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Im Kreise von Aktiven der Hamburger Anti-Atomwaffen-Gruppen, zu denen auch der heutige Ossietzky-Redakteur als damaliger Vorsitzender des studentischen Aktionskreises gegen Atomwaffen gehörte, fand Ihre Idee im Herbst 1959 sofort Zustimmung. Eckart Spoo erinnert sich: »Im März 1958 hatte der Bundestag die atomare Aufrüstung der Bundeswehr beschlossen. Die oppositionelle SPD klebte bundesweit Plakate mit der Parole ›Kampf dem Atomtod!‹ Für unsere Veranstaltungen – Vortragsabende mit Physikern, Juristen, Theologen, Diskussionsabende mit Politikern verschiedener Parteien und mit engagierten Publizisten wie Erich Kuby und Ulrike Meinhof, Ausstellungen über Hiroshima und Nagasaki und über die Strahlungsgefahren nach Atombomben-Versuchen – konnte ich Einladungen im Kurt-Schumacher-Haus der SPD hektografieren, bis der Landesvorsitzende der Partei, Kurt Vittinghoff, eines Tages zu mir sagte: ›Eins muß klar sein: Wir machen das alles nur, um den Kommunisten den Wind aus den Segeln zu nehmen.‹ Die SPD selber machte gar nichts mehr, sie unterstützte unseren Aktionskreis auch nicht, als es uns gelang, die Unterschriften von zehn Prozent der Studierenden für die Forderung nach einer Vollversammlung zu sammeln. Die Universität mietete die größte Halle des Ausstellungsgeländes Planten un Blomen, wo wir dann die Zwei-Drittel-Mehrheit der Versammelten für meinen Antrag gegen die atomare Bewaffnung der Bundeswehr erlangten – wobei wir hofften, ähnliche Willensbekundungen an anderen Hochschulen, in Betrieben und Verwaltungen anzuregen. Aber auch die Gewerkschaften, deren Vorstände eng an die SPD gebunden waren, zogen sich zurück. In den Jugendorganisationen dagegen – Falken, Naturfreundejugend, Gewerkschaftsjugend, Sozialistischer Deutscher Studentenbund – brodelte es weiter. Die Erfahrung des Aldermaston-Marsches, an dem sich Gelehrte wie Bertrand Russell und auch namhafte Labour-Politiker beteiligten, ermutigte uns. Helga und Konrad Tempel, zwei junge Lehrer, die zur Religionsgemeinschaft der Quäker gehörten, ergriffen die Initiative. Am ersten Marsch beteiligten sich zwischen 100 und 200 Demonstranten. Im nächsten Jahr, Ostern 1961, fanden schon drei Märsche statt, im Norden, im Westen und im Süden der Bundesrepublik. Ich studierte inzwischen in Frankfurt am Main und beteiligte mich am Südmarsch. Die drei Tagesetappen führten am Karsamstag von Miltenberg, wo eine US-amerikanische Raketenbasis entstanden war, nach Aschaffenburg, am Ostersonntag von Aschaffenburg nach Hanau, am Ostermontag von Hanau nach Frankfurt, wo wir humpelnd zur Abschlußkundgebung eintrafen. Vor allem das Verbot, auf bayerischen Staatsstraßen zu marschieren, hatte den Marsch zur Strapaze gemacht: Wir durften nur Feld- und Waldwege benutzen. Die Zeitungen waren voller Hetze gegen uns, aber die Teilnehmerzahlen erhöhten sich, namhafte Künstler wirkten mit, und in den Diskussionen festigten sich die politischen Positionen. Mit Hilfe der Naturfreundejugend konnten wir einen Zentralen Ausschuß gründen, der in den folgenden Jahren immer mehr und immer größere Ostermärsche und andere daraus hervorgehende außerparlamentarische Aktivitäten koordinierte – bis sich 1968 nach den Schüssen auf Benno Ohnesorg und Rudi Dutschke und auf Demonstranten in München verbalradikale Studenten mit großem Medienecho selber zu Anführern ernannten und unsere ›Kampagne für Demokratie und Abrüstung‹ sprengten. Mehrere Jahre lang konnten keine Ostermärsche mehr stattfinden. Die Verbalradikalen traten bald einen anderen Marsch an: den durch die Institutionen, der viele von ihnen zu den Grünen führte.« 2010 finden wieder in vielen Städten Osteraktionen statt. Die Gefahren durch die Atombewaffnung sind größer geworden. Nicht nur die fünf Staaten mit ständigem Sitz im UN-Sicherheitsrat verfügen über Nuklearwaffen, sondern inzwischen auch mehrere andere, darunter Israel, und Bundeswehr-Soldaten werden in der Eifel an US-Atomraketen ausgebildet. Systematisch aber mißbrauchen die USA als Hauptnuklearmacht die Sorge vieler Menschen vor Atombomben, indem sie Staaten mit reichen Ölvorkommen bezichtigen, solche Massenvernichtungsmittel zu entwickeln. Mit solchen Falschbehauptungen begründeten sie den massenmörderischen Überfall auf den Irak, und mit gleichen Begründungen bereiten sie jetzt einen Krieg gegen Iran vor. Hoffentlich werden die Osterveranstaltungen gründlich darüber aufklären und wieder mehr Menschen mobilisieren. – mit Dank an Helga und Konrad Tempel für ihre Initiative. Dirk Backen, General. – Als Kommandeur der Bundeswehrpanzerbrigade in Augustdorf sollen Sie nun Auskunft geben, wie es dazu kommen konnte, daß dort junge Wehrpflichtige mißhandelt wurden und auch sexuelle Übergriffe zu erleiden hatten und weshalb der hinzugezogene Bundeswehrpsychologe, Zeitungsberichten zufolge, versucht hat, die Opfer von einer Strafanzeige abzubringen. Weiß der Militärhimmel, möglicherweise kommt nun jemand auf die Idee, es müsse ein Runder Tisch zum Thema Mißbrauch in der Bundeswehr eingerichtet und über Entschädigung der Schikanierten geredet werden. Damit Sie auf andere Gedanken kommen: Karsamstag um 14 Uhr findet eine Ostermarsch-Kundgebung am Rathaus in Augustdorf statt. Hören Sie mal hin. Ronald Pofalla, Kanzleramtsminister. – Sie durften die Rede zum Richtfest der neuen Riesenbehausung des Bundesnachrichtendienstes in Berlin halten, des teuersten Gebäudes, das jemals im Namen der Bundesrepublik errichtet wurde. Eine »geheime Stadt in der Stadt« nennt es die FAZ. 800 Millionen Euro sollen dafür ausgegeben werden, wahrscheinlich werden die Kosten weiter steigen. »Ein Neubau drückt immer auch Vertrauen in die Zukunft aus« war der Kern Ihrer Festrede. Je mehr vertrauliche Nachrichten die »Bedarfsträger« in der Politik bekommen (den schönen Begriff prägte bei dieser Gelegenheit der BND-Präsident Ernst Uhrlau), desto trauter dürfen wir uns zukünftig fühlen. Thomas Oppermann, ehemaliger Bundesminister. – »Undenkbar« sei eine Zusammenarbeit der SPD (für die Sie die parlamentarischen Geschäfte im Bundestag führen) mit der Linkspartei, wenn diese sich für das jetzt als Entwurf vorgelegte Programm entscheide. Da sei noch einmal Lafontaine am Werk gewesen; »Regierungsfähigkeit« könne die Linkspartei mit einem solchen Programm nicht entwickeln. Wir nehmen an, daß Ihnen die Programme Ihrer eigenen Partei nicht bekannt sind. Undenkbar wäre doch sonst für Sie eine Regierungstätigkeit gewesen, die dem Volke unter anderem die Agenda 2010 beschert hat. Franz Walter, Parteienforscher. – Sie haben der SPD in deren Magazin vorwärts ins Gewissen geredet: Die neue Sympathie des sozialdemokratischen Managements für »Basisdemokratie« und Gesellschaftskritik dürfe »nicht nach einem taktischen Mätzchen einer unruhig rochierenden Parteiführung aussehen«. Aber das wissen Sigmar Gabriel und Andrea Nahles doch: Schein und Sein sind nicht dasselbe, mit einigem Geschick läßt sich dieser Unterschied jedoch verwischen, und eben das ist die politdesignerische Hauptaufgabe sozialdemokratischer Spitzenmanager.
Erschienen in Ossietzky 7/2010 |
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