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Das läßt sich schon dem Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Bundesregierung entnehmen, wo sogenannte Extremismusbekämpfungsprogramme vereinbart wurden. Nicht mehr die Bekämpfung des Neofaschismus steht da im Vordergrund, sondern »Rechtsextremismus«, »Islamismus« und »Linksextremismus« wurden gleichermaßen als »extremistisch« und damit »verfassungsfeindlich« ausgemacht. Der »Linksextremismus«-Vorwurf richtet sich gegen die Autonomen und die Linkspartei und explizit auch gegen die »Verklärung der SED-Diktatur«. Für deren Bekämpfung sieht die Bundesregierung ein Maßnahmenbündel vor, das von der Einrichtung eines Arbeitsschwerpunkts »Aufarbeitung der SED-Diktatur« bei der Bundeszentrale für politische Bildung über die Errichtung einer Jugend- und Begegnungsstätte sowie die Schaffung eines koordinierenden Zeitzeugenbüros bis zur Erstellung eines Jahresberichts der Bundesregierung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur reicht. Weiter heißt es wörtlich: »Die Aufarbeitung des NS-Terrors und der SED-Diktatur wird wie im Gedenkstättenkonzept des Bundes vorgesehen fortgesetzt und verstärkt.« Der perfide Extremismusansatz, der Faschismus und Antifaschismus – Täter und Opfer – gleichsetzt, wird hier erneut deutlich. Eine Schlüsselfunktion im Kampf gegen die »Verklärung der SED-Diktatur« kommt laut Koalitionsvertrag weiterhin der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) zu. »Das Thema Staatsicherheit ist besonders gut dazu geeignet, jungen Menschen das Innenleben der SED-Diktatur begreifbar zu machen«, ist BStU-Leiterin Marianne Birthler überzeugt. So unterzeichneten die Birthler-Behörde und der Berliner Bildungssenator im März eine Kooperationsvereinbarung zur Behandlung des Themas DDR-Geschichte an Berliner Schulen. Mehr Raum wird dem Thema DDR im Lehrplan übrigens nicht eingeräumt. So werden weiterhin nicht die Leistungen der Menschen in der DDR und die sozialistischen Errungenschaften, die es tatsächlich gab, kritisch gewürdigt. Vielmehr geht es wieder nur um Stasi, Stasi, Stasi. Wie schnell die Stasi-Keule bei der Hand ist, konnte ich im Mai dieses Jahres selber erfahren. Wie schon die letzten Jahre hatte ich zur alljährlichen Tagung ehemaliger haupt- und nebenamtlicher Mitarbeiter der DDR-Auslandsaufklärung (»Hauptverwaltung A« des Ministeriums für Staatssicherheit) in Strausberg ein kurzes Grußwort geschickt. Unter den ehemaligen Kundschaftern für den Frieden sind eine ganze Reihe Genossen, die ich aus der Linkspartei als überzeugte Sozialisten oder auch durch meine Mitarbeit bei der Tageszeitung junge Welt als solidarische Kollegen kenne. Ich lobte die nüchternen wissenschaftlichen Untersuchungen und Dokumentationen vieler ehemaliger HVA-Mitarbeiter. Wörtlich schrieb ich: »Man muß nicht jede Eurer Einschätzungen teilen. Aber es gilt anzuerkennen, daß wohl kaum ein anderer Geheimdienst so umfassend von seinen eigenen ehemaligen Mitarbeitern und Kundschaftern aufgearbeitet wurde wie die Auslandsaufklärung der DDR.« Ich schloß mit den Worten: »Viele von Euch wurden für ihren mutigen Einsatz für den Frieden nach dem Ende der DDR mit Gefängnis bestraft. Die Spione des BND – eines von Altnazis aufgebauten aggressiven imperialistischen Dienstes – gingen dagegen für ihre Operationen gegen den Sozialismus straffrei aus. Diese Ungleichbehandlung ist bis heute ein himmelschreiendes Unrecht, das ein bezeichnendes Licht auch auf den sogenannten demokratischen Rechtsstaat wirft, den die Spitzel von BND und Verfassungsschutz angeblich verteidigen.« Zuerst entdeckte die extrem-rechte Wochenzeitung Junge Freiheit das in der jungen Welt dokumentierte Grußwort. Erst dann griffen etablierte Medien wie Spiegel-Online, die offensichtlich auf die Zuarbeit der rechten Anti-Antifa angewiesen sind, das Thema auf. Und nun ging es los. Wochenlang bekam ich Dutzende Haß-Mails. Bis auf wenige Ausnahmen enthielten sie wüste antikommunistisch motivierte Beschimpfungen, oft genug verbunden mit persönlichen Beleidigungen und sogar Drohungen. »Du bolschewistische Drecksau, geh doch nach Nordkorea«, hieß es da, und auch das Verbot der Linkspartei wurde gefordert. Fast fünf Monate nach meinem Grußwort erreichen mich immer noch solche Mails, jetzt aber nur noch vereinzelt. Wie hoch die Wellen schlugen, zeigt die Internet-Suchmaschine Google. Wer hier meinen Namen eingibt, dem wird gleich als erste Wortkombination »Ulla Jelpke« und »Stasi« vorgeschlagen. Zu dieser Verbindung finden sich sage und schreibe 3760 Einträge im Netz. Der innenpolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Stephan Mayer, forderte mich zu einer Entschuldigung bei den Stasi-Opfern auf. Da sich mein Grußwort an die HVA richtete, sollte ich mich wohl bei deren »Opfern«, also den Kriegsprofiteuren in der Rüstungsindustrie und den Kriegstreibern im NATO-Stab entschuldigen. Arnold Vaatz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU im Bundestag, will aus meinem Grußwort die »Wahrheit und Klarheit« über die Linkspartei herausgelesen haben. Demnach ziele die Partei im Kern auf die Abschaffung der Demokratie in Deutschland. Wer wie der Generalsekretär der CDU Brandenburg, Dieter Dombrowski, ausgerechnet im Interview mit der antidemokratischen Wochenzeitschrift Junge Freiheit mein Grußwort einen »Schlag ins Gesicht aller Demokraten« nennt, entlarvt sich nur selbst. Daß sich die bürgerliche Presse mit besonderer Energie auf mein Grußwort stürzte, war kein Zufall. In Nordrhein-Westfalen hatte die schwarz-gelbe Landesregierung eine Wahlniederlage erlitten. Und für eine neue Regierungsbildung von SPD und Grünen war Die Linke nun das Zünglein an der Wage. Bereits im Landtagswahlkampf wurde die Stasi-Keule gegen die Linkspartei bemüht. Weil die Sozialistische Linke, eine der Strömungen in der Partei, in einem Papier die DDR als einen »legitimen Sozialismusversuch« bezeichnet hatte, verfolgten Mitarbeiter des ZDF-Magazins Report Mainz tagelang die Kandidaten der Linken. Gefragt wurden diese nicht etwa, welche Rezepte die Partei gegen Massenerwerbslosigkeit und Finanzmarktkrise zu bieten hat. Die Gretchenfrage lautete vielmehr: »Wie halten Sie es mit der Stasi?« Nachdem sich immerhin 5,6 Prozent der Wähler in Nordrhein-Westfahlen durch derartig unseriöse Berichterstattung von einer Stimmabgabe für Die Linke nicht hatten abschrecken lassen, wurde zu den Koalitionsverhandlungen erneut die Stasi-Keule geschwungen. Sicherlich spielte dabei mein Grußwort an die früheren HVA-Mitarbeiter nur eine untergeordnete Rolle. Aber die nordrhein-westfälische Linke sollte sich nach dem Willen von SPD und Grünen einem Gesinnungstest unterziehen. Gefordert wurde, die DDR als Unrechtsstaat zu verurteilen. Gleichzeitig forderten die Grünen von der Linken die Einsicht, »daß der Verfassungsschutz als Instrument zur Sicherstellung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und zur Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger notwendig« sei. Die Grünen waren übrigens vor langer Zeit mit dem Ziel angetreten, alle Geheimdienste abzuschaffen. Wogegen ich mich in jenem Grußwort ausgesprochen hatte und weiterhin aussprechen möchte, ist eine Dämonisierung der DDR. Mir geht es keinesfalls darum, tatsächlich von Angehörigen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) begangene Verfehlungen oder sogar Verbrechen zu verharmlosen, zu verschweigen oder zu rechtfertigen. Schließlich haben solche Handlungen vor allem dem Sozialismus schweren Schaden zugefügt; sie richteten sich oft gegen überzeugte Sozialisten und linke Oppositionelle. Auch die HVA ist hier nicht gänzlich ausgenommen. Ich erinnere an den Fall des Antifaschisten, Sozialisten und Gewerkschafters Heinz Brandt, der 1961 aus Westberlin in die DDR entführt wurde und dort jahrelang inhaftiert war. Wir dürfen die Stasi-Debatte nicht den Antikommunisten jeglicher Couleur überlassen, die ihrerseits kein Problem mit Geheimdiensten und Spitzeleien haben, solange es nur gegen die Linken geht. Das notwendige Nachdenken über das MfS findet auch bei ehemals führenden Mitarbeitern der Staatssicherheit statt. So erklärte Generaloberst a.D. Werner Großmann, nach Markus Wolf Leiter der HVA, im Interview mit der jungen Welt: »Überzogen war die Neigung, den Sicherheitsapparat aufzublähen und diesen mit der Lösung innenpolitischer Probleme zu beauftragen. Gesellschaftliche Konflikte hätten durch die politische Führung des Landes und nicht durch das MfS bearbeitet und gelöst werden müssen.« Und Generalleutnant a.D. Wolfgang Schwanitz, ehemals stellvertretender Minister für Staatssicherheit, ergänzte: »Das MfS wurde zum Vollstrecker einer verfehlten Sicherheitspolitik gemacht. Es hat objektiv dazu beigetragen, die Entfaltung der sozialistischen Demokratie und konstruktiver Kritik zu behindern. Dadurch wurde eine notwendige Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Ursachen, weshalb Menschen opponierten oder ausreisten, verhindert.« So bemerkenswert es ist, daß sich ehemalige Angehörige der HVA – und auch anderer Abteilungen des MfS – an der Aufarbeitung der eigenen Geschichte beteiligen, notwendig ist eine vorurteilsfreie und unabhängige wissenschaftliche Untersuchung der Geschichte der DDR-Geheimdienste (und sie wird nicht gelingen, wenn nicht gleichzeitig und ebenso unabhängig das Wirken der Gegenspieler im Kalten Krieg erforscht wird: des Verfassungsschutzes, des Bundesnachrichtendienstes und des Militärischen Abschirmdienstes). Es darf nicht sein, daß eine von politischen Aufträgen der Regierung abhängige Behörde wie die BStU das Deutungsmonopol über diesen Abschnitt deutscher Geschichte hat. Mehrfach hat die BStU zudem ihre Verfügungsgewalt über die Stasi-Akten zur gezielten Diffamierung Andersdenkender mißbraucht. Ich erinnere an die immer wiederkehrenden Versuche, Gregor Gysi als Stasi-Spitzel zu diffamieren. Ein jüngerer Fall: Im Frühjahr 2009 gab die Birthler-Behörde kommentierte Berichte über den Berliner Landesvorsitzenden des Humanistischen Verbandes, Bruno Osuch, an ausgewählte Journalisten weiter. Ihm wurde darin Nähe zur Stasi und zu einer ominösen DKP-Militärorganisation unterstellt. Bis dahin galt Osuch als »Betroffener« von Maßnahmen der Stasi, nun war er zum »Begünstigten« umkategorisiert worden. Das geschah übrigens gegen interne Bedenken des zuständigen Abteilungsleiters Aktenauskunft der Birthler-Behörde, wie später vor Gericht deutlich wurde. Mehrere Zeitungen veröffentlichten anschließend entsprechende Berichte. Die Berliner Zeitungen aus den großen Medienkonzernen begründeten die Brisanz des Stasi-Vorwurfs gegen Osuch damit, daß der Landesvorsitzende des Humanistischen Verbandes aktiver Teil des Bündnisses »Pro Ethik« sei, das damals gegen das »Pro Reli«-Volksbegehren konservativ-christlicher Kräfte mobilisierte. Mit dem Stasi-Vorwurf gegen Osuch, der auch SPD- und GEW-Mitglied ist, sollte das breite »Pro Ethik«-Bündnis insgesamt getroffen werden. Erfolglos, wie sich zeigte. »Pro Reli« scheiterte an den Wahlurnen, und Osuch klagte – nach dem Volksbegehren – erfolgreich auf Unterlassung der Stasi-Vorwürfe. Der Fall bestätigte wieder einmal, welche üblen Geheimdienst-Methoden die Birthler-Behörde für politische Zwecke einsetzt. Zum Schluß noch etwas Grundsätzliches zu Geheimdiensten. Als eine Lehre aus Fehlentwicklungen in der DDR übernahm die PDS bei ihrer Gründung die Forderung nach Abschaffung aller Geheimdienste. Darin stimmte die transformierte ehemalige Staatspartei mit den Bürgerrechtlern der DDR-Opposition und dem Runden Tisch überein. 20 Jahre später ist ein Großteil der damaligen DDR-Bürgerrechtler, die sich heute zum Teil in den Reihen der CDU wiederfinden, längst davon abgerückt. Die Forderung nach Abschaffung aller Geheimdienste ist der Unterscheidung zwischen Geheimdiensten in Diktaturen, zu denen auch die DDR gezählt wird, und in Demokratien gewichen. Oberstasijäger Joachim Gauck etwa rechtfertigte selbst noch zu einem Zeitpunkt, als SPD und Grüne um die Stimmen der Linken für ihn als ihren Bundespräsidentschaftskandidaten buhlten, die geheimdienstliche Überwachung der Linkspartei. Nur eben diese Partei, Die Linke, ist bis heute bei einer grundsätzlich geheimdienstkritischen Position geblieben, während alle anderen Parteien in den letzten Bundesregierungen dem Abbau von Bürgerrechten, stärkerer Überwachung und dem Ausbau von Geheimdienststrukturen zugestimmt haben. Ich will nicht verhehlen, daß einige Genossinnen und Genossen innerhalb meiner Partei die Hoffnung – oder besser Illusion – haben, Geheimdienste ließen sich »rechtsstaatlich zähmen«: durch eine bessere parlamentarische Kontrolle. Doch diese Kontrolle sieht immer so aus, daß nur einige zur Geheimhaltung verpflichtete Parlamentarier Einblick in die Tätigkeit der Nachrichtendienste bekommen. Deshalb halte ich daran fest: Geheimdienste lassen sich nicht demokratisch kontrollieren. Geheim und demokratisch – das ist ein nicht auflösbarer Widerspruch. Daher muß unser Ziel die Auflösung aller Geheimdienste als undemokratischer Spitzelinstitutionen sein.
Erschienen in Ossietzky 22/2010 |
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