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Zu den rühmlichen Ausnahmen gehören der Bundesausschuß Friedensratschlag und die Informationsstelle Militarisierung (IMI e.V.), die sich entschieden gegen eine Intervention ausgesprochen haben. Konkrete Nachrichten über diesen schrecklichen Bürgerkrieg kommen nur spärlich zu uns. Die Opferzahlen sind bisher schwer zu beziffern, das Ausmaß massiver Menschenrechtsverletzungen ist noch nicht zu überblicken. Klar ist aber, daß sich die Ursachen des Bürgerkriegs schwerlich auf den Gegensatz »böser Diktator contra gute Bürgerrechtler« reduzieren lassen, wie es derzeit in den meisten Medien geschieht. Wir haben es vielmehr – wie gewöhnlich in Kriegszeiten – mit einem Konglomerat vorwiegend wirtschaftlicher Ursachen zu tun. Die richtigen DespotenBahrain: Mit Panzern und saudiarabischer Militärunterstützung macht das Regime die Opposition nieder. Aber diesmal rufen westliche Menschenrechtsmilitaristen nicht nach einer Verbotszone und nach Sanktionen. In Bahrain und in Saudiarabien herrschen die richtigen Despoten. Red. Das unter Muammar al-Gaddafis Herrschaft mit den Erlösen der verstaatlichten Ölindustrie angeschobene Modernisierungsprogramm geriet schon in den 1990er Jahren ins Stocken. Nicht nur der Rückgang der Handelsbeziehungen zu Osteuropa nach dem Zusammenbruch der dortigen Volksdemokratien wirkte sich lähmend aus, noch gravierender waren die Folgen der 1992 vom UN-Sicherheitsrat verhängten Wirtschaftssanktionen. Die Annäherung des Diktators an den Westen führte zwar im Jahre 2006 zur Aufhebung der Sanktionen, hatte aber eine ganze Reihe gefährlicher Nebenwirkungen: Die Wirtschaft wurde ausländischen Firmen geöffnet, etwa ein Drittel der Staatsbetriebe wurde privatisiert. Die Annäherung ging so weit, daß Gaddafi und der französische Staatschef Nicolas Sarkozy 2007 eine Absichtserklärung über den gemeinsamen Bau eines libyschen Atomkraftwerks unterzeichneten. Ein wirtschaftlicher Aufschwung setzte ein, ging aber an der Bevölkerungsmehrheit vorbei. Die ins Land gerufenen Firmen brachten ihre eigenen Spezialisten mit; für Hilfsarbeiten engagierten sie hauptsächlich billige Arbeitsmigranten aus afrikanischen und arabischen Ländern. Letztere – ihre Zahl soll sich auf bis zu zwei Millionen belaufen – waren in Folge einer zeitweiligen Grenzöffnung vor allem in den 1990er Jahren massenhaft ins Land geströmt. Stetig ansteigende Lebenserhaltungskosten, Mangel an Beschäftigung und permanent steigende Jugendarbeitslosigkeit (zuletzt 40 bis 50 Prozent) verbitterten die Bevölkerung. Von dieser Unzufriedenheit profitierte jedoch nicht eine emanzipatorische Linke – eine solche hatte in der libyschen Gesellschaft kaum Fuß fassen können. Weite Kreise der Bevölkerung orientierten sich vielmehr auf die vormoderne Stammesgesellschaft und den Islam zurück, und ihr Zorn richtete sich gegen alles, was außerhalb dieser traditionellen Gesellschaft steht: staatliche Machtstrukturen, ausländische Unternehmen, afrikanische Elendsflüchtlinge. Bereits aus den 1980er Jahren datieren bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen libyschen Sicherheitskräften und dem islamistischen Untergrund. In den Jahren 2006 und 2009 sah sich das Regime zu einer Amnestie gezwungen, zahlreiche inhaftierte Muslimbrüder wurden damals auf freien Fuß gesetzt. Aus dem Jahre 2000 sind fremdenfeindliche Ausschreitungen dokumentiert, die damals 130 Tote gekostet haben sollen. Die Zahl der von der libyschen Regierung in Lagern festgehaltenen illegalen Migranten wurde 2006 auf 60.000 geschätzt. Es war durchaus voraussehbar, daß sofort mit Beginn des Aufstandes und dem Zusammenbruch staatlicher Strukturen fremdenfeindliche Ausschreitungen hochkochten. Auch dies dürfte ein Grund für die sofort eingeleitete Evakuierung von Mitarbeitern ausländischer Firmen gewesen sein. Während Westeuropäer, US-Bürger und Chinesen bequem mit dem Flugzeug ausreisen oder sich unter dem Schutz ausländischer Kriegsschiffe einschiffen konnten, hatten afrikanische Arbeitsmigranten diese Möglichkeit nicht – im Gegenteil: Der italienische Ministerpräsident Berlusconi kündigte umgehend Maßnahmen gegen den zu erwartenden Ansturm von Bürgerkriegsflüchtlingen an. Viele der rund 200.000 Migranten, die bisher nach Tunesien oder Ägypten kamen, berichteten von Plünderungen, Mißhandlungen, Morden, woran beide Bürgerkriegsparteien beteiligt seien. Für Behauptungen von Seiten der Aufständischen, Gaddafi habe afrikanische Söldner eingesetzt und damit den Anlaß für diese Ausschreitungen gegeben, liegen derzeit keine Beweise vor. Es ist allerdings bekannt, daß das libysche Militär sich teilweise aus Tuareg-Nomaden der benachbarten Saharastaaten rekrutiert. Sofort nach Ausbruch des Aufstandes ließen sämtliche westlichen Regierungschefs Gaddafi wie eine heiße Kartoffel fallen. Das war auch die Strafe für eine schwere Sünde, die er im Jahre 2009 begangen hatte: Angesicht der wirtschaftlichen Entwicklung und sinkender Ölpreise hatte er Eigentum der kanadischen Ölfirma Verenex verstaatlicht. Aus der Sicht der Ölindustrie war er schon deswegen nicht mehr haltbar, und man hatte nur noch auf einen Anlaß gelauert, ihn loszuwerden. Der Anlaß war mit dem Beginn des Aufstandes gegeben. Ein Vermittlungsvorschlag des venezolanischen Staatschef Chavez verhallte. Man will keine Verhandlungen mit dem Ziel eines friedlichen Machtwechsels, sondern eine Besetzung des Landes. Der Angriff einer westlichen Militärkoalition mit dem Ziel einer Inbesitznahme der libyschen Ölfelder scheint beschlossene Sache zu sein. Offenbar hat man keine Probleme damit, sich islamistischer Glaubenskrieger und rassistischer Pogromhelden als Bundesgenossen zu bedienen; nach den Erfahrungen der letzten Weltordnungskriege kann das nicht wundern. Ob und wieweit sich die libyschen Oppositionsgruppen auf dieses Spiel einlassen, ist derzeit allerdings noch fraglich. Die Mehrheit von ihnen hat bisher eine westliche Militärintervention strikt abgelehnt. Ob sie angesichts des derzeitigen Vormarsches regierungstreuer Truppen bei dieser Haltung bleibt, wird man sehen. Ausführliche Informationen zum libyschen Bürgerkrieg und zur Vorbereitung einer westlichen Militärintervention finden sich auf der Homepage der Informationsstelle Militarisierung (www.imi-online.de)
Erschienen in Ossietzky 6/2011 |
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