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Wiederum sollen vor allem Sozialleistungen, Ausgaben für Bildung und Kultur, Löhne und Gehälter im Öffentlichen Dienst sowie der Personalbestand gekürzt werden, nachdem von den fünf Millionen Arbeitern, Angestellten und Beamten, die dort vor 20 Jahren beschäftigt waren, nur noch 2,5 Millionen übrig geblieben sind. Warum eigentlich? Wer hat ein Interesse daran, daß bald alles, was an den staatlichen Diensten noch sozial ist, zerstört wird und am Ende nur der Überwachungs-, Ordnungs- und Sicherheitsstaat übrig bleibt? Wer derart die Verantwortlichen in den Regierungsämtern befragt, stößt auf Abwehr und Empörung: Sie alle und jeder einzelne Minister oder Oberbürgermeister weisen jegliche Schuld an diesem Staatsumbau – man könnte ihn auch einen schleichenden Staatsstreich durch Zerstörung von Sozialstaatlichkeit und Demokratie nennen –, weit von sich: Sie seien selber Getriebene, die aufgelaufenen Schulden des Staates aus vielen Jahrzehnten zwängen nun mal zu radikalen Maßnahmen. Die Kanzlerin redet im Stil von Margret Thatcher: Zum Sparen gebe es »keine vernünftige Alternative«. Aber wenn Regierende und angeblich wir alle »keine Alternative«, also keine andere Möglichkeit, keine Wahl mehr haben, warum läßt man uns dann noch wählen? Demokratie, also »Herrschaft des Volkes«, wäre doch dann unmöglich geworden. Das Grundgesetz mit seiner Bestimmung der BRD als »demokratischer und sozialer Bundesstaat« (Artikel 21) wird so außer Kraft gesetzt. Wer hat diese Maßnahmen verlangt, die tief in unsere Rechte eingreifen? Uns wird gesagt, es seien die Schulden des Staates, die dazu zwingen. Aber sind Schulden und ihre Eintreiber anonyme Diktatoren aus dem Weltraum, steht hinter ihnen ein schrecklicher Deus absconditus? Woher kommen Schulden? Schulden macht man, wenn man mehr ausgibt als einnimmt. Dann braucht man jemanden, der genügend Geld übrig hat, um einem für eine gewisse Zeit den fehlenden Betrag zu leihen. Bei größeren Summen und wenn man einander nicht kennen oder vertrauen kann, muß man als Schuldner dem Gläubiger einen Schuldschein – juristisch abgesichert – übergeben. Der fremde Gläubiger verlangt nicht nur die terminierte Rückzahlung, sondern einen jährlichen Aufschlag in Form von Zinszahlungen. Der Staat BRD, also die rechtliche Vertretung der hiesigen Bevölkerung von 80 Millionen Menschen, hatte Ende 2008 auf allen Ebenen 1.655 Milliarden Euro Schulden – angehäuft im Lauf von Jahrzehnten, weil der Staat, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in dieser kapitalistisch oft chaotisch agierenden Volkswirtschaft einigermaßen zu gewährleisten oder als Reparaturbetrieb bei Wirtschaftseinbrüchen auszuhelfen, immer größere finanzielle Verpflichtungen eingegangen ist. Zugleich aber begnügte sich der Staat auf Drängen der Kapitalbesitzer mit geringeren Einnahmen aus Steuern und Sozialabgaben. So verlangte der Staat BRD 2008 mehr als zwei Prozent weniger vom Bruttoinlandsprodukt für die staatlichen Kassen als im Jahr 2000, was einen Verzicht auf 50 Milliarden Euro jährlich bedeutete. Bis Mai 2010 war die Schuldenlast – auch infolge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise und der gewaltige »Rettungspakete« – auf 1.900 Milliarden Euro ausgeweitet worden, wofür der Bund, die Länder und Kommunen Schuldscheine in Form von Bundesschatzbriefen, Bundesobligationen und so weiter ausgegeben hatten. Allein für Zinsen der Altschulden waren 2010 rund 250 Milliarden Euro auf die Konten der Geldbesitzer zu überweisen. Die Neuemittierungen waren problemlos möglich, denn die Geldbesitzer als Gläubiger hierzulande und weltweit standen geradezu Schlange, um an deutsche Schuldscheine zu kommen, die national und international immer noch als sehr sicher gelten, Deutschland muß dafür zur Zeit weniger Zinsen zahlen als die meisten anderen Staaten. Schätzungsweise 50 Prozent der staatlichen Schuldscheine befinden sich im Besitz vermögender deutscher Privatleute – verwaltet von Banken und Versicherungen im Inland –, die andere Hälfte bei Finanzinstituten im Ausland. Die dortigen Kontoinhaber sind aber ebenfalls zum großen Teil reiche Deutsche, die aus Gründen der Steuerersparnis ihre Depots lieber von Schweizer oder Liechtensteiner Instituten verwalten lassen. Diese Reichen als »Gläubiger« des »Schuldners« Staat haben ihre Vermögen überwiegend durch Gewinne von Produktions- und Handelsunternehmen erwerben können, zumeist durch Aneignung des Mehrwerts aus der »Ware Arbeitskraft«. Als Grundlage waren ererbte Besitztümer hilfreich. Nicht zuletzt konnten sie ihren Reichtum durch immer mehr Steuervergünstigungen und Nachlässe bei den Sozialabgaben weiter vermehren. Die Sprüche der Politiker und ihrer Vor- oder Nachplapperer in den Herrschaftsmedien, »wir alle« lebten heute »auf Kosten unserer Kinder«, sind demnach nichts anderes als Volksverdummung. »Unsere« Staatsschuldscheine sind Guthaben in den Händen reicher, überwiegend deutscher Mitbürgerinnen und Mitbürger. Und wenn alles so bleibt und ihr staatlich geschütztes milliarden- und billionenschweres Kapitalvermögen ohne Vermögenssteuer und fast ohne Erbschaftssteuer weiter wuchern darf, wären all diese Reichtümer die lukrativen Erbteile der Millionärs- und Milliardärskinder. Die Frage kann da doch nur sein, wie lange sich die weit über 90 Prozent, die wenig oder gar kein Kapital besitzen, eine solche Unordnung noch gefallen lassen. Otto Meyer, ständiger Ossietzky-Autor, ist Theologe in Münster (Westfalen)
Erschienen in Ossietzky 15/2010 |
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