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Der RevolutionsführerDie »Rebellen« in Libyen, jetzt mit Hilfe einer super ausgestatteten externen Air Force auf dem Vormarsch gegen die schon ziemlich ruinierten Gaddafi-Truppen, haben ihren »Revolutionsführer«: Mohammed Jibril. Er gilt als Chef der »provisorischen Regierung«,. Der französische Staatspräsident und die US-amerikanische Außenministerin führen mit ihm Gespräche. Ein Mann aus dem Volke, aus Empörung über ein despotisches Regime zum Politiker geworden? Jibril war längere Zeit als Experte für »strategisches Planen« in den USA tätig, er beriet die Regierungen in Ägypten, Tunesien und Saudi-Arabien im Management und ging 2007 nach Libyen, um Gaddafi beim Umstieg von der Staatswirtschaft in die Privatisierung von Unternehmen zu helfen, vor allem durch Kontakte zu US-amerikanischen und britischen Konzernen. Jetzt hat er die Firma gewechselt, aber nicht den Job. Peter Söhren Erstens: Die kriegerisch angreifenden Staaten geben sich kaum noch Mühe, den Anschein zu erwecken, ihr Handeln sei vereinbar mit den überkommenen Regeln des Völkerrechts; auf die Reputation der Vereinten Nationen nehmen sie keine Rücksicht mehr. Dem Sicherheitsrat der UN wurde eine Resolution untergeschoben, die den kriegführenden Staaten eine Blankovollmacht ausstellt, mit welchen Mitteln und zu welchem Ende sie in Libyen agieren. Daß eine »Flugverbotszone« durchgesetzt werden solle, »zum Schutz der Zivilisten«, ist nur ein höhnender Scherz; der Einsatz einer hochgerüsteten Militärmaschinerie zur Unterstützung einer Bürgerkriegspartei war schon vorbereitet, als im Sicherheitsrat die Beratungen begannen. In Zukunft werden waffentechnisch unterlegene Völker keine Zweifel mehr haben können: Wenn ihnen die Militärmächte »humanitäre Hilfe« androhen, ist es für Zivilisten an der Zeit, den Luftschutzkeller aufzusuchen. Das »Flugverbot« gilt ja nicht für auswärtige Aggressoren, schon deshalb nicht, weil diese sich den unbeliebten Einsatz am Boden ersparen wollen. Zweitens: Kaum noch verhüllt wird, daß militärische Zugriffe eigenen neokolonialen, vor allem wirtschaftlichen Interessen dienen. Nur ein Beispiel: Der (durch die Luftwaffe der »Helfer« ermöglichte) Vormarsch der »Rebellen« in Libyen gen Westen werde eine Neuverteilung der »Kontrolle« über libysches Öl bewirken, sagt der britische Minister für »Verteidigung«, Liam Fox. Der Experte Nikolas Busse, Autor des Buches »Entmachtung des Westens«, das vor pazifistischen Anwandlungen warnt, applaudiert: »In London hat man sich aus der Kolonialerfahrung das Gefühl dafür bewahrt, für die eigenen Interessen und Werte gelegentlich zu den Waffen greifen zu müssen.« »Werte« – ja welche? Imperialismus, so der Trend, muß gar nicht mehr so sehr ethisch umhüllt werden. Europäische Staaten und die USA nehmen bei ihrer Operation in Libyen ganz ungeniert die Unterstützung arabischer Despoten in Anspruch, wenn diese sich geopolitisch als nützlich erwiesen haben; Volksbewegungen in Nordafrika und am Golf werden danach beurteilt und behandelt, ob sie sich für die eigenen machtpolitischen Strategien einspannen lassen. Drittens: Das alles ist offensichtlich – und dennoch schlagen sich in etlichen europäischen Ländern linke oder grüne Parteien auf die Seite der Kriegsbetreiber. Auch in der Bundesrepublik treten Politiker aus der SPD und den Grünen als Befürworter militärischer Interventionen auf, Gewaltanwendung im internationalen Verkehr gilt ihnen als Normalität. Zustimmung dafür haben sie bei den meisten Intellektuellen vom Dienst und beim Großteil der Medien. Aufschlußreich ist, mit welchen Anwürfen hier eine Bundesregierung bedacht wird, die sich – aus welchen Motiven auch immer und wohl eher versehentlich – bei der Abstimmung über den Krieg im Libyen im UN-Sicherheitsrat enthaltsam verhielt: Lauthals wurde »Feigheit«, »Drückebergerei« und »Verrat an der eigenen Sache« beklagt. Eine »Schande« sei es, daß die Bundesrepublik sich der militärischen Pflicht verweigere. »Morgendämmerung«: Die vielbeschworene »Zivilgesellschaft« wird erkennbar als Pflegestätte kriegerischer Gesinnung. »Stahlgewitter« sind wieder willkommen, jetzt freilich so, daß sie dort stattfinden, wo Flugverbote gelten. Für die Unterlegenen. Gerhard Schröder und Joseph Fischer können zufrieden sein: Im sogenannten rot-grünen Lager und in dessen literarisch-publizistischem Umfeld ist die »Enttabuisierung des Militärischen« gelungen. Nicht zu vergessen: In Tripolis und anderen libyschen Städten bedeutet Morgendämmerung jetzt, daß eine Bombennacht vorüber ist: Die Ruinenfelder haben sich ausgedehnt, ätzender Qualm liegt über allem, Leichen werden ausgegraben, kleiner gewordene Familien trauern schweigend oder schreiend. Und für die nächste Nacht sind noch massivere Bombardements zu erwarten, solange dieser »Schutz für Zivilisten« (offizieller Kriegsgrund) andauert.
Erschienen in Ossietzky 7/2011 |
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