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Seit dem Untergang der DDR und der »Wiedervereinigung«, also in den letzten 20 Jahren, sind die Ängste der Deutschen kräftig gestiegen, ermittelte im September die R+V Versicherung in einer Langzeitstudie. Aus reiner Menschenliebe und ganz uneigennützigen Motiven, wie Versicherungskonzerne eben zu handeln pflegen, befragte das R+V-Infozentrum zum 20. Mal rund 2.500 Bürger nach ihren größten Ängsten. Heraus kam eine Rangfolge der Ängste der Deutschen im Jahr 2010, die für Versicherungen ebenso wie für Regierungen und Parteien sehr nützlich und für die Allgemeinheit recht aufschlußreich war. Danach haben 68 Prozent der Befragten die größte Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten, die damit Rang eins belegt. Auf den weiteren Plätzen folgen die Ängste vor einer Verschlechterung der Wirtschaftslage, Naturkatastrophen, Überforderung der Politiker, Pflegebedürftigkeit im Alter, allgemeiner Arbeitslosigkeit, schwerer Erkrankung, terroristischen Angriffen, eigener Arbeitslosigkeit, drastischem Sinken des Lebensstandards im Alter und Drogensucht der Kinder. Auf dem 13. Platz liegt die Angst vor Kriegen mit deutscher Beteiligung, die von 42 Prozent der Bürger empfunden wird. Seit der Veröffentlichung der Studie sind einige Monate vergangen. Inzwischen dürfte sich nach einigen präterroristischen Ereignissen – besonders dem Fund einer nicht adressierten Bombenattrappe in Windhoek, dem nachfolgenden Terroralarm und den beunruhigenden Warnungen vor Hysterie und Panik – die Angst vor Terrorgefahr in der Rangfolge nach oben geschoben haben. Das ist zumindest von doppeltem Nutzen. Einerseits drängt die geschürte Angst vor heimtückischen terroristischen Anschlägen die Furcht vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, sozialem Abstieg und Armut zeitweilig ein wenig in den Hintergrund und schafft so Freiräume für die antisoziale Regierungspolitik. Andererseits erleichtern Terrorangst und aufgepeitschte öffentliche Panik – Rolf Gössner hat das in seinem Buch »Menschenrechte in Zeiten des Terrors« treffend eine »öffentliche Hysterie als eine Art Herrschaftstechnik des Populismus« genannt – den Sicherheitsexperten im Lande, nachdrücklicher und lauter nach Vorratsdatenspeicherung, dem Ausbau von Geheimdiensten, der Zusammenlegung von Bundeskriminalamt und Bundespolizei zu einem zentralen bundesdeutschen FBI, kurz gesagt nach einem starken Sicherheits- und Überwachungsstaat zu rufen und bisher gescheiterte grundgesetzwidrige Projekte aus der Schublade zu holen. Ferdinand Kirchhof, immerhin Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichtes, hat dazu jüngst mit seinem Eintreten für einen erweiterten Einsatz der Bundeswehr im Innern einen formidablen Beitrag geleistet. Terrorhysterie ist zu einem probaten Mittel geworden, um von sozialen Schandtaten abzulenken, dem gesellschaftlichen Widerstand zu begegnen und ihn einzugrenzen. Ein Lehrstück wurde im November in und vor dem Berliner Reichstagsgebäude aufgeführt. Im Parlament verabschiedete die schwarz-gelbe Abgeordnetenmehrheit den Bundeshaushalt und damit das »Sparpaket«, das vor allem zu Lasten der Arbeitslosen, Niedriglöhner, Alleinerziehenden und Rentner geht. Das Hohe Haus war in weitem Umfeld durch rot-weiße Absperrgitter und hochgerüstete Hundertschaften der Polizei in eine uneinnehmbare Festung verwandelt worden. Natürlich keineswegs zum Schutz vor den protestierenden Demonstranten, sondern – ein Schelm, wer Arges dabei denkt – zur Abwehr möglicher terroristischer Attacken. Rein zufällig waren im Vorfeld der entscheidenden Parlamentssitzung Berichte über konkrete Anschlagspläne islamistischer Terroristen auf Ziele in der Bundesrepublik, darunter auf das Reichstagsgebäude, verbreitet worden, worauf die Regierung die Terroralarmsirenen anwarf und Bundeskanzlerin Merkel sowie Innenminister de Maizière die Bürger zu Vorsicht und Besonnenheit aufriefen. So war es denn nur folgerichtig, daß das »dem deutschen Volke« gewidmete Haus weitaus mehr als üblich vor demselben geschützt werden mußte. Angesichts der Terrorgefahr und der »Sicherheitsmaßnahmen« der Regierung, die von zwei Dritteln der Deutschen für angemessen erachtet werden, erschienen Demonstranten in geringerer Anzahl als erwartet. Die Rufe »Wir zahlen nicht für Eure Krise« und »Sparpaket stoppen« verhallten im gehörigen Abstand vom Reichstag, zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule, ausgerechnet auf der Straße, die nach dem »Arbeiteraufstand« vom 17. Juni 1953 benannt ist. Der Kampf gegen die terroristische Gefahr hatte über den Protest gegen die neuerlichen sozialen Gemeinheiten gesiegt. Und die Gewerkschaften? Nachdem das »Sparpaket« im Hochsommer von der Regierung geschnürt worden war, hatten ihre Wortführer einen »heißen Herbst« angekündigt. Doch als es im von der Terrorhysterie geprägten November verabschiedet wurde, war kaum noch ein laues Spätherbstlüftchen zu verspüren. Hatten etwa auch sie Angst? Wenn ja, wovor? Schwerlich vor dem Terrorgetöse. Die in Deutschland umgehende Angst hat viele Facetten. Mancher brüllende Löwe wird, wenn es zum Schwur kommt, zum zögerlichen Hasenfuß. Den Grund dafür hat Carl von Ossietzky mit wenigen Worten benannt: »Man kann nicht kämpfen, wenn die Hosen voller sind als das Herz.«
Erschienen in Ossietzky 1/2011 |
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