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Obwohl es rekordverdächtig ist, immerhin ist es laut der CDU das »größte Sparpaket in Deutschland« und zudem »sozial ausgewogen und zukunftsorientiert«, geifern die Spitzen der Oppositionsparteien, der Gewerkschaften und der Wohlfahrtsverbände und verunglimpfen es als »armselig und unausgegoren« (SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel), »sozial zynisch und feige« (Grünen-Fraktionsvorsitzender Jürgen Trittin), »Anschlag auf den sozialen Frieden« (Linksfraktionsvorsitzender Gregor Gysi). Übereinstimmend beklagen sie vor allem, daß von dem Sparplan, den das Kabinett inzwischen in seine Haushaltsplanung aufgenommen hat, vor allem die Ärmsten der Armen, die Hartz-IV-Bezieher, betroffen seien, wenn sie unter anderem kein Elterngeld und keinen Beitrag zur Rente mehr erhalten. Die Wohlfahrtsverbände malen den Teufel an die Wand und behaupten, daß die Umsetzung der Sparmaßnahmen zu einer weiteren Verschärfung der Lebenssituation der Hartz-IV-Abhängigen führen werde, deren jetzige Einnahmen schon zu knapp bemessen seien und nicht zu einem menschenwürdigen Leben reichen würden. Selbst der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier, einer der Väter der Hartz-Gesetze, springt den klagenden Verbänden zur Seite. Ja sind denn die Kritiker des Sparpaketes von allen guten Geistern verlassen? Haben sie immer noch nicht kapiert, daß es nicht um die 6,7 Millionen Bezieher von Grundsicherungsleistungen nach den Hartz-IV-Gesetzen, sondern um 82 Millionen Einwohner unseres Landes, um die deutsche Volkswirtschaft und damit um Deutschlands Zukunft geht? Wo wären wir denn hingekommen, wenn Ex-Kanzler Gerhard Schröder, sein unglücklicherweise wegen kleiner moralischer Verfehlungen verurteilter Freund Peter Hartz, seine rosa-grüne Regierung und die sie in dieser schicksalsschweren Frage stützenden damaligen Oppositionsparteien CDU/CSU und FDP nicht den Mut gehabt hätten, das ausufernde Sozialsystem rigoros zu beschneiden und die Agenda 2010 mit ihrem Kern, den Hartz-Gesetzen, zu beschließen? Für halbwegs vernunftbegabte Bürger ist doch nicht zu übersehen, daß gerade Hartz IV in den zurückliegenden Jahren eine wahrhaft segensreiche Wirkung entfaltet und wesentlich dazu beigetragen hat, Deutschlands Ökonomie in den Stürmen der Finanz- und Wirtschaftskrise über Wasser zu halten und letztlich wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Hartz IV ist der Hebel, um nicht zu sagen die Peitsche, mit dem die deutschen Arbeitnehmer zu höchster Effektivität und vorbildlichem Arbeitselan stimuliert wurden und werden. Seit Verabschiedung der Hartz-Gesetze zwischen 2003 und 2005 wissen die verbliebenen 27, 5 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in unserem Land, daß sie sich im Falle des Arbeitsplatzverlustes nicht in die recht bequeme Hängematte des früheren Arbeitslosengeldes und der darauffolgenden Arbeitslosenhilfe legen können, sondern auf der harten Armutspritsche landen. In Hartz IV zu rutschen, ist der Alptraum der noch erwerbstätigen Beschäftigten, dessen wohltuende Wirkung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Von Hartz IV leben einige Millionen, vor Hartz IV fürchten sich Abermillionen, und die Furcht hält sie auf dem Pfad der Tugend, der Arbeitsliebe und -disziplin. Erstaunlicherweise kritisieren die Gegner von Hartz IV, darunter auch Die Linke, weniger diese Nötigung der großen Mehrheit der lohnabhängig Beschäftigten (Böswillige sprechen gar von Erpressung), sondern beklagen vor allem die Lage der unmittelbar Betroffenen. Diese aber neigen glücklicherweise am ehesten zu Resignation, Politikverdrossenheit und Wahlabstinenz. Und so können die Forscher des bei der Bundesagentur für Arbeit angesiedelten Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), mit Recht einschätzen, daß die Hartz IV-Reformen »gegriffen haben«, wie auch immer sie das meinen mögen. In der Bundesrepublik ist ein Billiglohnsektor entstanden, der in Europa seinesgleichen sucht. Zeit- und Leiharbeit wurden enorm ausgeweitet. Neue unbefristete Arbeitsverhältnisse haben Seltenheitswert. Der Arbeitsdruck in den Unternehmen ist beständig gestiegen. Aus berechtigter Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes und vor Hartz IV setzen sich die Beschäftigten gottlob nicht oder nur schwach zur Wehr. »Blaumachen« gehört der Vergangenheit an. Selbst Kranke erweisen sich als pflichtbewußte Arbeitnehmer, überwinden den inneren Schweinehund und gehen diszipliniert zur Arbeit. 1975 lag der Krankenstand in der Bundesrepublik bei 5,3 Prozent, 2009 war er auf 3,3 Prozent gesunken, was Mediziner als »ungesund niedrig« bezeichnen. Gesundheitsexpertem beim Vorstand der IG Metall haben festgestellt, daß seit Einführung der Hartz-Gesetze und als Folge des gewachsenen Arbeitsdrucks psychische und psychosomatische Erkrankungen rasant ansteigen. Depressionen werden gar zu einer Volkskrankheit erklärt. Für die Wirtschaft aber sind diese Nebenwirkungen von Hartz IV durchaus erträglich. Schließlich können die Unternehmer, die Manager und ihre Personalchefs jederzeit auf Arbeitsuchende zurückgreifen. Das ist doch das Schöne an unserer Sozialen Marktwirtschaft, daß es immer einen Überschuß an Arbeitskräften gibt, gewissermaßen eine Rücklage. Karl Marx nannte sie bekanntlich »industrielle Reservearmee«. Den Begründer des Marxismus und seine Wortwahl muß man nicht lieben, aber seine Einschätzung, daß die genannte Reservearmee den Kapitalisten einen doppelten Vorteil bietet, ist goldrichtig: Einerseits ermöglicht sie eine sprunghafte Akkumulation, und andererseits drückt die Konkurrenz der unbeschäftigten Arbeitskräfte auf den Lohn und zwingt sie zu harter Arbeitsdisziplin. Die Autoren der Hartz-Gesetze haben sich diese einfache wissenschaftliche Erkenntnis zu eigen gemacht und sie lediglich den Bedingungen des verschärften Konkurrenzkampfes in einer globalisierten Welt angepaßt. Die Hartz-IV-Armee ist nicht nur eine Reserve, sie ist eine notwendige schlagkräftige Heerschar, um die die deutsche Wirtschaft und ihre Leistungsfähigkeit zu stärken. Je niedriger ihr Sold, je ärmlicher ihre Lebensbedingungen, desto besser für das Gemeinwohl. Wer die neuerlichen Kürzungen bei Hartz IV beklagt, hat das Wesen der Arbeitsmarktreformen verkannt. Deshalb muß endlich Schluß gemacht werden mit der üblen Kritik am großen Sparpaket und der Haushaltsplanung unserer tüchtigen Regierung. Ralph Hartmann, Publizist, war im Diplomatischen Dienst der DDR tätig, unter anderem als Botschafter in Belgrad. Er schreibt regelmäßig in Ossietzky. Im Ossietzky Verlag erschien sein Buch »Die DDR unterm Lügenberg«
Erschienen in Ossietzky 15/2010 |
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