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Den hier folgenden Absatz schreibe ich zur Ehre jener bäuerlichen Minderheit, die ihre Schweine tiergerecht aufzuziehen versucht, weil sie in ihnen nicht nur Profitbringer sieht, sondern auch empfindsame, leidensfähige Lebewesen. Das läßt sich allerdings nur von grob geschätzt sechs bis acht Prozent der Schweinehalter sagen. Sie bieten ihren Tieren im Laufstall, manchmal sogar im Freiland ausreichend Bewegungsraum, füttern sie mit Mischkost und sorgen für ausreichend Tierhygiene. Der Veterinär schaut vorbei, wenn eine Muttersau wirft, und falls bei ihr, den Ferkeln oder später den Jungtieren chirurgische Eingriffe nötig werden, dann betäubt er sie, um ihnen Schmerzen zu ersparen. Wer Schweinefleisch von einem Biobauern kauft oder im Markt auf Bio- oder Neuland-Siegel achtet, darf demnach seinen Schweinebraten halbwegs ruhigen Gewissens verzehren, wenn er denn meint, Fleisch essen zu müssen. Andere Siegel, auch das »QS« und das »DLG-prämiert« der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft, sagen hingegen nichts über Tierschutz aus. Und damit kommen wir zur nächsten Abteilung: der überwältigenden Mehrheit der industriellen Schweinezüchter und -mäster. Diese Landwirte verfrachten die Muttersau gleich, nachdem sie gedeckt ist, in den sogenannten Kastenstand, der nur wenig größer ist als das Tier selbst. Die Sau kann sich während der vier Monate ihrer Schwangerschaft nicht einmal mehr umwenden. Das ist eine dem Normalverbraucher weithin so unbekannte wie unvorstellbare Quälerei. In Schweden und in Großbritannien ist der Kastenstand bereits verboten. Die EU will erst bis zum Jahr 2013 mit einem partiellen Verbot nachziehen und den Kastenstand für höchstens vier Wochen vor dem Wurf erlauben. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit beurteilt diese Tierhaltung auch dann immer noch als – wissenschaftlich erwiesene – Tierquälerei. Einige Tage vor dem Wurf wird die Muttersau in vielen Betrieben in den noch engeren »Abferkelkäfig« gebracht. Darin muß die Muttersau nun etwa vier Wochen lang bleiben, jeder Bewegungsmöglichkeit beraubt und nicht in der Lage, sich selbst um ihre Jungen zu kümmern. Die Mäster behaupten, Abferkelkäfige seien notwendig, damit sich die Mutter nicht auf ihre Jungen legen und sie zerquetschen könne. Womit bereits klar wird, daß platzsparende, profitsteigernde Massentierhaltung zu der Quälerei motiviert. In modernen Laufställen mit reichlich Freiraum nämlich schützen die Sauen ihre Ferkel und erdrücken sie nicht. Ferkel von heute sind Fleischlieferanten von morgen. Das Fleisch männlicher Tiere hat, je nach Aufbereitung, angeblich einen störenden Geruch. Deshalb werden junge Schlachteber kastriert. Zu diesem Zweck wird das Tier an den Hinterläufen hochgenommen und kopfüber in ein Metallgestell gezwängt, wobei die Hinterbacken zusammengepreßt werden und der Hodensack nach oben gedrückt wird. Er wird mit einem Messer so weit aufgeschlitzt, daß die Samendrüsen unter dem Druck hervorquellen. Sie werden weggeschnitten, die Wunde wird anschließend mit Ätzflüssigkeit »versorgt«. Fertig, her mit dem nächsten Kandidaten. Weder wird der Jungeber zuvor lokal betäubt, noch wird hinterher der Schnitt ordentlich vernäht. Die Tierchen bekommen nicht einmal nach der abscheulichen Prozedur schmerzstillende Mittel. Sie schreien gellend vor Qual. In der EU passiert das tagtäglich 250.000 mal. Das äußerst unzulängliche deutsche Tierschutzrecht erlaubt Kastration ohne Betäubung bei Tieren, die jünger als acht Tage sind. Bei älteren Ferkeln ist der Eingriff nach lokaler Betäubung und mit nachfolgender Schmerzstillung von einem Tierarzt vorzunehmen. Die profitorientierte Logik hinter dieser Regel: Der Bauer hat sieben Tage Zeit, die Sache billiger selbst zu erledigen. Der Einfluß der Bauernlobby auf die Gesetzgebung ist nicht zu übersehen. Daß Tiere in den ersten Tagen nach ihrer Geburt weniger schmerzempfindlich sind als später, ist eine der vielen Legenden dieser Lobby. Und der Zweck des Eingriffs ist zweifelhaft. Im führenden Kommentar (Hirt/Maisack/Moritz: »Tierschutzgesetz«) heißt es dazu: »Das routinemäßige Kastrieren von unter acht Tage alten männlichen Ferkeln steht nicht in Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Unverhältnismäßig ist der Eingriff bei Schweinen, deren Schlachtung bereits mit 100 kg Körpergewicht oder weniger beabsichtigt ist, weil dann mangels Geschlechtsreife kein Ebergeruch im Fleisch zu befürchten ist. Überdies müßte geprüft werden, ob für die Vermeidung von Ebergeruch im Schlachtfleisch nicht tierschonendere Alternativen zur Verfügung stehen...« Obendrein wird die Fristenwahrung zum Schutz wenigstens der älteren Ferkel nicht strikt überwacht. Der Gesamt-Schweinebestand in Deutschland betrug voriges Jahr 26,8 Millionen Tiere. Das dünne und überlastete Netz der Amtstierärzte könnte auch beim besten Willen aller Beteiligten keine umfassende Kontrolle sicherstellen. Ein Schweinemäster, der mit der Kastration nicht innerhalb der ersten Lebenswoche der Neuferkel durch ist, kann frei wählen: entweder illegale Fristüberschreitung oder Mehrkosten für Tierarzt und Betäubungsmittel. Meist kommt der Tierarzt nur dann, wenn die Kastration Komplikationen verursacht hat: Entzündungen, Verwachsungen, Futterverweigerung. Manche kastrierte Schweine leiden bis zur Schlachtung an ihren Schmerzen. Muttersauen sind heutzutage so gezüchtet, daß sie bis zu zweimal mehr Ferkel pro Wurf zur Welt bringen als von der Natur vorgesehen. Damit die Aufzucht klappt, bleibt die Muttersau nach dem Wurf noch Wochen im Abferkelkoben. Die vielen Jungferkel müssen um ihren Platz am Gesäuge der Mutter kämpfen. Dabei könnten die Jungschweine das Gesäuge mit ihren Eckzähnchen verletzen. Deshalb kneift ihnen der Bauer die kleinen Hauer ab. Ohne Betäubung und ohne ärztlichen Beistand, versteht sich, denn das käme ja viel zu teuer. Zwar ist die Verwendung der Zange inzwischen verboten. Das Thema Verbotskontrolle hatten wir aber schon. Und auch wenn der Bauer aus Sorge vor amtsärztlicher Überprüfung eine Metallfeile oder Schleifmaschine zur »Zahnbehandlung« nimmt, bereitet er den Tieren unsägliche Qualen. Das Schreien der malträtierten Ferkel klingt wie von Babys in großer Not. Der schon zitierte Kommentar erläutert zum Zahnabschleifen unter Hinweis auf EU-Erkenntnisse, daß »...jede Beschädigung, durch die Dentin freigelegt wird, Schmerzen verursacht, die über Stunden oder Tage hinweg anhalten (...). Die Beschränkung des Eingriffs auf die ersten sieben Lebenstage (Art. 2 Nr. 3 TierSchG v. 19. 4. 2006) ändert daran nichts, denn auch hier entspricht die Vermutung, daß junge Tiere weniger schmerzempfindlich seien und daß es sich nur um einen geringfügigen, die Schmerzfähigkeit allenfalls unbedeutend berührenden Eingriff handle, nicht mehr dem aktuellen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse (...). Eine Betäubung müßte daher vorgeschrieben werden. Solange dies nicht geschieht, müssen zumindest schmerzstillende Mittel verabreicht werden.« Jungschweine sind quirlige, neugierige und verspielte Gesellen. Während der Mast bekommen sie jedoch keine Chance, ihre natürlichen Triebe auszuleben. Sie wachsen in größter Enge auf. Für das angehende Turboschwein gibt es nichts zu erkunden, nichts zum spielerischen Knabbern. Damit die Ferkel nicht aus Langeweile die Schwänze ihrer Geschwister anbeißen und sie verletzen, schneiden die meisten Mäster den Tieren die Schwänze ab. Dazu dient meist eine Gartenschere oder ein Küchenmesser. Im Schwanz, der Verlängerung der Wirbelsäule, läuft aber der Zentralnerv aus. Er ist äußerst schmerzempfindlich. Ihn ohne Betäubung abzuschneiden und dabei oft auch noch einen Wirbelknochen zu zertrümmern, bereitet höllische Qual. Die nachfolgende Verätzung der Wunde nicht minder. Das Tierchen schreit und schreit. Die Quälerei ist völlig überflüssig, den Jungschweinen müßte nur Platz zum Herumtollen geboten werden. Die meisten Biobauern sorgen dafür, die meisten Masttierhalter nicht. 90 Prozent der Mastschweine werden nach Angaben der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit ohne Betäubung kupiert. Solche »systematische Verletzung grundlegender Tierschutzbestimmungen« in der profitorientierten Fleischproduktion haben außerdem die britische Tierschutzorganisation »Compassion in World Farming« und ihre deutsche Partnerin, die »Albert-Schweitzer-Stiftung für unsere Mitwelt«, bei Dutzenden von Stichproben festgestellt. Zur Abhilfe fordern sie, Schweinefleischproduktion nur noch im Freien oder in gut belüfteten Laufställen mit ausreichend Stroh zu erlauben. Der Lebensmittelhandel wäre aufzufordern, kein Fleisch aus tierquälerischer Haltung mehr zu verkaufen, sondern solche Landwirte zu unterstützen, die deutlich erhöhte Standards einhalten. Vom Gesetzgeber ist zu verlangen, daß er die beschriebene gewinnorientierte Tierquälerei ausdrücklich verbietet. Und damit sich die Konsumenten beim Einkaufen bewußt entscheiden, müßte das Fleisch nach seiner Herkunftsform (Freiland / Laufstall / Koben) gekennzeichnet werden – nach ähnlichen Vorschriften, wie sie schon für Eier gelten. Wenn wir schon Tiere essen, sollten wir ihnen wenigstens Quälerei ersparen.
Erschienen in Ossietzky 21/2010 |
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