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Die Abfälle – man spricht von 100 Millionen Tonnen, wobei aber noch unklar ist, ob diese runde Zahl für die gesamte, mit 20 Jahren angegebene Betriebsdauer der Grube oder einfach für die »nächsten Jahre« gelten soll – scheinen einige Schwierigkeiten zu bereiten. Die Öffentlichkeit erfährt, es gebe nur eine Möglichkeit: Man müsse den Schlamm ins Meer leiten. Falls es aber doch andere Möglichkeiten geben sollte, seien sie »zu teuer«. Hier benehmen sich »die Chinesen« genau wie australische oder amerikanische Kapitalisten: Profit geht vor Umweltschutz. Und in Australien höre ich: Was im Inselstaat Papua-Neuguinea geschieht, sei »weit weg und wird uns kaum stören«. Die Grubenleitung behauptet – genaue Studien sind kaum vorhanden oder werden geheim gehalten, und das wenige, was veröffentlicht wurde, ist heftig umstritten –, daß sich der Schlamm einfach am Meeresboden absetzen und dort bleiben wird. Sicher ist jedoch, daß er weder den Korallenriffen noch den Fischen gut bekommen wird. Um das Abflussrohr hinaus ins Meer verlegen zu können, will MCC in den nächsten Tagen ein Korallenriff zumindest teilweise sprengen lassen. Anders als in dem neuen US-amerikanischen Film »Avatar« kann sich die Natur dort nicht wehren. Die Fische und die Korallen haben keine Klauen, keine Waffen. Und die Bevölkerung? Und die Regierung in Port Moresby, der fernen Hauptstadt von Papua-Neuguinea? Sie sei, so sagt man an der Madang-Küste, »von den Chinesen aufgekauft«, noch dazu sehr billig. Sie stehe an der Seite der Ausbeuter, gegen ihr eigenes Volk. Wieviel Geld geflossen ist – die Grubenverwalter selbst sprechen von 700.000 Dollar und deuten auch mal an, es könnten drei Millionen Dollar gewesen sein, was immer noch lächerlich wenig wäre –, hat sich bisher nicht klären lassen. In Madang verbreiten sich Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung. Davon bleibt auch der einst sehr verehrte Landesvater Michael Somare nicht verschont, der heute wieder als Regierungschef amtiert. Wegen dieser und andere Fragen liegt er im Clinch mit dem Ombudsman von Papua-Neuguinea, der mehr Transparenz fordert. Den eigentlichen Streit um die Meeresvergiftung führt die Küstenbevölkerung an der Astrolabe-Bucht gegen die chinesische Grubenverwaltung und die sie unterstützende Regierung in Port Moresby. In Kurumbukari, in den Bergen, wo die Riesengrube entsteht, sind die enteigneten Landbesitzer bis jetzt noch eher traurig als wütend. Aber entlang der Förderleitung.–. sie ist noch kaum im Erdreich begraben – ist bereits von »Rohrbrüchen« die Rede. Kann doch passieren – oder? Um auf »Avatar« zurückzukommen: Der Film ist offenbar von den Vorgängen in Bougainville inspiriert, also vom Widerstand des im Gebiet um die Panguna- (im Film: Pandora-)Grube ansässigen Nasioi- (im Film »Navi«-)Volks gegen die Umweltzerstörung durch den Rio-Tinto-Konzern, worüber ich den Ossietzky-Lesern wiederholt berichtet habe. Erst 20 Jahre nach den niedergewalzten ersten friedlichen Protesten der Bevölkerung sprengten die Nasioi von Bougainville – inzwischen gelernte Sprengstoff-Experten – den ersten Strommast der Panguna-Grube. Daraufhin wurde zunächst die Bereitschaftspolizei, dann die Armee von Papua-Neuguinea mit australischen Kommandeuren, Waffen, Hubschraubern und Patrouillenbooten gegen die Bougainvillieer eingesetzt. Aber der australisch gedrillte Leutnant Sam Kaona – man beachte die Dialetik der Geschichte – wechselte die Seiten, um bei seiner Geliebten Josie zu bleiben, und führte den Aufstand der Bougainvillieer, den er anfänglich bekämpft hatte, nach neun Jahren zum Sieg. Irgendwelche Parallelen zu dem US-Marine Jake in »Avatar« sind rein zufällig, versteht sich. Nur eins ist sicher: Sowohl im Film als in der wirklichen Geschichte Bougainvilles haben die Einwohner gesiegt, die Grubenbesitzer verloren. Pandora und Panguna bleiben geschlossen. Was nun aber Ramu betrifft: Die Chinesische Frage wird da kaum mehr aus der politischen Auseinandersetzung verschwinden. Es gab bereits Streitigkeiten zwischen Chinesen und Papuanern um die Grube, auch einige Tote. Antichinesische Ressentiments, vorerst noch lokal begrenzt, breiten sich aus. In Papua-Neuguinea und den Nachbarländern Indonesien, Ost-Timor und den Salomonen, fast überall gibt es »die Chinesen«. Sie besitzen keine Gruben, ihre soziale Stellung ähnelt der von jüdischen Kleinbürgern und Händlern im Osteuropa der Vorkriegszeit. Ich sehe die Gefahr, daß der Streit um die große Nickel-Kobalt-Grube Ramu weite Kreise ziehen und rassistische Züge annehmen wird. Und ich vermute, daß die miteinander verflochtenen australischen, britischen und US-amerikanischen Interessen an den Gruben in Papua-Neuguinea wie auch im indonesisch besetzten West-Papua nicht dazu beitragen werden, den Streit um Ramu friedlich beizulegen. Im Gegenteil. Aber der MCC-Konzern tut erst einmal so, als gäbe es keine Probleme. Generalmanager Wu Xuefeng antwortete dieser Tage auf erste kritische Pressestimmen aus Port Moresby, das Verhältnis zur Bevölkerung in den betroffenen Gegenden, auch zu den Grundbesitzern, sei »gesund und konstruktiv«. Wirtschaftlich und sozial habe die Corporation schon viel geleistet und den Grundbesitzern mehr als 5,1 Millionen Kina gezahlt (1 Kina = 0,25 Euro).
Erschienen in Ossietzky 6/2010 |
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