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Darin hatte ich als Verfasser desselben unter anderem notiert: »Da angesichts der Probleme mit dem Bundeshaushalt an eine Steigerung des Verteidigungsbudgets überhaupt nicht zu denken ist, kann eine Gesundung der desolaten Struktur des Verteidigungshaushaltes ausschließlich durch Einsparungen bei den Personalausgaben erreicht werden. Um derartige Einsparungen im Personalhaushalt realisieren zu können, muß der Umfang der Bundeswehr drastisch reduziert werden – 200.000 Soldaten wären wohl das Maximum dessen, was sich unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen finanzieren ließe.« Mit diesem Beitrag sorgte ich zu jener Zeit für ungefähr so viel Furore in der wehrpolitischen Debatte wie unser junger Freiherr zu Guttenberg heutzutage mit seinen öffentlich angestellten Überlegungen zur zukünftigen Bundeswehrstruktur. Daß ich als Staatsbürger in Uniform unautorisiert das grundgesetzlich verbriefte Recht auf freie Meinungsäußerung in Anspruch genommen hatte – zudem auf so prominentem Forum –, zog damals umgehend disziplinarische Ermittlungen und Vernehmungen nach sich, inklusive einer höchstpersönlichen Inquisition durch den Stellvertretenden Generalinspekteur der Bundeswehr, Vizeadmiral Hans Frank. Während Verteidigungsminister Volker Rühe ätzte, daß, wer sich für die Umwandlung der Bundeswehr in eine Freiwilligenarmee ausspreche, nicht wisse, wovon er rede, schäumte sein Generalinspekteur Hartmut Bagger auf der Kommandeurtagung in Berlin, ein Oberstleutnant, der das fordere, müsse »sich überlegen, ob er nicht in einer anderen Armee dienen« wolle. Walter Kolbow, damals sicherheitspolitischer Sprecher der SPD, ließ mich nach einem Frühstück mit Rühe wissen, dieser habe ihm mitgeteilt, daß er »die Schnauze voll von solcherlei Äußerungen gegen das System« und deshalb seinen Adlatus Peter Wichert angewiesen hätte, sich um die Causa Rose zu kümmern. Das tat dieser denn auch hingebungsvoll und sorgte für meine Strafversetzung ins Luftwaffenamt sowie ein abruptes Karriereende. »Abkommandiert zum Sockenzählen« kommentierte daraufhin süffisant Charima Reinhardt in der Frankfurter Rundschau. Dieses am eigenen Leibe erfahrene Paradebeispiel gelebter Innerer Führung in der Bundeswehr läßt es, so hoffe ich, verständlich erscheinen, daß ich ein klammheimliches Frohlocken nicht zu verhehlen vermochte, als zu Guttenberg den »Darth Vader aus dem Bendlerblock«, Staatssekretär Wichert, im Zuge der Kunduz-Affäre ohne viel Federlesens aufs Altenteil entsorgte. Weitaus größere Genugtuung bereitet mir freilich, daß mit dem neuen Verteidigungsminister endlich ein Mindestmaß an verteidigungspolitischem Realitätssinn Einzug ins Amt gehalten zu haben scheint. Unter der Not der leeren Kassen steht nun die längst überfällige Schlachtung der als Heilige Kuh umhegten »Allgemeinen Wehrpflicht« ganz oben auf der politischen Tagesordnung. Manch mit dem gegenwärtigen Wehrsystem eng verwobenes Partikularinteresse wird dabei in Gefahr geraten. So werden einige Abgeordnete von SPD und CDU/CSU, die ihr Amt einem Direktmandat verdanken, wohl um ihre Wiederwahl zittern müssen, wenn in ihrem Wahlkreis aufgrund der Streitkräftereduzierung Garnisonen geschlossen werden. Die Bundeswehrgeneralität wiederum wird zukünftig mangels unterstellter Truppe wohl nicht mehr wie bisher mehr als 200 fett besoldete Admirals- und Generalsdienstposten konservieren können. Und der Deutsche BundeswehrVerband läuft Gefahr, seinen Status als Spitzenverband zu verlieren, falls seine Mitgliederzahl unter 100.000 sinken sollte, weil es in Zukunft weniger SoldatInnen geben wird. Dann wird auch das schöne Privileg eines jederzeitigen unmittelbaren Vortragsrechtes beim Minister, das der Vorsitzende Oberst Ulrich Kirsch genießt, perdu sein. Doch können all diese wohlfeilen Opportunitätserwägungen nicht darüber hinwegtäuschen, daß der legitimatorische Kern der Allgemeinen Wehrpflicht bereits mit dem von der NATO 1990 erklärten Ende des Kalten Krieges entfallen war. Auf den Punkt brachte das später auf der Kommandeurtagung der Bundeswehr in München 1995 der damalige Bundespräsident Roman Herzog, vormals selbst Verfassungsrichter, mit den Worten: »Die Wehrpflicht ist ein so tiefer Einschnitt in die individuelle Freiheit des jungen Bürgers, daß ihn der demokratische Rechtsstaat nur fordern darf, wenn es die äußere Sicherheit des Staates wirklich gebietet. Sie ist also kein ewig gültiges Prinzip, sondern sie ist abhängig von der konkreten Sicherheitslage.« Delikaterweise behauptet nun auch der fanatischste Wehrpflichtverfechter nicht, daß der Bestand der Bundesrepublik Deutschland auf dem Spiel stünde, wenn die Bundeswehr in eine Freiwilligenarmee umgewandelt würde. Ohnehin gilt eher das Gegenteil: Die Aufrechterhaltung des anachronistischen und völlig überflüssigen Zwangsdienstes – der Ur-Liberale Lord Dahrendorf bezeichnete ihn als eine »milde Form von Zwangsarbeit« – bindet wertvolle Ressourcen, die für andere Zwecke viel dringender benötigt würden. Zum Beispiel für die Schaffung einer europäischen Armee im Rahmen einer »Europäischen Verteidigungsunion«. Gerade auch unter dem Aspekt eines europäischen Integrationsprozesses, der auf friedenspolitische Einhegung überdimensionierter Militärapparate und auf ein Ende der nationalen Verfügbarkeit über Streitkräfte gerichtet sein muß, ist das deutsche Wehrpflichtsystem kontraproduktiv. Daher muß und wird es enden, eben weil es sachlich nicht zu rechtfertigen, zu teuer und zu wenig effizient ist, den außen- und sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands schadet und nicht mehr dem Geist der Verfassung entspricht. Oberstleutnant Jürgen Rose ist Vorstandsmitglied der kritischen SoldatInnenvereinigung »Darmstädter Signal«.
Erschienen in Ossietzky 17/2010 |
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