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Wer die inzwischen als Plagiate identifizierten Texte in Guttenbergs Doktorarbeit mit den Texten der ursprünglichen Autoren vergleicht, wird nicht nur die wörtlichen Übereinstimmungen, sondern gerade die minimalen Abweichungen bemerkenswert finden. Der Verfasser der Doktorarbeit hat also nicht nur versäumt, die abgeschriebenen Stellen durch Anführungszeichen, Einrücken oder andere Schrift als Zitate zu kennzeichnen und mit Fußnoten zu versehen, sondern er hat den Plagiaten durch kleine Änderungen den Anschein eigener Formulierung gegeben. Ein unübersehbares Indiz für Täuschungsabsicht. Als gerecht zu vermitteln?Ein bißchen was vom Jurastudium scheint bei Karl-Theodor zu Guttenberg hängen geblieben zu sein, sonst würde er sich nicht so vehement dahinter verschanzen, bei seiner Doktorarbeit nicht bewußt getäuscht zu haben. Ohne den Nachweis des Vorsatzes läßt sich Täuschung nämlich juristisch ebenso wenig beweisen wie etwa Rechtsbeugung. In einem folgenschweren Urteil, das den Freispruch praktisch aller Nazi-Richter zur Folge hatte, entschied der Bundesgerichtshof am 7. Dezember 1956, wegen Rechtsbeugung gemäß Paragraph 336 Strafgesetzbuch könne nur verurteilt werden, wer das Recht bewußt gebeugt habe. Bedingter Vorsatz genüge dafür nicht (1/StR 56/56). Das hatte zur Folge, daß ohne entsprechendes Geständnis niemand wegen Rechtsbeugung belangt werden konnte. Die Nazi-Richter brauchten – um ungeschoren zu bleiben – nur zu versichern, sich an die geltenden Gesetze gehalten zu haben. Den DDR-Richtern nutzte dieser Einwand gar nichts. Bei ihnen wurde der Vorsatz zur Rechtsbeugung gar nicht angezweifelt. In der Sprache des Bundesgerichtshofes ausgedrückt: Angesichts der hohen Anforderungen, die an die objektiven Voraussetzungen des Rechtsbeugungstatbestandes gestellt würden, könne die Wissentlichkeit der gesetzwidrigen Entscheidung »regelmäßig nicht in Frage stehen« (Entscheidung vom 21. 8. 1997). Immerhin räumte der BGH gegenüber einem verurteilten DDR-Richter ein, daß ihm diese »grundlegend veränderte Haltung der Rechtsprechung, ohne die seine Verurteilung nicht möglich wäre, kaum als gerecht zu vermitteln sein dürfte« (AZ 5 StR 747/94 ). Wird der Bundesgerichtshof, wenn er mit dem aktuellen Fall befaßt wird, zur alten Rechtsprechung zurückkehren und Guttenberg wie einen Nazi-Richter behandeln? Oder etwa wie einen DDR-Richter? Conrad Taler Wenn Herr zu Guttenberg seine verkündete Absicht verwirklichen wollte, die »Fehler« seiner Doktorarbeit in einer zweiten Auflage zu verbessern, hätte er sich vor dem Problem gesehen, daß es keineswegs genügt hätte, Zitate als solche kenntlich zu machen, vielmehr hätte er die fraglichen Stellen und deren ursprüngliche Autoren erst einmal finden müssen, um sodann die Änderungen rückgängig zu machen, die der Verfasser der Doktorarbeit – wer auch immer das ist – im Plagiat vorgenommen hat. Eine Arbeit, die ihm allerdings inzwischen nicht nur von dem Entdecker der Plagiate, dem Bremer Professor Andreas Fischer-Lescano (in dessen Rezension in Kritische Justiz 1/11), vom Spiegel und anderen Internetforschern weitgehend abgenommen worden ist. Der nach Ausgliederung aller zitierten Stellen verbleibende Rest der Doktorarbeit wäre dann allerdings in seiner Dürftigkeit wohl noch peinlicher geworden. Schon wiederholt der Verdacht geäußert worden, daß ein anderer die Doktorarbeit geschrieben haben könnte. Guttenbergs gegenteilige öffentliche Beteuerung könnte sich als weitere Täuschungshandlung herausstellen. Er täte wohl besser daran, eine fremde Autorschaft für seine Doktorarbeit, wenn es sie gegeben hat, einzuräumen, als weiterhin in dem Ruf zu stehen, ein Flickwerk aus Texten anderer Autoren selbst zusammengestellt zu haben. Denn damit hat er sich ein geistiges Armutszeugnis ausgestellt, das eigentlich nicht dem Niveau eines immerhin intelligenten Politikers entspricht. Ich glaube daher nicht, daß er derjenige war, der die ungezählten von anderen Autoren stammenden Stellen aus dem Internet herausgesucht und zusammengestellt hat. Es spricht einiges dafür, daß dies ein anderer, und zwar ein Betrüger von minderer wissenschaftlicher Qualität, getan hat, der sich die Arbeit durch Plünderung des Internets leicht gemacht hat. Was sich jetzt aus der Sicht der Betrüger schon deshalb als Fehler erweist, weil man auf demselben Wege wie der Ghostwriter die plagiierten Stellen wiederfinden kann. Ich vermute zugunsten des Herrn zu Guttenberg, daß er selbst hereingelegt worden ist, also ein betrogener Betrüger ist, der selbst von der Leichtfertigkeit seines wahrscheinlich teuer bezahlten Ghostwriters überrascht worden ist. Das würde auch manche seiner hilflosen Erklärungen nach Bekanntwerden der Plagiatsvorwürfe erklären, die sich zum Teil so anhörten, als hätte er seine eigene Doktorarbeit jetzt zum ersten Mal gelesen. Wenn es so war, wie ich vermute, wäre Herr zu Guttenberg wohl gut beraten, auch die fremde Autorschaft seiner Doktorarbeit zuzugeben. Ein Ghostwriter, den verlockende Angebote von enthüllungsgeilen Medien veranlassen könnten, sein Schweigen zu brechen, könnte von dem nicht unvermögenden Freiherrn finanzielle Nachforderungen in beliebiger Höhe und auch andere Zumutungen erpressen. Guttenberg war, wenn auch reichlich spät, klug genug, auf sein Ministeramt zu verzichten. Ob es klug war, an der Behauptung festzuhalten, er habe diese betrügerische Doktorarbeit selbst und ohne fremde Hilfe verfaßt, wird sich vielleicht noch zeigen.
Erschienen in Ossietzky 5/2011 |
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