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Es bleibt ihresgleichen verborgen, daß wir 20 Jahren lang einen erbitterten Kalten Kunst-Krieg gegen die Bildende Kunst der DDR erlebt haben und daß Neo Rauch mit einem Schlag diesen Krieg, die Diffamierungskampagne »DDR-Kunst = realistisch = passé« beendet hat. Man muß dazu freilich die deutsche Kunst-Szene verfolgt haben. Eduard Beaucamp, einer der ganz wenigen (west-)deutschen Kunstkritiker, die sich dem Frontdenken dieses Krieges verweigert haben, charakterisierte schon 2000, was die Kunst-Herrschenden und die von ihnen manipulierte »öffentliche Meinung« nach 1989 mit der DDR-Kunst bewirkten: »Als die Berliner Nationalgalerie, die oberste zuständige Museumsinstanz, kurz nach der Wende einen Vereinigungsversuch unternahm und Platz machte für einige markante Beispiele und Positionen der Kunstentwicklung im Osten, kam es zum Sturm der Entrüstung. Kurze Zeit behaupteten die Ostdeutschen ihren öffentlichen Platz, schrumpften dann zur Restgruppe und sind heute fast ganz ins Depot abgetaucht.« Erst 14 Jahre nach diesen anhaltenden schändlichen Abwertungsversuchen gegenüber einer der beachtlichsten sozialkulturellen Errungenschaften der DDR hatte die Berliner Nationalgalerie den Mut, 2003 durch die große, sehr anerkannte Retrospektive »Kunst in der DDR« eine Gegenposition zu zeigen, indem sie die realistische Kunst der in Westdeutschland tonangebenden abstrakten wieder als respektabel entgegenstellte. Aber dieses die Darstellungskraft der großen DDR-Kunst in Erinnerung bringende Ereignis wäre doch ein Rückblick auf unwiderruflich Vergangenes geblieben, wenn nicht ein Gruppe deutscher realistischer Künstler – vor allem aus Leipzig – im Laufe der neunziger Jahre auf dem Weltkunstmarkt einen unerwartet starken aktuellen Erfolg gehabt und unter dem Titel »Young German Art« (YGA) auf führenden Messen in London, New York und Basel Spitzenpositionen errungen hätte. Das drückt sich selbstverständlich auch in den Preisen aus, die für ihre Werke geboten werden. Mit Abstand führend in dieser Hochschätzung junger deutscher Realisten ist nun seit Jahren Neo Rauch. Und dieses ungewöhnliche Ansehen, das Heike Friauf mit dem Spießerargument der Unverständlichkeit seiner Bilder und mit seinen hohen Honoraren in Frage zu stellen versucht, stammt nun, jedenfalls hierzulande, nicht mehr von – pfui! – internationalen Kunsthändlern, sondern immerhin von den KuratorInnen zweier hochangesehener Museen der Bildenden Kunst: in München und Leipzig. In beiden Städten gleichzeitig organisierten sie 2010 mit 60 meist sehr großformatigen Bildern zu seinem 50. Geburtstag eine sozusagen bundesweite Doppel-Retrospektive. Eine höchst ungewöhnliche, ja einzigartige Würdigung! Ich gestehe, daß ich mit der trüben Stimmung, der mangelnden Lebendigkeit etlicher Rauchscher Bilder auch meine Mühe habe. Allerdings ist es purer Unsinn, wenn Friauf ihm Kokettieren mit der Apokalypse unterstellt. Er malt, wie er uns wissen läßt – übrigens durchaus um Klarheit bemüht, gar nicht »raunend« – aus dem Fundus seiner Träume, und Träume sind eben oft »schwer«. Aber wer ihn »langweilig« findet, muß sich fragen lassen, ob das an Rauch liegt. Alle Surrealisten, ob Max Ernst, Paul Klee, Joseph Beuys, Gerhard Altenbourg oder auch Neo Rauch, haben das Recht, im Friaufschen Sinn schwer verständlich zu sein, sogar »langweilig«. Das Fatalste aber an Friaufs Ablehnung des berühmten neuen »DDR«-Malers: Sie hat nicht begriffen, daß durch Rauch die ganze westdeutsche Herabwürdigung der realistischen (also auch surrealistischen) Malerei der DDR-Tradition in sich zusammenfällt. Denn diese lebt und genießt große Anerkennung. Fritz Vilmar * Kein Zweifel: Künstlerinnen und Künstler aus der DDR waren und sind Abwertungsversuchen und Schlimmerem ausgesetzt. Auch »meinesgleichen« blieb der Kalte Kunst-Krieg nicht verborgen, im Gegenteil; ich beschäftige mich schon lange – und das wiederum blieb Fritz Vilmar verborgen – mit der reichen Kunstlandschaft der DDR (nicht zuletzt in Ossietzky 23/2008, 19/2009, 3/2010, 12/2010). Wäre Rauchs Kunst unverständlich oder »langweilig« (das ist übrigens kein O-Ton Friauf, wie Vilmar behauptet), hätte ich wenig Anlaß für Polemik. Sie ist jedoch symptomatisch für den heutigen Kunstbetrieb. Rauchs großer Erfolg ist keineswegs »ungewöhnlich«, sondern Folge konsequenter Ausrichtung am Publikumsgeschmack. Sein Mix aus nachsozialistischem Realismus und bedeutungsschwangerer Symbolik trifft auf die Orientierungsbedürfnisse eines krisengeschüttelten Bürgertums. Andere Maler aus der DDR, künstlerisch wesentlich besser (Tübke, Sitte, Vent, um nur drei zu nennen), haben keine Chance auf New Yorker oder Londoner »Spitzenpositionen«, da es dort gar nicht um Malerei geht oder nur am Rande. Sie haben allerdings auch nicht Rauchs äußerst markttüchtigen Galeristen, der lange vor 1989 auf den Westmarkt zuarbeitete und dem etliche Leipziger ihren heutigen Erfolg verdanken. Berühmtheit ist im Jahr 2010 wahrlich kein Zeichen für Qualität. »Berühmt« ist auch der den Hitlergruß zeigende Jonathan Meese oder Damien Hirst mit seinem diamantenbeklebten Totenkopf. Leider – und es wäre naiv, das nicht zu sehen – zeugt selbst eine Museumspräsentation nicht per se von künstlerischer Qualität. Museen können, kaputtgespart, kaum noch ruhiger Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit nachgehen, sie müssen auf Massenandrang zielen, mit Namen aufwarten, während die Bestände verrotten. Der »berühmte« Neo Rauch ist eine sichere Nummer, und so konkurrierten (!) gleich zwei wichtige Museen um die Geburtstagsausstellung; am Ende haben beide eine gemacht, aber geplant war das nicht so. Die aktuelle Flurbereinigung im zu Recht berühmten Dresdner Albertinum zeigt überdeutlich die systematische Verdrängung von großer in der DDR geschaffener Kunst. Von einem Rauch-Effekt keine Spur. Als jüngst von einem der wenigen noch beständig arbeitenden DDR-Kunst-Archive auf Burg Beeskow eine Ausstellung organisiert wurde, versuchte Neo Rauch vehement zu verhindern, daß dort ein Bild von ihm gezeigt wird. Rauch und andere sind auch deshalb so scharf zu analysieren, weil sie mit ihrer gezielten Kunstproduktion den alten Kolleginnen und Kollegen in den Rücken fallen, die sich weniger gut auf den hereinbrechenden Kunstmarkt haben einstellen können – oder wollen. Heike Friauf
Erschienen in Ossietzky 25/2010 |
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