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Oktober 2008 gedeckt, in dem es heißt: »Die Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) ist autorisiert, alle erforderlichen Maßnahmen einschließlich der Anwendung militärischer Gewalt zu ergreifen, um das Mandat gemäß Resolution 1833 (2008) durchzusetzen.« Oeter: »Das Mandat bezieht sich auf die Unterstützung der afghanischen Regierung bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit. (...) Alle militärisch notwendigen Mittel, die für die Erfüllung des Sicherheitsratsmandats erforderlich sind, können von den Bundeswehrtruppen eingesetzt werden.« Fragesteller Stefan Aretz von tagesschau.de wendet ein, der Krieg in Afghanistan sei kein Konflikt zwischen Staaten, die Taliban seien doch nur Aufständische. Oeter: »In einem solchen nicht-internationalen Konflikt gibt es keinen Kombattantenstatus – die Taliban sind also nicht per se militärische Ziele. Rechtlich sind sie im Prinzip Angehörige der Zivilbevölkerung. Es gibt aber eine Sonderregelung. Soweit sie mit der Waffe in der Hand militärisch operieren, werden sie doch zu militärischen Zielen, bei denen gezielte Gewalt zur Tötung eingesetzt werden darf.« »Sonderregelung«? In welchem völkerrechtlichen Vertragswerk? Aretz fragt nicht nach – der Herr Professor wird sich schon was dabei gedacht haben. Oeter merkt nur an: »In der polizeilichen Situation brauchen sie (er meint die ISAF-Soldaten; V. B.) die konkrete Gefahr, um Gewalt einzusetzen. Im bewaffneten Konflikt reicht die abstrakte Gefahr, die die Aufständischen darstellen, die mit der Waffe in der Hand militärische Operationen durchführen. (...) Es reicht aus, daß sie (Oeter meint jetzt die Aufständischen; V. B.) in einem Gebiet militärisch operieren, in dem sie sich nicht aufhalten sollten.« Wo steht das geschrieben? Wir erfahren es nicht. Vergleichbar weit legt Außenminister Guido Westerwelle, auch er ein promovierter Jurist, die Genfer Konventionen aus, als er am 5. August vor der Bundespressekonferenz in Berlin verkündet, Taliban-Führer dürften planmäßig umgebracht werden: »Ob es uns gefällt oder nicht, so ist die Lage.« Es gehe da »nicht um Legitimität, sondern um Legalität«. Westerwelle bekräftigt, daß gegnerische Kämpfer im sogenannten nicht-internationalen bewaffneten Konflikt gemäß dem Völkerrecht »gezielt bekämpft werden können und auch dürfen«. Keiner der Journalisten faßt nach. Niemand reklamiert, daß das II. Zusatzprotokoll zur Genfer Konvention vom 8. Juni 1977 (es betrifft die von Westerwelle erwähnten »nicht-internationalen« Konflikte) ausschließlich den Schutz der wichtigsten Menschenrechte regelt und mit keinem Wort benennt, wer »gezielt bekämpft werden darf«. Westerwelle hat allerdings Rückendeckung. In der Woche vor seinem abscheulichen Auftritt hatte bereits das »Verteidigungs«-Ministerium erklärt, Gegner gezielt zu töten, sei »... nach dem Regelwerk der NATO für den Einsatz der ISAF vorgesehen«. Das Regelwerk der NATO als quasi universales Recht? Gemäß dem II. Zusatzprotokoll (Artikel 4) zu den Genfer Abkommen über das Kriegsvölkerrecht stehen »alle Personen, die nicht unmittelbar oder nicht mehr an Feindseligkeiten teilnehmen« unter Schutz; ihr Leben, ihre Gesundheit und ihre Würde dürfen nicht verletzt werden. Das gilt auch für Aufständische, die – beispielsweise – gerade an einer Hochzeitsfeier teilnehmen. Man darf sie und das Haus, in dem sie mit Kind und Kegel schlafen, nicht einfach in die Luft jagen, wie es verbrecherische ISAF-NATO-US-Praxis ist. Und welches Recht gilt gegenüber kämpfenden Aufständischen? Westerwelle unterstellt (wie Oeter) einfach, daß sie den Schutz der Genfer Abkommen komplett verlieren, wenn und solange sie unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen. Doch auch kämpfende Aufständische sind kein Freiwild. Das ergibt sich aus Artikel 1 und vor allem aus der Präambel des II. Zusatzprotokolls, in der es wörtlich heißt: »daß die menschliche Person in den vom geltenden Recht nicht erfaßten Fällen unter dem Schutz der Grundsätze der Menschlichkeit und der Forderungen des öffentlichen Gewissens verbleibt ...« Übrigens steht im Artikel 6 des Protokolls ein Satz, der das targeted killing unbezweifelbar als Rechtsbruch ausweist: »(2) Gegen eine Person, die für schuldig befunden wurde, eine Straftat begangen zu haben, darf eine Verurteilung nur in einem Urteil ausgesprochen und nur auf Grund eines Urteils eine Strafe vollstreckt werden; dieses Urteil muß von einem Gericht gefällt werden, das die wesentlichen Garantien der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit aufweist.« Westerwelles Behauptung, es sei legal und keine Frage der Legitimität, Aufständische ohne Gerichtsverfahren und Urteil zum Abschuß freizugeben, ist nicht nur unzutreffend. Sie ist schlicht amoralisch und bezeichnend für furchtbare Juristen. Massaker an Zivilisten wie das von Oberst Klein in Kundus angeordnete, tödliche Schießereien (Bundeswehr-Straßensperren), Verlust an Mitmenschlichkeit – das alles kommt dabei heraus, wenn man »unsere Demokratie am Hindukusch verteidigt«.
Erschienen in Ossietzky 17/2010 |
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