen Konflikte ein. Ihr Ziel war, den multinationalen Staat, in dem die rote Fahne länger als in allen anderen realsozialistischen Ländern Europas wehte, zu zerschlagen und den alten Traum des deutschen Imperialismus von der Vorherrschaft auf dem Balkan zu verwirklichen. Sie verfolgte diese eigenen Intereressen mit geheimdienstlicher und propagandistischer Unterstützung separatistischer Kräfte, mit der selbst von NATO-Verbündeten und dem UN-Generalsekretär verurteilten schnellstmöglichen Anerkennung Sloweniens und Kroatiens, die den Funken des schrecklichen Bürgerkrieges nach Bosnien und Herzegowina trug, mit der Dämonisierung des serbischen Volkes, mit würgenden Sanktionen, mit der Mitwirkung am kriminellen Angriffskrieg und der Kriminalisierung der Angegriffenen und schließlich mit einer beispiellosen propagandistischen, materiellen und finanziellen Wahlhilfe für die Gegner der serbischen Sozialisten. Dann endlich war es erreicht, und Fischer konnte die Erstürmung des Belgrader Parlamentes in einer ZDF-Sendung so kommentieren: »Es geht jetzt zehn Jahre nach dem Fall der Mauer ... eigentlich um die letzte Diktatur, um den Frieden und die Demokratie in Serbien und damit in der ganzen Region.« Und auch damit hatte er Recht: Es ging um die »ganze Region«. Hier, von den Alpen bis zum Ohridsee, von der Adria bis zur Morawa, lebten nach der Vertreibung der Hitler-Wehrmacht 23,5 Millionen Serben, Kroaten, Slowenen, moslemische Bosnier, Mazedonier, Montenegriner, Albaner, Ungarn und andere jahrzehntelang in beachtlicher nationaler Eintracht. Unter der Führung des Bundes der Kommunisten verwandelte sich Jugoslawien von einem rückständigen Balkanland in einen Industrie-Agrarstaat. Umworben von Ost und West genoß die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien als ein anerkannt führendes Land in der Bewegung der Nichtpaktgebundenen und einflußreiches Mitglied in der UNO hohes internationales Ansehen. Als Tito zu Grabe getragen wurde, rief ihm der damalige Bundeskanzler Schmidt nach, sein historisches Werk werde weit über seinen Tod hinaus wirksam bleiben, dank seines staatsmännischen Wirkens sei Jugoslawien heute ein geeintes, zu großen Leistungen fähiges Land. Und wie sieht das geeinte fähige Land, die ganze Region, heute aus? Der Kapitalismus mit einigen bürgerlichen Freiheitsrechten und allen seinen Gebrechen ist zurückgekehrt, mit schamloser Ausbeutung und sozialer Ungleichheit, mit maßloser Bereicherung weniger und Massenarmut. Der Traum von sozialistischer Selbstverwaltung, Einheit und Brüderlichkeit der Nationen und friedensfördernder Nichtpaktgebundenheit ist ausgeträumt. Auf den 255.804 Quadratkilometern des untergegangenen Jugoslawiens bestehen sechs Staaten: Serbien, Kroatien, Slowenien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Montenegro sowie der NATO-Halbstaat Kosovo. Von vertrauensvollen Beziehungen untereinander sind sie weit entfernt. Das Territorium der Nachfolgestaaten Jugoslawiens gehört in Europa, von Kleinstaat zu Kleinstaat unterschiedlich, zu den Gebieten mit den am tiefsten gestörten zwischenstaatlichen und zwischennationalen Beziehungen, der am stärksten eingeschränkten staatlichen Souveränität, dem massivsten Einfluß ausländischer Mächte, den größten sozialen Verwerfungen und den höchsten Kriminalitätsraten. Nach Vertreibung, Flucht und Umsiedlung werden vielerorts die Rechte von Minderheiten mißachtet. Die in Kosovo gebliebenen Serben und Roma werden drangsaliert und verfolgt, ihren nach Kroatien zurückgekehrten Landsleuten wird das Recht auf privaten Besitz ihrer Häuser und Wohnungen verweigert. Serbien selbst mit etwa einer Million Arbeitslosen ist das europäische Land, in dem die meisten Vertriebenen und Flüchtlinge Zuflucht gefunden haben: Unter zumeist miserablen Bedingungen leben hier 220.000 aus dem Kosovo und rund 300.000 aus Kroatien. Der Einfluß der NATO und der EU ist allgegenwärtig. Slowenien ist seit 2004 Mitglied des Paktes und der Staatenunion. Kroatien gehört der NATO-»Partnerschaft für den Frieden« an. Ebenso wie Serbien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Montenegro ersucht es kniefällig um eine Mitgliedschaft in der EU, die ihm allerdings bereits den Status eines Beitrittskandidaten gewährt hat. Seit dem Dayton-Abkommen von 1995 ist Bosnien-Herzegowina, wo noch immer 1.600 Soldaten der sogenannten EUFOR-Friedenstruppe stationiert sind, ein Protektorat der EU. Geteilt ist es in eine kroatisch-bosnische Föderation und in die Republika Srpska. Versuche, die konföderale Teilung zu beenden, verschärfen alte Konflikte und bedrohen den instabilen Frieden ein weiteres Mal. Kosovo ist nach der Verkündung der (»überwachten«) Unabhängigkeit von NATO-Truppen, darunter 1.500 Bundeswehrsoldaten, besetzt. Darüber hinaus unterhalten die USA in dem Staatsgebilde eine ihrer größten Militärbasen im Ausland. Die ausländische Besetzung hat dazu beigetragen, Kosovo zu einem Zentrum der Organisierten Kriminalität zu machen; es liefert etwa 60 Prozent des in Europa konsumierten Heroins. In Mazedonien, dem immer noch der eigene Staatsname verweigert wird, ist eine EU-Polizeimission, die »Eupol Proxima«, stationiert. Serbien ist, abgesehen vom völkerrechtswidrig abgespaltenen Kosovo, frei von ausländischen Truppen. Seine territoriale Integrität wird von sezessionistischen Kräften in der Vojvodina, im Sandschak und in von Albanern bewohnten südlichen Gebieten bedroht. Die Botschafter der USA, Deutschlands, Großbritanniens und Italiens haben bereits eine dubiose »Gruppe der Freunde des Sandschak« ins Leben gerufen. Parallel dazu trafen sich Ende 2010 Albaner aus Pristina (Kosovo), Südserbien, Montenegro und Griechenland in Tirana und sprachen sich mehr oder weniger offen für den staatlichen Zusammenschluß aller albanisch besiedelten Gebiete aus. Der US-amerikanische Botschafter William Walker, Erfinder des »Racak-Massakers«, mit dem die NATO 1999 ihren Bombenkrieg gegen Jugoslawien rechtfertigte, verkündete, die Albaner hätten ein »Recht auf Vereinigung«. Nicht zuletzt dank solcher Freunde birgt das Territorium, auf dem einst die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien viereinhalb Jahrzehnte lang Sicherheit und Stabilität garantierte, ein beträchtliches Konfliktpotential. Statt eine Region des »Friedens und der Demokratie« zu werden, wie in Berlin nach dem Sturz der Sozialisten in Belgrad triumphierend prophezeit wurde, erinnert einiges an die Zeit, in der der Balkan das »Pulverfaß in Europa« genannt wurde. Genscher, Fischer, Steinmeier und die anderen Interventionisten haben gründliche Zerstörungsarbeit geleistet. Jetzt hört man von NATO-Plänen, Libyen zu teilen. Teile und herrsche – die alte Parole des Imperialismus.
Erschienen in Ossietzky 7/2011 |
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