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Und er ist einer der ganz wenigen, die man nach Hans Reimanns Hinscheiden als Autorität in sächsisch-literarischen Mundartfragen beiziehen darf. So, wie er immer gute Laune hat, wenn ich ihn treffe, bereitet es wohlige Genugtuung, merke ich soeben, über seine Fähigkeiten und Vorlieben zu sprechen. Der gute alte Biskupek ist meine Generation. Jetzt wird er 60. Ich finde das ein bißchen voreilig. Ich kenne ihn schon lange, und er ist inzwischen grauhaarig geworden, aber 60, nee, das ist nicht leicht vorstellbar. Freilich, je länger man einen kennt, desto eher wird er 60, sage ich mir. Aber 60, das ist ja, wenn man es auf den Punkt bringen will– auf den unangenehmen Punkt, den wir mal mit zarter Häme herausstellen wollen! –, das ist der Eintritt ins siebte Lebensjahrzehnt. Ein Lebensalter, das in der Diskurs-Ära von Tätern und Opfern ganz klar zum Opfer macht; die Werbeindustrie hat es – und alle, die ihm angehören – fest im Blick. Von Granufink bis Seniorenresidenz hat sie Vorsorge- und Wohlfühlofferten die Menge parat. Dagegen ist kein Kraut gewachsen. Und mit Grausen stelle ich mir vor, daß einer der wenigen, die ein sicheres Gegenmittel bei derlei Anfechtungen bereithielten – ihren sehr speziellen Spott und Hohn –, also Biskupek, dem Druck allmählich erliegen könnte, müde geworden, resignierend vor der anmaßenden Dummheit, mit der tagtäglich unser Leben belagert und ausgelöscht wird, aufgesogen, zernichtet ... Das ist, liebe Freunde, eine schlimme Vorstellung, und sie ist so weit hergeholt nicht, denn es sind unsere tapfersten und klügsten Köpfe, die irgendwann erliegen und aufstecken. Wer ist so dumm und kämpft ewig gegen die Dußligkeit? Wird also ein in der Wolle gefärbter Aufklärer und Hänselmann ihr erliegen? Ach nein, so eine kleine Waffe hat Biskupek ja doch dagegen. Es ist ein Beidhänder aus Kritik und Phantasie: Er schreibt ein neues Buch, und er zergliedert lustvoll die anderen Bücher: die, die ihm gefallen, die, die ihm nicht gefallen. Als eine der ganz wenigen wirklich unabhängigen Stimmen der Kritik, unabhängig und doppelt frei, frei von den Vorurteilen und Scheuklappen des Mainstreams (der ein gewaltiger, für die meisten aber unmerklicher Malstrom ist), frei von der notorischen Unbildung der feuilletonistischen Wikipedia- und Google-Abschreiber. Im Verriß mutiger, im Lob lust- und maßvoller, in der Bandbreite der beäugten Bücher ein Goliath gegen den David Dennis Scheck. Gratulanten wollen und sollen Gutes sagen, und sie sollen nicht in die Waffenkammer greifen, um die Mittel und Wirkungen des Satirikers zu beschreiben (Biskupek-Rezensenten teilen gern mit, wie scharf, wie stechend, wie grobklotzig oder florettfein, wie zielsicher das Spott-Instrument diesmal gewütet habe). Doch warum so martialisch bei einem derart kunstsinnigen, poesiezugewandten, reich gebildeten Autor, einem bibliophilen zumal, der nicht nur in Horrido-Geschichten und Schnürboden-Gesellschaftspanoramen, sondern auch in feinen Künstlerbüchern, raren Pressendrucken schwelgt. Neinnein, lieber Matthias Biskupek, mit berechtigtem Stolz, nichwahr!?, schauen unsere Werktätigen auf Deine beeindruckende literarische Entwicklung, und in ihrem Namen wie in dem des Eulenspiegel Verlags übermittle ich gute Wünsche für Schaffenskraft, Gesundheit und Glück, auch im persönlichen Leben, jawoll, ja!? (Der Eulenspiegel-Korrektor übrigens sagt, zwischen »Freitag nach eins« und »macht jeder seins« kommt kein Komma, stimmt das? Der Mann sieht doch sonst nichts.) Kurzzeitig war ich mal sehr neidisch auf Biskupek. Er hatte einstens bei Eulenspiegel ein Buch geschrieben, »Die Abenteuer der Andern«, und dann kam dieser Film, jessas. Das Leben der Anderen. Mein Gott, Biskupek in Hollywood – von dem Haufen Kohle gar nicht erst zu reden! Nun ja. Ich hab den Film inzwischen gesehn. Er ist nicht von Biskupek. Für uns alle sei es gesagt: leider!, es hätte ihm gutgetan. Ja, auch Biskupek, aber vor allem dem Film. Biskupek schreibt einfach zu gut, und er kennt sich aus, im Theater, im Leben und in der DDR. So einen brauchen die nicht, die Donnersmarck oder Guttenberg oder wie immer diese Krawallbrüder heißen. Auch dazu kann man ihm allerdings nur gratulieren.
Erschienen in Ossietzky 21/2010 |
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