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Der zwölfjährige Jesus im Tempel, das bei vielen Malern beliebte Sujet – ausgerechnet vom Juden Max Liebermann! Ein christlicher Heiland in alltäglicher jüdischer Kleidung in der Synagoge unter Rabbis, realistisch dargestellt, ohne ikonographische Verklärung. Auf der Internationalen Kunstausstellung 1879 in München zeigte der Maler sein fast 1,50 mal 1,30 Meter großes Bild das erste Mal, und es löste einen Skandal aus. Die damalige Ausstellung umfaßte weit über 1000 Gemälde in 64 Sälen, dicht gehängt. Vorherrschend waren historische Themen mit nationaler Tendenz – es gab einen ganzen Saal mit Schlachtenbildern –, und alles war andachtsvoll inszeniert. Dazwischen aber sah man schon im vierten Saal den »häßlichsten naseweisen Judenjungen, den man sich denken kann«, und die ihm zuhörenden Rabbiner als »ein Pack der schmierigsten Schacherjuden«. So urteilte der damals bekannte Kunstkritiker der Augsburger Allgemeinen Zeitung, Friedrich Pecht. Das Bild beleidige nicht nur »unser Gefühl, sondern selbst unsere Nase«. Woran dachte er? »Alle möglichen widrigen Erinnerungen« rief es bei ihm hervor, wie er bekannte. Waren es die langen Gewänder, die Pelzmützen, die allzu real an die Kleidung der Ostjuden erinnerten, die doch hier nichts zu suchen hatten? Liebermann hatte seine Vorbilder in christlichen Spitälern Münchens gefunden. Den Jesus-Knaben malte er nach einem italienischen Modell. Barfuß, in einem unregelmäßig langen gegürteten Gewand, mit kurzen dunklen Haaren. So durfte Jesus nicht aussehen, so beleidigte er das religiöse Gefühl. »Daß ein Jude gewagt hat, seinen christlichen Mitbürgern solche Verhöhnung ihres Heilands öffentlich ins Gesicht zu schleudern«, empörte das Christliche Kunstblatt für Kirche, Schule und Haus. In Heinrich von Treitschkes Rede »Unsere Aussichten« vom 15. November 1879 fand der Antisemitismus akademische Weihen: Liebermann, der »Schmutzmaler«. Der Kaiser sprach von »Rinnsteinkunst«. Katholische Geistliche wollten das Gemälde umhängen, irgendwo in die zweite Reihe. Der Bayerische Landtag beschäftigte sich zwei Tage lang mit dem unchristlichen Bild. In der Hamburger Kunsthalle hängt es nun repräsentativ an der Stirnseite in einem großen Raum. Rechts und links an den Wänden Skizzen und Vorstudien zu dem Bild und Werke von Dürer, Rembrandt, Menzel zum gleichen Thema. In den Nebenräumen andere Gemälde Liebermanns und ein Bild von Fritz von Uhde: »Der Leierkastenmann kommt«. Das erhielt Liebermann Ende 1883 im Tausch gegen das Jesus-Bild von seinem Freund. Wollte Liebermann das Bild nicht mehr sehen? Er hatte eine Veränderung daran vorgenommen, sein Bild übermalt. Das aber stellte sich erst in den Neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts heraus. Das Jesus-Bild wurde 1911 von dem Kunsthallendirektor Alfred Lichtwark für Hamburg gekauft. 1941 tauschte der damalige Kunsthallenchef Werner Kloos ein Bild von Kokoschka und mehrere Gemälde Liebermanns, darunter das Jesus-Bild, gegen »deutsche Kunstwerke« von dem Kunsthändler Hildebrand Gurlitt ein. 1945 versuchte der neue Kunsthallendirektor Karl Georg Heise, das Bild zurückzukaufen, was nicht gelang. Gurlitt hatte es verkauft. Sein schlechtes Gewissen ließ ihn 1945 einen Rechtfertigungsbrief an Heise schreiben: »Wer konnte wissen, wohin die Entwicklung ging und was die Regierung noch vorhatte? Erscheint es heute nicht fast als Vergeßlichkeit oder Inkonsequenz, wenn die Nazis die Bilder von Liebermann nicht zusammen mit den Juden verbrannten? In guter Privathand waren die Bilder vor den Zugriffen des Staates sicherer als im Museum.« Besser verkauft als verbrannt – Bilder. Erst 1989 konnte das Liebermann-Bild für die Hamburger Kunsthalle zurückerworben werden. Das Bild hängt groß und gut ausgeleuchtet im Ausstellungssaal. Jesus, hell im Mittelpunkt, mit langen blonden Haaren, sieht nun wie ein Mädchen aus. Besonders das weiße Gewand, wie ein Kleid, viel länger als der ursprüngliche Kittel. Und natürlich trägt der Heiland Schuhe: Jesus-Latschen – wie man es heute nennt. Seine Handhaltung ist auch geändert, zurückgenommen – nicht mehr so frei argumentierend. Er wirkt wesentlich passiver. Schade nur, daß man das kleine Schwarz-Weiß-Foto des ursprünglichen Bildes nicht in die Nähe des Gemäldes hängte, zum Vergleich. Es ist in den Vorraum verbannt, unscheinbar, vielleicht sogar übersehbar.
Erschienen in Ossietzky 10/2010 |
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