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Die ganze Litanei war unter anderem schon in einem Strategiepapier des Bundesfinanzministeriums unter Theo Waigel (CSU) aus dem Jahr 1996 zu lesen, auf das Otto Meyer in Ossietzky aufmerksam gemacht hat. In dem Dokument mit dem Titel »Finanzpolitik 2000« gab Waigel als Ziel aus, »mehr Freiraum für die private Wirtschaft« zu schaffen. Dafür müßten die Staatsausgaben gekürzt werden, weil der angeblich ausufernde »Wohlfahrts- und Steuerstaat« die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung gefährde. Der »staatliche Zugriff auf die gesamtwirtschaftliche Leistung« müsse »zurückgeführt« werden. Wachstum sei nur möglich durch »Selbstbeschränkung des Staates«, der soziale und andere öffentliche Leistungen kürzen müsse. Die Beiträge zu den Sozialversicherungen wurden mit der Behauptung diffamiert, sie hemmten die Schaffung von Arbeitsplätzen. Waigels Nachfolger aus der SPD hielten sich an sein Strategiepapier und setzten es brav um, und auch der jetzige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) knüpft daran an. Auf Seite 43 dieses Papiers ist zu lesen, daß Sparmaßnahmen »politisch noch am leichtesten in einer Phase der wirtschaftlichen Bedrohung durchzusetzen« seien. Das bestärkt die Vermutung, daß die Pläne für das aktuelle »Sparpaket« längst vor der Finanzkrise in den Regierungsschubladen lagen. Und wie schon 1996 werden die versprochenen Ergebnisse auch jetzt nicht eintreten. Nur die Gewinne der Unternehmen werden weiter steigen, und die Vermögen der Reichen werden wachsen und wuchern, während die Armut sich ausbreitet. Das Sparpaket der jetzigen Bundesregierung unter Angela Merkel ist nur die Fortsetzung eines Kurses, der schon in den 1980er Jahren begann. International gaben Ronald Reagan und Margaret Thatcher den Startschuß. Die Politik wurde allein an den Interessen der Wirtschaft ausgerichtet. Alles, was den Gewinn schmälert, wurde als wirtschaftsfeindlich diffamiert. Sozialpolitik wurde zur Armenfürsorge degradiert. Gesellschaftlicher Widerstand wurde klein gehalten und notfalls unterdrückt, die Gewerkschaftsbewegung konsequent geschwächt. Experimentierfeld für diese sogenannte neoliberale Politik war schon ab 1973 Chile unter dem Diktator Augusto Pinochet. Das »Sparpaket« begleitet passenderweise die offiziellen Jubelfeiern im 20. Jahr der Deutschen Einheit. Hier zeigt sich, wer deren wirkliche Gewinner sind. Die Bundesregierung unter Helmut Kohl gab ab 1982 den gelehrigen Schüler der neoliberalen Vordenker und Vorreiter aus den USA und Großbritannien. Sie konnte aber nicht ganz so skrupellos vorgehen, war doch die Bundesrepublik bis 1989 das Schaufenster des »Freien Westens« gegenüber der DDR und den anderen sozialistischen Staaten. Hemmungsloser Kapitalismus à la Thatcher und Reagan hätte weniger anziehend gewirkt. Doch diese Beschränkung erledigte sich mit dem Untergang der DDR und des Staatssozialismus insgesamt. Die Verwertungsinteressen des Kapitals und seiner führenden Kräfte bekamen freie Bahn. Dem entfesselten Kapitalismus steht der Versuch einer gesellschaftlichen Alternative seit Herbst 1989 nicht mehr im Wege. »Das, was wir heute ›globalen Kapitalismus‹ nennen, war von der Leine gelassen, und nichts konnte ihn mehr aufhalten.« So offen beschrieb es 1999 in Berlin Robert J. Eaton, damals Vorstandsvorsitzender von DaimlerChrysler. 2004 freute sich der damalige Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Michael Rogowski, daß die Regierung unter Gerhard Schröder mit der Agenda 2010 endlich »wirklich ernsthafte Konsequenzen« aus dem 9. November 1989 und der Wiedervereinigung gezogen habe. Alles, was die deutsche und internationale Arbeiterbewegung in mehr als 100 Jahren erkämpft hat und was den Sozialstaat ausmachte, wird nun Stück für Stück abgeräumt. Was dem Kapital einst mühsam und opferreich abgetrotzt wurde, wird wieder einkassiert. Ostdeutschland und die einstigen sozialistischen Länder Ost- und Mitteleuropas waren und sind die Testgebiete. Hier prüfen die führenden Kapitalkräfte und ihre politischen Vasallen, wie weit sie gehen können, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen. Dieser droht schon lange nicht mehr von den Gewerkschaften und erst recht nicht von den Restbeständen der einstigen kommunistischen Parteien. Wo diese einst an der Macht waren, bemühen sich ihre Nachfolger eifrig, von den heute Herrschenden als »Realpolitiker« anerkannt zu werden. Die Idee einer gesellschaftlichen Alternative zur Vorherrschaft des Kapitals wird weiterhin erfolgreich diffamiert. Warren Buffet, der US-amerikanische Großspekulant und Multimilliardär, hat schon 2005 in einem Interview mit CNN erklärt, worum es eigentlich geht: »Es ist Klassenkampf, meine Klasse gewinnt …« Er fügte hinzu: »… was sie aber nicht sollte«; doch derzeit ist keine Kraft in Sicht, welche die Klasse der Kapitalisten am Sieg hindern könnte. Massenmedien in der Hand großer Konzerne sorgen dafür, daß die Massen nicht auf falsche, also richtige Gedanken kommen. Millionen Menschen treffen sich, während ihre sozialen Rechte abgebaut werden, fahnenschwenkend auf Straßen und Plätzen und machen ihr persönliches Glück von hoch bezahlten Fußballspielern abhängig. Eine Niederlage der deutschen Mannschaft trifft sie mehr als der Abbau ihrer Rentenansprüche, die Verschlechterung ihrer Gesundheitsversorgung und die Tatsache, daß sie für immer mehr Arbeit immer weniger Lohn bekommen. Wenn sie denn noch Arbeit haben. Tilo Gräser arbeitet als Journalist in Berlin. In Ossietzky hat er über längere Zeit als Chronist des Sozialabbaus mitgearbeitet.
Erschienen in Ossietzky 15/2010 |
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