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Bei Hartz IV (Sozialgesetzbuch II) kann einzig noch der Rechtsanspruch auf besondere Teilhabeleistungen für behinderte Erwerbslose, zum Beispiel Berufsvorbereitung und Berufsausbildung in Berufsbildungswerken, gestrichen werden. Ansonsten geht es darum, Rechtsansprüche an die Arbeitslosenversicherung (SGB III) zu kappen, und zwar wiederum besonders Teilhabeleistungen für Behinderte, ferner Fördermaßnahmen sechs Monate nach Beginn der Arbeitslosigkeit, den Gründungszuschuß, den Eingliederungsgutschein für Ältere, das Nachholen des Hauptschulabschlusses, Berufsausbildungsbeihilfe (Berufsvorbereitung und Erstausbildung), Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung, Kurzarbeitergeld und Wintergeld. Welche dieser Rechtsansprüche verschwinden sollen, ist noch offen. Klar ist aber, daß die Zerstörung der Arbeitslosenversicherung, die mit Hartz IV sturmreif geschossen wurde, fortgesetzt werden soll. Zynismus pur ist die amtliche Begründung, Ermessensleistungen brächten »mehr Flexibilität« für »zielgenauere Förderung« und bessere »Anreize zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung«. Letzteres bezieht sich zugleich auf das zweitdickste Kürzungsvorhaben: die Streichung der Rentenversicherungsbeiträge bei Hartz IV (minus 7,2 Milliarden Euro bis 2014). Damit würde der Skandal, daß ein Jahr Hartz IV wegen des absurd geringen Beitrags nur einen monatlichen Rentenanspruch von 2,09 Euro bringt, auf die Spitze getrieben. »Mehr Mut zur Altersarmut« ist offenbar die Devise dieser Politik. Zugleich ist dies ein Griff in die Kassen der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und der Kommunen. Die GRV muß sehen, wie sie die Beitragsausfälle verkraftet, und die Kommunen werden solche »Spar«-Maßnahmen vielfach mit Sozialhilfe auffangen müssen. Wegfallen soll der Zuschlag für aus der Arbeitslosenversicherung ausgesteuerte Neu-HartzerInnen (»Armutsgewöhnungsprämie«) von maximal 160 Euro je Erwachsenem und 60 Euro je Kind im ersten Jahr und jeweils der Hälfte im zweiten (minus 0,2 Milliarden Euro jährlich). Wer sozial abstürzt, wird dann noch härter aufschlagen. Eltern und Kinder sollen zudem in einen noch tieferen Abgrund stürzen: Bei Hartz-IV-Bezug soll das Elterngeld gestrichen wird (minus 0,4 Milliarden Euro jährlich). Schon die Ablösung des Erziehungsgelds durch das Elterngeld halbierte die Leistungen für arme Mütter. Ganz in der Logik der Gebärförderung für gut verdienende Frauen soll das Elterngeld für untere und mittlere Einkommen von 67 auf 65 Prozent des Nettoeinkommens gekürzt werden, während der Höchstbetrag von 1.800 Euro für Besserverdienende (oberhalb 2.770 Euro) ungekürzt erhalten bleiben soll. Das hat selbst in der Koalition wegen allzu offensichtlicher »Schieflage« Bedenken ausgelöst. Nicht aber die Kürzungen bei den Armen. Die sozialrassistische Botschaft frei nach Thilo Sarrazin lautet: »Eure Kinder wollen wir nicht.« Eher Drohung als Versprechen ist die beabsichtigte »Effizienzverbesserung der Arbeitsmarktvermittlung« bei Hartz IV, die 2013/14 zusammen 4,5 Milliarden Euro bringen soll. Hier geht es vorrangig darum, mehr Menschen aus dem Leistungsbezug zu drängen. Schon fürs kommende Jahr vorgesehen ist die Streichung des Heizkostenzuschusses für wohngeldberechtigte Geringverdiener oberhalb der Hartz-Schwelle – bislang zwischen 24 Euro monatlich für Alleinlebende und 49 Euro für den Fünf-Personen-Haushalt, wodurch der Staat 0,1 Milliarden Euro jährlich »sparen« will. Und auch aus der Rentenkasse soll etwas ins »Sparpaket« gepackt werden: Bei der Wiedervereinigung waren der GRV bekanntlich enorme Folgelasten auferlegt worden, die eigentlich zu Lasten der Besitzenden aus Steuermitteln hätten finanziert werden müssen. Immerhin gab es bisher in einigen wenigen Punkten Erstattungen des Bundes an die GRV für »einigungsbedingte Leistungen«. Die sollen jetzt auch gestrichen werden, um bis 2014 eine Milliarde Euro auf die Versicherten abzuwälzen. Selbst Mainstream-Massenmedien, sonst verläßliche Transporteure neoliberaler Sachzwang-Legenden, konstatierten den Unterschied zwischen ganz realen Sozialkürzungen und den Luftbuchungen, mit denen Unternehmen und Banken »belastet« werden. Sie attestierten dem Kürzungspaket eine »soziale Schieflage«, so daß man fast hätte glauben können, sie hielten gesellschaftliche Gegenwehr für legitim. Aber DGB-Chef Sommer beließ es bei üblichen Floskeln (»wir werden nicht hinnehmen, daß …«); die »Mosaik-Linke« (IG-Metall-Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban) mußte am 12. Juni in Berlin und Stuttgart allein demonstrieren. Nun meint das öffentliche Reden von der »sozialen Schieflage« allerdings nicht, daß für die Kosten der Krise deren Verursacher und Profiteure aufkommen sollen. Wenn etwa der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes forderte, dann in der Sorge, dass die offenkundige Einseitigkeit der Belastungen den sozialen Frieden unnötig gefährden könne. »Das Potenzial des Einsparens wird nur gesellschaftliche Akzeptanz finden, wenn Oben und Unten gleichermaßen einbezogen werden«, so Lauk. Ihm und anderen »Schieflage«-Kommentatoren geht es nicht darum, die Armen zu schützen; sie wollen die denen da unten zugedachten Grausamkeiten mit einem Anschein von »Ausgewogenheit« legitimieren. Nach Jahrzehnten unsozialer Reform- und Sparpolitiken wäre dieses »Spar«-Paket auch dann nicht »sozial gerecht«, wenn es mit einer »Reichensteuer« verknüpft wäre. Zwischen 1993 und 2009 verdreifachte sich in Deutschland die Zahl der Millionäre, während die untere Hälfte der Haushalte so wenig verdient, daß sie keine Steuern zahlen muß. Die Einkommen der Besserverdienenden stiegen um das 2,4fache schneller als die von Geringverdienenden; 83 Prozent der Bevölkerung wurden von den Wohlstandsgewinnen abgekoppelt. 2007 verfügte das reichste Prozent der Bevölkerung allein über ein Viertel des Gesamtvermögens von 8.000 Milliarden Euro, während die untere Hälfte kein Vermögen hat. Die öffentlichen Schulden stiegen zwischen 1999 und 2009 um 458 Milliarden Euro, aber die an der Spitze der Reichtumshierarchie konzentrierten Geldvermögen zugleich um 1.133 Milliarden Euro (auf insgesamt 4.670 Milliarden Euro). Das Grundproblem der Staatsfinanzen ist die politisch gewollte und geförderte Privatisierung des Reichtums in den Händen weniger, während die »Mittelschichten« schrumpfen, die Niedriglöhne sinken und Armut ansteigt. Das schwarz-gelbe Kürzungspaket wird die Staatsverschuldung nicht beheben. Die Polarisierung der deutschen Gesellschaft in Arm und Reich wird also weitergehen, und zur Legitimation dafür werden die Nöte der öffentlichen Kassen herzuhalten haben. Armut soll sein; vorgetäuscht wird: Sie müsse sein. Daniel Kreutz (parteilos) war von 1990 bis 2000 Sprecher der grünen Landtagsfraktion Nordrhein-Westfalen für Arbeit, Gesundheit und Soziales und arbeitete von 2000 bis 2010 als Referent für Sozialpolitik beim Sozialverband Deutschland (SoVD).
Erschienen in Ossietzky 15/2010 |
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