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September kann er als freier deutscher Mann vergnügt das Jubiläum des Tages feiern, an dem er, trotz zweifelnder Rückfragen, den Befehl erteilte, der bei Kundus bis zu 140 Menschenleben auslöschte. Daß es sich um mindere Menschen handelte, ergibt sich aus der Preisgestaltung des Verteidigungsministers Baron zu Guttenberg, wonach sie allenfalls 3800 Euro wert sind. Pauschal pro Sippe. Nicht pro Einzelexemplar. Der »Baron der Herzen« (Hans Ulrich Joerges im stern), der allein für die formgerechte Gestaltung seines Haares eine ganze Ölquelle benötigt, hat die marktgerechte Menschenpreisfindung in seinem anerkannt blauen Blut. Es ist ja wahr: Die Bundeswehr braucht Vorbilder, die, ohne mit der Wimper zu zucken, ein Massaker unter minderen Menschen anrichten, um die Rohstoffe und Verkehrswege der deutschen Wirtschaft zu sichern. Und darum müssen deutsche Helden von deutschen Staatsanwälten gesetzlich geschützt werden. Das weiß die Berliner Staatsanwältin A. Hoffmann. Sie leitete am 9. August ein Ermittlungsverfahren wegen »Beleidigung« gegen den junge-Welt-Autor Thies Gleiss ein. Er hatte sich am 20. Mai 2010 mit der Regierungsbildung in Nordrhein-Westfalen auseinandergesetzt. SPD und Grüne, so schrieb er, wollten gar nicht mit der Linkspartei über eine Regierungsbildung verhandeln. Das gehe aus ihrer Bedingung hervor, die Linkspartei müsse zuerst ihr Verhältnis zur DDR klären. Wollte man da mitspielen, meinte Gleiss, würde das etwa so gehen: »An der Berliner Mauer starben 136 Menschen eines gewaltsamen Todes, das ist unmenschlich und verbrecherisch, aber in Afghanistan haben von SPD und Grüne geschickte Mördersoldaten schon deutlich mehr Menschen umgebracht.« Er wollte mit diesem theoretischen Beispiel sagen: Am ersten Verhandlungstag werden weder die Linkspartei ihr Verhältnis zur DDR noch die Grünen und die SPD ihres zum Krieg klären. »Soldaten sind Mörder«. Dies in der Weltbühne zu schreiben, wurde einst in der Weimarer Republik von deren strengem Reichsgericht Kurt Tucholsky nicht untersagt. Heute darf man trotz eines eindeutigen NATO-Berichts nicht einmal in einer Meinungsäußerung über Koalitionsverhandlungen in Nordrhein-Westfalen den, wie man unbehelligt sagen darf, »Mauermördern« im Osten die »Mördersoldaten« des Westens im Mittleren Osten gegenüberstellen, wenn man es der Staatsanwältin Hoffmann rechtmachen will. Oberst Klein, der den Befehl zum Massaker von Kundus gab, ist heute der unbestrittene Held der Bundeswehr. Schon im März begrüßte bei einem feierlichen Empfang in Berlin der Anführer des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, den Obersten Klein mit »Respekt« und verkündete unter dröhnendem Applaus: »Wir stehen voll hinter Ihnen.« Der Spiegel über die gut honorierten Soldaten in Afghanistan, die, wenn es nach Staatsanwältin Hoffmann ginge, auch nicht entfernt als »Mördersoldaten« bezeichnet werden dürfen: »In vielen steigt blinde Wut auf, wenn sie daran denken, daß sie im Kampf am Hindukusch das Leben riskieren, während zu Hause eine Nation selbstgerecht darüber urteilt, ob die Soldaten im Kugelhagel Einsatzregel x oder eher y verletzt haben.« Ein Hauptfeldwebel, der mit dem Obersten Klein in Kundus war, als der vom sicheren Ort den Bombenhagel auf gut erkennbare Zivilisten befahl, nannte es laut Spiegel »eine Frechheit, wie mit dem Menschen Klein umgegangen wurde. Alle von uns waren der Meinung: jawohl, endlich mal jemand, der eine Entscheidung trifft. Und diese Entscheidung war richtig!!! Ich stehe zu Ihnen, Oberst Klein!!!!!!!!!« Das Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft gegen Oberst Klein wurde eingestellt. Das Disziplinarverfahren der Bundeswehr auch. Darum muß jetzt die Berliner Staatsanwaltschaft Berlin gegen alle ermitteln, die von deutschen Mördersoldaten in Afghanistan auch nur am theoretischen Beispiel sprechen. Das ist unser Fortschritt. Auch wir, in Ossietzky, dem Nachfolgeorgan der Weltbühne, dürfen somit nicht mehr so frei schreiben wie einst Tucholsky. Auch wir würden von der Berliner Staatsanwaltschaft belangt, wenn wir feststellen würden, daß in Afghanistan deutsche Mördersoldaten am Werk sind. Und sie wird sicherlich auch gegen den parlamentarischen Untersuchungsausschuß vorgehen, wenn der herausfindet, was der unbestrittene Held der Bundeswehr, Oberst Georg Klein, am 4. September 2009 in Kundus getan hat. Somit ist klar bewiesen, daß Klein kein Mörder sein kann.
Erschienen in Ossietzky 18/2010 |
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