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Oder ist gar durch eine glückliche Fügung eine Kreuzung zwischen beidem gelungen: der Supergauck? Das Vokabular, mit dem der zum Staatsoberhaupt zu wählende Auserwählte. Joachim Gauck, bedacht wird, spricht für letzteres, es ist vielfältig, aber eindeutig: Der Kandidat der Sozialdemokraten, der Grünen und der Medienkonzerne, 1999 schon einmal von der CSU für dieses Amt nominiert, ist eine »herausragende Persönlichkeit«, ein »Freiheitskämpfer«, ein »Selbstreiniger der DDR-Gesellschaft«, ein »Selbstdenker«, ein »Menschenfischer«, ein »Wanderprediger in Sachen Freiheit und Demokratie«, die »moralische Instanz Ostdeutschlands«, der »Versöhner der Nation«, ein »richtiger Demokratielehrer«, ein »herausragender mitreißender Redner«, ein »bürgerlicher Held«, ein »unabhängiger, intellektueller Kraftmensch«, ein »Überzeugungstäter ohne Parteibuch«, ein »überparteilicher politischer Mensch«, »endlich ein Mensch«, kurz: »der bessere Präsident«, wie der Spiegel titelte. All die Lobeshymnen auf Gauck hatte Angela Merkel schon zusammengefaßt, als sie ihm zu seinem 70. Geburtstag bescheinigte, sich »in herausragender und auch in unverwechselbarer Weise um unser Land verdient gemacht (zu haben) – als Bürgerrechtler, politischer Aufklärer und Freiheitsdenker, als Versöhner und Einheitsstifter in unserem jetzt gemeinsamen Land sowie als Mahner und Aufarbeiter des SED-Unrechts und damit auch als ein Mann, der immer wieder an historische Verantwortung erinnert«. So war es nur allzu verständlich, daß der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel die Kanzlerin genüßlich zitierte, als er der entzückten Öffentlichkeit den »Versöhner und Einheitsstifter« als Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten vorstellte. Als nach Horst Köhlers schnellem Abgang Gabriel und zuvor Gaucks guter Bekannter Frank-Walter Steinmeier dem Ex-Pfarrer den Vorschlag zur Kandidatur unterbreiteten, ließ dieser sich nicht lange bitten. Das Angebot wurde telefonisch unterbreitet, so blieb verständlicherweise keine Zeit, den Kandidaten auf seine Eignung zu prüfen und ihm zumindest doch noch einige, wenn auch klitzekleine Fragen zu stellen, unter anderem diese: Sind Sie wirklich sicher, daß Sie wie wir den Luftkrieg gegen Jugoslawien rechtfertigen, für den Krieg in Afghanistan eintreten, Hartz IV befürworten und die Rente mit 67 verteidigen? Entspricht es tatsächlich Ihrer Auffassung, daß das Hitlerreich und die DDR gleichermaßen »Unrechtsstaaten« und »finstere Diktaturen« waren? Beschuldigen Sie die Ostdeutschen noch immer, sich nicht an den »Status eines Bürgers zu gewöhnen«, sondern sich wie ein »Untertan« zu verhalten? Sind Sie noch immer ein zuverlässiger bekennender Antikommunist? Ist es zutreffend, daß Sie wiederholt Kontaktgespräche mit Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit hatten, diese Ihnen außergewöhnliche Privilegien einräumten und Sie für Ihren Beitrag zum störungsfreien Ablauf des DDR-Kirchentages 1988 ausdrücklich belobigten? Finden Sie es nicht auch verwunderlich, daß die DDR-Staatssicherheit ausgerechnet 1988 den fünf Jahre zuvor angelegten Operativen Vorgang zu Ihrer Beobachtung mit dem Decknamen »Larve« mit der Begründung schloß, daß von Ihnen keine »Aktivitäten« ausgehen, und gleichzeitig prüfte, sie als »Informellen Mitarbeiter« zu gewinnen? Stimmt es, daß Sie im Sommer 1990, allen Vorschriften zuwider, mehrfach und über längere Zeit die über Sie vom MfS angelegten Akten mutterseelenallein, also ohne Aufsicht, durchgesehen haben und den Verdacht nicht widerlegen konnten, belastendes Material beiseite geschafft zu haben? Können Sie als ehemaliger kirchlicher Seelsorger mit dem Vorwurf leben, sich als Leiter der nach Ihnen benannten Behörde zum weltlichen Ankläger und Rächer aufgeschwungen zu haben, dem es nicht um historisch korrekte Aufklärung und Versöhnung ging? Geben Sie zu, daß Sie keinen blassen Dunst von Politik und Ökonomie in einer globalisierten Welt haben? Gabriel und Steinmeier hätten ihn nicht zuletzt auch fragen sollen: Sind Sie sich bewußt, daß wir Sie nicht aus Liebe und Achtung, sondern aus rein parteitaktischen Erwägungen als Präsidentschaftskandidat ausgewählt haben? Auf all diese Fragen hätte Joachim Gauck, obwohl es wahrlich nicht seine Art ist, kurz und knapp mit »Ja« antworten können. Aber wo keine Fragen gestellt werden, sind auch keine Antworten zu erwarten. Steinmeier und Gabriel haben nicht gefragt, weil ihnen die Fakten bekannt sind. Das hinderte sie allerdings nicht, Gauck in den höchsten Tönen zu preisen und ihn für den Einzug in das Schloß Bellevue vorzuschlagen. Schließlich geht es ihnen nicht um einen Präsidenten, der besser ist als Wulff, sondern einzig und allein darum, die taumelnde schwarz-gelbe Koalitionsregierung ausgerechnet mit einem Kandidaten in die Bredouille zu bringen, der mindestens genau so rückwärts gewandt und antikommunistisch ist wie die Merkel-Westerwelle-Koalition und zu dieser paßt wie eine schwarze Krawatte zum Traueranzug. So steht denn am 30. Juni vor der Bundesversammlung nicht nur der Supergauck im Scheinwerferlicht. Auch auf diejenigen, die ihn für das höchste Staatsamt vorgeschlagen haben, wird ein bezeichnendes Licht fallen.
Erschienen in Ossietzky 13/2010 |
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