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Weil es noch viele Wochen dauern wird, bis es vielleicht gelingt, das von der explodierten Bohrinsel gerissene Leck im Meeresgrund abzudichten, wird die Ölpest im Golf von Mexiko bis zum Herbst solche Ausmaße annehmen, als wären dort 20 Supertanker gleichzeitig havariert. Der Schaden für die Mitwelt läßt sich nicht einmal erahnen. Trotzdem haben die US-Regierung und die British Petrol Company (BP) schon eine finanzielle Schadensbegrenzung ausgehandelt. Präsident Barack Obama und BP-Konzernchef Toni Hayward verständigten sich auf einen Treuhand-Fonds von 20 Milliarden US-Dollar. Die Konzernmedien der USA (und im Gefolge auch die bundesdeutschen Leitmedien) vermeldeten das zwielichtige Geschäft prompt als »Sieg« des Präsidenten, verbunden mit dem Hinweis, daß BP seinen Aktionären für den Rest dieses Jahres die Dividenden streichen müsse. Als ob die nun vor Hunger den Kitt aus dem Fenster fressen müßten. Obama verpflichtete sich im Gegenzug, öffentlich den politisch Verantwortlichen darzustellen und den Fortbestand des Konzerns zu garantieren. 20 Milliarden US-Dollar, das sieht auf den ersten Blick nach viel Geld für eine Schadensrücklage aus. Für BP sind sie ein Klacks. In den vergangenen zwei Jahren hat der Konzern die gleiche Summe (zweimal zehn Milliarden Dollar) als Dividende an seine Aktionäre ausgezahlt. Der BP-Gewinn vor Steuern betrug allein im vorigen Jahr 22,5 Milliarden Dollar. In diesem Jahr wird das Unternehmen voraussichtlich 300 Milliarden Dollar Umsatz machen und fast 30 Milliarden Dollar Gewinn einfahren. Selbst wenn Obama den Konzern auf das Doppelte, also auf eine Haftungssumme von 40 Milliarden Dollar, verpflichtet hätte, wäre das für den Ölmulti nicht der Untergang gewesen. Er wäre lebens- und zahlungsfähig geblieben. Der US-Präsident machte zwar in seiner ersten Fernseh-»Rede an die Nation« aus dem Oval Office deutlich, daß außer den 20 Milliarden weitere Zahlungsverpflichtungen auf BP zukommen könnten. Er merkte aber im gleichen Atemzug an, daß der Konzern »existenzfähig bleiben« müsse. Obamas Rede an die Nation war sorgfältig choreographiertes Schmierentheater. Es diente mehreren Zielen zugleich: Dem Volkszorn boten ein paar starke Sprüche ein Ventil. Ölindustrie und Finanzmärkte bekamen das Signal, daß BP nicht in Konkurs gezwungen wird und die Konzernführung keine Strafverfolgung zu gewärtigen hat, trotz ihrer kriminellen Methoden bei der Ölförderung unter dem Meeresboden. Und die Mitschuldigen der Katastrophe, voran der Halliburton-Konzern, wurden ganz aus dem Rampenlicht genommen. Die Gründe dafür blieben im Dunklen. (Halliburton ist Zulieferer der Erdölindustrie und des US-Militärs, steht in enger Verbindung zum ehemaligen US-Vizepräsidenten Dick Cheney und ist in zahlreiche fragwürdige Geschäfte in Krisenregionen der Welt verstrickt, zum Beispiel verschaffte die US-Regierung diesem Unternehmen ohne öffentliche Ausschreibung Exklusivverträge für den Irak.) Der Tod von elf Arbeitern auf der Bohrinsel »Deepwater Horizon« wird ungesühnt bleiben. Das ungeheuerliche Umweltverbrechen wird mit einem Treuhandfonds abgedeckelt. Der entstandene Schaden wird zu einem geringen Teil vergütet. Das soll ´s gewesen sein? Tom Eley berichtet auf der Internetseite Global Research, internationale Versicherungen rechneten mit Gesamtschäden von bis zu einer halben Billion US-Dollar, das Fünfundzwanzigfache des BP-Treuhandfonds. Von »hunderten von Milliarden US-Dollar« Schadenssumme ist auch auf der Internetseite World Sozialist Network die Rede. Als Quelle der meisten Schätzungen werden nicht Ökologen oder Umweltmediziner genannt, sondern »Börsenanalysten« und »Wirtschaftskreise«. Zwar versicherte der Konzern bei jeder Gelegenheit, er werde für die Zerstörung von Sachwerten, die Grundwasserverseuchung, die Schäden für die regionale Wirtschaft und die teils irreparablen Schäden in der Natur finanziell geradestehen, doch der Versuch, sich nun mit einem 20-Milliarden-Fonds aus der Verantwortung zu kaufen, weist die gleiche systemische Verlogenheit auf, die wir auch beim Aufspannen von Bankenrettungsschirmen und bei Bürgschaftsleistungen für Großbetriebe in Deutschland erleben. »BP ist eine starke und lebensfähige Gesellschaft, und es ist in unser aller Interesse, daß das so bleibt,« sagte Obama nach Vertragsabschluß mit Toni Hayward. Kein Gedanke an einen geordneten Bankrott des Ölmultis BP, an seine Enteignung und an die Verstaatlichung der Konkursmasse zwecks Schadensregulierung und Vorsorge gegen künftige Umweltkatastrophen. Die Finanzmärkte zeigten sich dementsprechend erleichtert. Die BP-Aktie war im April auf einen Stückpreis von 4,03 Euro gefallen, nachdem sie im vorigen Jahr noch bei durchschnittlich 7,51 Euro gelegen hatte). Inzwischen notiert sie schon wieder um 40 Cent höher als im April. Tendenz: weiter steigend. Millionen Golfküstenbewohnern droht derweil der Verlust ihrer Arbeitsplätze. Immobilienbesitzer stehen vor immensen Vermögensverlusten, Fischer vor dem Ruin, Tourismus-Unternehmen vor der Pleite. Am wenigsten exakt zu ermitteln und zu bewerten sind die zu erwartenden gesundheitlichen Schäden durch toxische Ölrückstände im Wasserkreislauf und in der Nahrungskette. Aufgeteilt auf die zehn Millionen Einwohner der (vorerst) von der Ölpest am härtesten betroffenen US-Bundesstaaten Louisiana, Mississippi und Alabama – ausgerechnet die wirtschaftlich und sozial schwächste Region der USA – würde jeder aus dem 20-Milliarden-Topf gerade einmal 2000 Dollar erhalten können, und schon wäre das ganze Geld futsch. Obama und Hayward haben zugesagt, daß mit dem 20-Milliarden-Fonds nicht das letzte Wort gesprochen sei. Das Geld, so betonten sie mehrmals, diene zur Befriedigung »legitimer« Schadenersatzansprüche. Viele Opfer der Ölkatastrophe werden also wahrscheinlich jahrelang vor Gerichten um ihre Ansprüche kämpfen müssen, während BP wieder munter Gewinne einstreicht und die Aktienkurse weiter steigen. Obamas Äußerung, er werde dafür sorgen, daß BP ein »lebensfähiges Unternehmen« bleibe, widerlegt zugleich die Behauptung, der Entschädigungsfonds sei unabhängig und frei von politischen und wirtschaftlichen Einflüssen. Obamas Rede aus dem Oval Office an die Nation hätte von einem Referenten des BP-Konzerns formuliert sein können. Wer nun aber etwa meint, die deutsche Politik sei über solch üble Geschäfte erhaben, möge sich daran erinnern, daß zum Beispiel unsere Atomkraftwerksbetreiber bisher nicht einen Cent zur Sanierung der Deponie Asse gezahlt haben, in der radioaktiver Müll in die Biosphäre einzudringen droht, und die Kosten für diese wie für viele ähnliche Katastrophen auch bei uns dem Steuerzahler aufgezwungen werden.
Erschienen in Ossietzky 13/2010 |
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