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Tiegel, Töpfe und dergleichen, womöglich auch ein goldener Wasserhahn, suchen neue Besitzer. Aus gutem Grund hatte die Bank nie Aufhebens um ihre Kunstsammlung gemacht. Doch einige wenige Angebote werden den internationalen Kunsthandel interessieren. Eines der teuersten New Yorker Lose stammt aus Deutschland. Das Gemälde von 1999 mit dem prophetischen Titel »Einbruch« zeigt, welche deutsche Kunst derzeit gedeiht und exportiert wird. Neo Rauch ist sein Urheber, der Star der Leipziger Schule. Auf zwei mal zwei Metern Papier sieht man drei Figuren vor einem Schlamassel. Welcher Art der Einbruch ist, bleibt unklar. Eine zum Denkmal erstarrte vierte Figur ist irgendwie in den Dielenboden gebrochen, vielleicht von der Decke gefallen, eine Neonröhre hängt schief herab. Rauch kombiniert so regelmäßig Versatzstücke moderner Technik mit historischen Motiven, daß auch gutwillige Kommentatoren inzwischen gelangweilt reagieren. Etwa Sebastian Preuss in der Frankfurter Rundschau: »Immer meint man, etwas wiederzuerkennen, doch am Ende spielen sich ort- und zeitlose Welttheater ab. (…) dargestellt wird im Grunde nichts, die Pseudozusammenhänge zwischen Motiven, Szenen und den sehr konkreten Titeln gaukeln das nur vor.« Trotz begründeter Skepsis sprechen die meisten Kritiker weiterhin mit Bewunderung über dieses »Nationalrätsel« (Freitag), den »deutschen Maler-Weltstar« (FR) oder gar »Deutschlands berühmtesten Gegenwartsmaler« (Spiegel). Rauch selbst raunt mehr, als daß er über sich und seine Arbeit spricht. Bei Ernst Jünger immerhin wird er konkret: »Ich verdanke ihm viel. Als ich mich darum bemühte, was mich charakterisiert, war er meine Begleitstimme.« Eine andere Begleitstimme ist die des liberalen Kunstliebhabers und Bundesaußenministers Guido Westerwelle. Auf die Frage »Gibt es noch eine deutsche Kunst?« antwortete er: »Natürlich. Die von mir sehr geschätzten Neo Rauch, Norbert Bisky, Tim Eitel oder Ulf Puder sind auch international hoch angesehen, eben weil in ihren Werken etwas spezifisch Deutsches erkannt wird: Ihr neuer Realismus fürchtet sich nicht vor der Ästhetik des Gegenständlichen.« (art 5/2007) Ein Realismus, der sich nicht vor Gegenständlichem fürchtet. Aha. Soeben erhielt Rauch den mit 10.000 Euro dotierten Preis der Stiftung »Bibel und Kultur« zur Honorierung seiner 2007 kostenlos für den Naumburger Dom entworfenen Fenster, die kaum mehr als ästhetisch rückwärtsgewandte krude Heiligenbildchen in Rot und Weiß sind. Jan-A. Bühner, Geschäftsführer der Stiftung und Generalsekretär der Deutschen Bibelgesellschaft, teilte geflissentlich mit, daß mit der Stiftungssumme keinesfalls der »Wert« der Arbeit bemessen werde. Das wäre auch kaum möglich. Rauchs banales Werk »Einbruch« geht mit einem Schätzpreis von 500.000 bis 700.000 US-Dollar in die Auktion. Offenbar wird dieser Maler nicht für malerische Qualität bezahlt. Wofür dann? Rauchs Motiv-Collagen schreien nach Deutung, um den Verständnisversuch gleich wieder im Keim zu ersticken mit der Behauptung: Es könnte auch anders gemeint sein. Ein Bürgertum, das die Grenzen des kapitalistischen Wirtschaftssystems erkennen muß, aber nicht will, übt sich in genau dieser Nicht-Denkungsart. Es findet sich wieder in Rauchs ziellos-ernsten Figuren, die tatsächlich zunehmend biedermeierliche Kostüme tragen. Antworten können ruhig ausbleiben. Das Abendland ist in Gefahr, wenigstens das ist sicher. Es ist auf Rauchs Bildern bereits jetzt so gefährdet, wie Oswald Spengler es Anfang des vorigen Jahrhunderts einem beeindruckten Bürgertum vor Augen führte. Rauch kokettiert nur mit der Apokalypse, er bleibt der brave Maler der postmodernen Beliebigkeit und des hochsensiblen Irrationalismus, dessen einzige und immer gern gehörte Botschaft lautet: Versuche gar nicht erst zu verstehen! Das ist ziemlich genau das Gegenteil von dem, was Kunst ausmacht. Es ist aber das, wofür er bei Bankern und Politikern, bei Konzern-Medien und internationalem Kunst-Jetset hoch gehandelt wird. Dort bestimmt einzig der Preis den Wert eines Kunstwerks. Für Neo Rauch wird es nicht so schnell zum Einbruch kommen, wenn er nur fleißig weiter der grau-braunen deutschen Großwetterlage zu ihrem ästhetischen Ausdruck verhilft.
Erschienen in Ossietzky 19/2010 |
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