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Die Zeitung wollte wohl anspielen auf das alte CIA-Motto für die Zusammenarbeit mit jeder Art von Gangstern: »OK, ein Schurke – aber unser Schurke!« Am fünften Tag der Volksproteste war es Washington darum gegangen, den vertrauten Schurken in Kairo zu einem taktischen Rückzug zu bewegen, um das Regime, in das man insgesamt mehr als 70 Milliarden Dollar, vor allem an Militärhilfe, investiert hat, als wichtigen strategischen Verbündeten der USA, Israels und der EU zu erhalten. Und so schickte Präsident Barack Obama einen Sonderbeauftragten der Extraklasse zu den Schurken nach Kairo. Der US-Diplomat Frank Wisner jun., ein guter Freund Mubaraks, Suleimans und der Generäle, bekleidete seit 1961 im Pentagon und im Außenministerium hohe Ämter und wurde an Brennpunkten wie Vietnam, Philippinen und dem Süden Afrikas eingesetzt. 2005 vertrat er die USA als Sonderbotschafter bei den Verhandlungen über die Abspaltung des Kosovo von Serbien. Von 1986 bis 1991 war er Botschafter in Kairo. Seit damals sorgte er für enge Kontakte zwischen CIA und Suleimans Geheimdienst, zwischen Pentagon und ägyptischem Militär. Nahezu jeder höhere ägyptische Offizier wurde in den USA ausgebildet. Nach seiner Pensionierung 1997 kehrte Wisner als Lobbyist für die US-Rüstungsindustrie und andere Branchen an den Nil zurück. Er unterhielt – so der Wirtschaftsdienst Bloomberg – »enge politische, militärische und ökonomische Kontakte« zu Ägypten und ist Vorstandsmitglied einer bedeutenden ägyptischen Bank. Auch der Londoner Independent würdigt die Rolle, die Wisner als führender Mitarbeiter der US-amerikanischen Lobby-Firma Patton Boggs heute spielt, einer Firma, »die für das Regime Mubaraks und führende ägyptische Unternehmerfamilien arbeitet«. Patton Boggs wirbt auf seiner Webseite für Investionen in Mubaraks und Suleimans Ägypten, denn das Land erlaube Ausländern vollständigen Besitz von Unternehmen, garantiere die Ausfuhr von Gewinnen und Kapital und gebe unter anderem »rechtliche Garantien gegen Beschlagnahme und Nationalisierung«. Laut Obamas Weißem Haus hatte Wisner den Auftrag, Mubarak zum Rückzug zu bewegen. Aber einen Tag nach seinen Geheimgesprächen mit dem Präsidenten, dem Geheimdienstchef und den Militärs schlug das Regime brutal zurück, und die Schergen Mubaraks fielen in einer konzertierten Aktion über die Demonstranten her. Etwa 300 wurden nach ersten Angaben der UN getötet und mehr als 3000 verletzt – durch die Waffen, die das Regime von den USA und auch von Deutschland erhalten hatte. Nicht nur das US-amerikanische Internet-Magazin Counterpunch äußert die Vermutung, daß dieser Überfall »bei dem privaten Treffen sanktioniert wurde«. Nichts anderes könne man von einem kriminellen Vertreter, einem »bagman des Imperiums« erwarten, der auch – so Counterpunch über Wisner – ein »Feuerwehrmann des Kapitals« sei. Unter dem Motto »Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm« sei hier eine kleine Abschweifung erlaubt: Wisners Vater, Frank Wisner sen., wurde bereits im Zweiten Weltkrieg für den US-Geheimdienst gegen die verbündete Sowjetunion eingesetzt. Er war dann einer der Gründer der CIA und leitete die «Operation Mockingbird«, mit der die CIA die 25 bedeutendsten Medien der USA und insgesamt fast 3000 Journalisten für Desinformations-Kampagnen und andere Pläne der CIA einspannte. Anfang der 1950er Jahre wurde er Chef der wichtigsten CIA-Abteilung, des Directorats of Programs and Plans (DPP), und bereitete unter anderem zwei von der Regierung Eisenhower angeordnete Staatsstreiche vor: 1953 wegen der im Iran verstaatlichten Ölindustrie gegen die demokratisch gewählte Regierung Mossadegh und 1954 in Guatemala zugunsten der von einer Landreform der Regierung Arbenz betroffenen United Fruit Company. Eine weitere von Wisners Operationen nannte sich »Bloodstone« und diente der systematischen Rekrutierung von Ex-Nazis zum Kampf gegen die sozialistischen Staaten. Und dann war da noch die Rolle, die der Senior bei der Vorbereitung des Ungarn-Aufstands 1956 spielte, den er von Wien aus unter anderem über Radio Free Europe anheizte. Auf der offiziellen Webseite des US-Nationalfriedhofs in Arlington, wo Wisners Grab ist, wird die tiefe Enttäuschung des CIA-Agenten über den Fehlschlag in Ungarn geschildert und festgestellt: »Er wies darauf hin, daß man Radio Free Europe eine Menge Geld dafür gegeben habe, diese Leute zum Aufstand zu veranlassen.« Kurz danach hatte er einen Nervenzusammenbruch und erholte sich davon nie wieder. 1965 starb er – angeblich verübte er Selbstmord. Nachdem Frank Wisner jun. von seinem Blitzbesuch in Kairo Anfang Februar 2011 wieder nach Washington zurückgekehrt war, verstärkten die USA ihren Werbefeldzug für Mubarak. Noch am Tag des blutigen Überfalls auf die Demonstranten erklärte James Baker, von 1989 bis 1992 Außenminister unter Präsident Bush sen.: »Er war den Vereinigten Staaten für 30 Jahre ein verdammt guter Verbündeter.« Obamas Emissär Wisner forderte die in München zur sogenannten Sicherheitskonferenz versammelten Staatenlenker und Minister sogar per Video-Schaltkonferenz auf: »Wir sollten einem Mann mit Respekt entgegenkommen, der für viele Jahre unser guter Freund war.« Es müsse ein »Abgang in Würde« sein. Bundeskanzlerin Angela Merkel klang in München mit ihrer Besorgnis vor einem zu schnellen Wandel in Ägypten wie das Echo von Frank Wisner. Und wie geht es jetzt mit Omar Suleiman weiter, dem Favoriten Wisners und der USA für den »Übergang« in Ägypten? Übergang wohin? Nach dem Rückzug Mubaraks und der Machtübernahme durch die Militärs wurde der langjährige Geheimdienstchef und Vizepräsident nicht erwähnt – wieso? Wer ist dieser Mann, von dem die US-Bildagentur Life ein Foto veröffentlichte, das ihn in freundschaftlichem Gespräch unter anderem mit einer konzentriert lauschenden Angela Merkel und Frankreichs Präsident Sarkozy zeigt? Suleiman ist laut Süddeutscher Zeitung »Wunschpartner von USA und Israel«, denn insbesondere unter Präsident George Bush jun. »kam es öfter vor, daß Washington islamistische Terrorverdächtige zeitweise in befreundete arabische Länder, darunter Ägypten, überstellte. Ein ›Auslagern der Folter‹ wurde diese Praxis ... genannt.« Noch deutlicher wird der US-amerikanische Internetdienst sott.net: Suleiman sei »bekannt wegen seiner zentralen Rolle bei der Folter in Ägypten und im US-Programm der Überstellung zur Folter ... Jede Überstellung wurde von den höchsten Stellen beider Regierungen autorisiert ... Suleiman verhandelte direkt mit hohen Vertretern der Behörde (CIA).« Das Zentrum für arabische Studien an der Georgetown-Universität in Washington nennt ihn »den Mann der CIA in Kairo und Ägyptens Chef-Folterer«, und in einem von Wikileaks veröffentlichten Telegramm der US-Botschaft in Kairo von 2006 heißt es: »Unsere Geheimdienst-Zusammenarbeit mit Omar Suleiman ist jetzt der wahrscheinlich erfolgsreichste Teil der Beziehungen« mit Ägypten. Kein Wunder, daß die US-Botschaft schon 2007 zu dem Schluß kommt, daß Suleiman »wenigstens eine Rolle in jedem Nachfolge-Szenarium spielen wird«. Auch für die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) ist der Folterchef Favorit als Übergangspräsident. »Kaum ein anderes Szenario würde in ähnlichem Ausmaß nach innen Sicherheit und Stabilität garantieren und nach außen Kontinuität und Verläßlichkeit gewährleisten«, schrieb die KAS am 10. September 2010. Diese Kontinuität und Verläßlichkeit zeigte Omar Suleiman auch, als er zwei Tage vor der Machtübernahme durch die Generäle einen Militärputsch voraussagte und erklärte: »Wir werden keinen weiteren zivilen Ungehorsam mehr dulden.« War Suleimans Militär-Putsch-Drohung auch mit Obamas Vertrautem Frank Wisner jun. abgesprochen? Zumindest wurde sie von Washington nicht zurückgewiesen. Nach 18 Tagen beeindruckender Demonstrationen mußte sich der präsidiale Schurke auf seine Besitztümer zurückziehen. Aber was ist mit den anderen? Welche Rolle wird Suleiman künftig spielen? Und wo ist ein Ankläger, der sie alle wegen hundertfachen Mordes und Folter vor den Internationalen Gerichtshof bringt?
Erschienen in Ossietzky 4/2011 |
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