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Wir wollen stärker aus ihr herausgehen, als wir hineingekommen sind … wir Deutschen haben schon ganz andere Herausforderungen gemeistert … Wir haben das zerstörte Deutschland nach dem Krieg aufgebaut und fest in Europa verankert.« Inzwischen ist genauer zu erkennen, was der Kanzlerin Redenschreiber im Auftrag der hierzulande herrschenden Kapitalinteressen wohl im Sinn hatten: Die »feste Verankerung« wird genutzt, um ganz Euroland zu dominieren. Beim EU-Gipfel in Brüssel am 25. März 2010, wo es um Kredithilfen für Griechenland ging, bestimmte die Kanzlerin der Deutschen fast allein gegen den Rest: Keine Direkthilfen für klamme Schuldnerländer wie Griechenland und die übrigen »PIGS« (Portugal, Italien, Griechenland, Spanien), die wohl schon bald ebenfalls hilfsbedürftig sein werden; stattdessen die Verpflichtung für sie, sich grundsätzlich zunächst beim Internationalen Währungsfonds (IWF) zu verschulden und sich den von dort zu erwartenden äußerst strengen Haushaltsspar- und Privatisierungsauflagen zu unterwerfen. Danach könnten unter Umständen auch Kredite aus EU-Ländern gewährt werden, sofern alle Mitgliedsländer zustimmen – also wahrscheinlich nie oder erst, wenn Deutschland es will. Frankreich und die meisten übrigen EU-Mitglieder hatten sich gegen die vorrangige Verpflichtung auf den IWF lange gesträubt. Sie befürchten, daß der Gang eines EU-Landes zum IWF dem Ansehen der Euro-Währung auf den Finanzmärkten schaden könnte. Aber die deutsche Kanzlerin hielt sich an die Vorgaben der großen, von Deutschland aus international agierenden Konzerne und Banken. Deren Strategen und Berater wie Professor Sinn vom Ifo-Institut München (Ossietzky 5/10) warnen, daß die EU-Gremien nicht bereit sein würden, mit genügend Druck gegen die armen »Sünder« vorzugehen. Merkel setzte sich auch gegen Frankreichs Präsident Sarkozy durch. Deutsche Kommentatoren aus den Herrschaftsmedien sind darüber voll des Lobes. Merkel habe Sarkozy durch ihren geschickten Kompromiß-Vorschlag, IWF-Kredite mit Einzelkrediten aus EU-Ländern zu kombinieren, gewinnen können. In Frankreich sieht man das anders: Das sei kein Kompromiß, eher eine Erpressung durch »Madame Non«, wie Merkel tituliert wurde. Stefanie Lob weiß auf Welt-online aus Brüssel zu berichten, Europäer sprächen vom »Diktat der deutschen Kanzlerin«. Merkel werde als »Eiserne Lady, knauserig und europafeindlich« dargestellt. »Europa hat eine neue Eiserne Lady, und ihr Name ist Angela Merkel«, habe ein EU-Diplomat den Brüsseler Gipfel zusammengefaßt. Doch darin sehen die Welt-online-Kommentatoren Schiltz und Schaeder einen triumphalen Sieg: »Deutschland schwimmt sich frei aus der Rolle der ewigen Melkkuh. Das schafft eine neue Kultur der Verantwortung. Es sind gute Tage für Europa.« Gemeint ist das von Deutschland mit der Exportwalze beherrschte Europa. Merkel soll den Griechen zeigen, was eine Harke ist, oder ihnen mit einer vom IWF gestählten Hacke beibringen, was es heißt, daß Schulden zu bezahlen sind: Renten runter, Urlaubsansprüche kürzen, länger arbeiten bei weniger Lohn, die soziale Krankenversorgung ausdünnen, möglichst viel vom auch dort zwischenzeitlich »auswucherndem Sozialstaat« auf Privatversicherung umstellen, Eisenbahnen privatisieren, desgleichen Universitäten, Schulen, Krankenhäuser. Kurz: Lohn- und Sozialdumping auf allen Ebenen. Griechenland habe doch auch noch mehr anzubieten, schlugen deutsche Finanzmedien vor, zum Beispiel so manche unbewohnte Insel … Aber warum so bescheiden bleiben? Könnte der deutsche TUI-Konzern nicht gleich eine größere Anleihe für den Aufkauf der gesamten Ferieninsel Kreta auflegen? Was die deutsche Wehrmacht nur für wenige Jahre schaffte, ließe sich doch heute, bald 70 Jahre später, mit viel friedlicheren Mitteln erreichen, weil vom angeblich anonymen Markt und Kapital aufgeherrscht. Vieles, was den Griechen heute droht, wurde uns in der BRD schon durch die Vorgängerregierungen, vor allen die rot-grüne und die schwarz-rote, beschert. Die jetzige Merkel-Westerwelle-Connection hat den Auftrag, zügig weiterzumachen und wie in Deutschland so in ganz Europa für die richtige Ordnung zu sorgen. Griechenland ist zur Zeit das Testgebiet, auf dem erprobt werden soll, wie schnell und wie weit man gehen darf. Ob das hierzulande alle abhängig Beschäftigten und ihre Gewerkschaften begreifen? Und ob sie sich zu solidarischen Aktionen aufraffen, sobald in Hellas Generalstreiks das Land lahm legen oder in Athen und Saloniki die Polizei den Auftrag erhält, den Widerstand auf den Straßen zusammenzuknüppeln? Oder ob Deutschland dann Polizeihilfe leistet? Mit diesem Beitrag setzt Otto Meyer die Serie fort, die er in Heft 5/10 unter der Überschrift »Griechenland am Pranger« begonnen hat.
Erschienen in Ossietzky 7/2010 |
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