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Präsentiert wird eine kompakte Sammlung von Reden und Aufsätzen namhafter Autoren, zum Beispiel des ehemaligen Präsidenten des Internationalen Roten Kreuzes, Cornelio Sommaruga, einiger Schweizer Politiker (unter ihnen auch Verteidigungsministers Ueli Maurer) und Unternehmer sowie der Herausgeber des Buches, Jürgen Elsässer und Matthias Erne. Die Texte bieten eine Sicht auf die Schweiz, die in deutschen Medien zumeist nur wenig Raum bekommt, was die Lektüre um so interessanter macht. Steuerhinterziehung, schreibt Elsässer, sei in jedem Fall unsozial und Strafwürdig, doch keineswegs Kern der Finanzkrise. Diese gehe vielmehr auf Operationen auf Offshore-Finanzplätzen wie den britischen Kanalinseln zurück, denen die G20 keinerlei Sanktionen androhten. Die massive Kritik an der Schweiz sei vorrangig eine Ablenkung – mit dem gewollten Nebeneffekt, das Image des demokratischen Modellstaats zu schädigen, so eine der Aussagen des Buches in Kürze. Vieles erscheint nach der Lektüre schlüssig, in jedem Fall lädt der Band zu einer Debatte ein, in der beide Seiten zu Wort kommen. Paul Schreyer Jürgen Elsässer / Matthias Erne (Hg.): »Erfolgsmodell Schweiz«, Kai Homilius Verlag, 160 Seiten, 8,80 € Die Entscheidung ist gefallen: Die CD mit den bei Schweizer Banken gestohlenen Daten deutscher »Steuersünder« will der Staat für 2,5 Millionen Euro ankaufen. Endlich, so könnte man aufatmen, geht es den großen Steuerbetrügern an den Kragen – nicht immer nur den kleinen Sozialhilfe- und Versicherungsbetrügern oder Gelegenheitsdieben. Darauf haben wir schon lange gewartet, schließlich geht es um Hunderte von Millionen hinterzogene Steuermittel, die Bund, Ländern und Gemeinden für Gemeinschaftsaufgaben wie soziale Hilfen, Gesundheit, Bildung und Kultur fehlen – mal abgesehen von milliardenschweren Militärausgaben und Bankenrettungsgeldern. Viele Schulen, Kindergärten und Straßen sind in einem maroden Zustand. Und der Sozialstaat ist längst demontiert. Irgendwie beschleicht einen das Gefühl, als wollten manche Politiker, die jetzt auf Biegen und Brechen hinter den hinterzogenen Steuermillionen her sind, dieses fehlende Geld für schlimme Folgen ihrer verfehlten Politik der vergangenen Jahre verantwortlich machen. Kanzlerin Merkel, deren CDU sich mit Schwarzgeld bestens auskennt, hätte dafür hinreichende Motive, ebenso die ehemaligen Regierungsparteien SPD und Grüne, die gleichfalls zu den vehementen Verfechtern des CD-Ankaufs gehören und illegalen Datenhandel auf diese Weise legitimieren. Auf der anderen Seite erscheinen Wirtschaftsfunktionäre wie Olaf Henkel und diejenigen, die kommerziell mit personenbezogenen Daten handeln oder steuerlich etwas zu verbergen haben, plötzlich als Datenschützer und glühende Verfechter des Rechtsstaats. Die Affäre um die CD mit Daten von mutmaßlichen »Steuersündern« hat viel ausgelöst: nicht nur heiße Diskussionen um das Für und Wider eines Ankaufs der illegal erworbenen Daten entfacht und manchen Steuerhinterzieher zur Selbstanzeige genötigt, sondern auch zahllose Laienfahnder und Strafverfolger auf den Plan gerufen, denen weitere CD-Angebote in Bayern und Baden-Württemberg immer neuen Stoff verschaffen. Bei so viel Verfolgungseifer, wie wir ihn gegenwärtig quer durch alle politischen Lager erleben, ist allerdings Skepsis angebracht. Es scheint, als stecke der Staat in einem unauflösbaren Dilemma: Tatsächlich gibt es gute Gründe für den Ankauf von CDs mit gestohlenen Daten über mögliche Steuerbetrüger, die ihr Schwarzgeld vor dem deutschen Fiskus auf Schweizer Bankkonten in Sicherheit gebracht haben. Schließlich geht es um gesellschaftsschädigende Straftaten, und die Sicherheitsbehörden müssen jedem Straftatverdacht nachgehen, weil sie an das Legalitätsprinzip gebunden sind und dem Verfolgungszwang unterliegen. Doch es gibt auch gute, möglicherweise bessere Gründe für einen Rechtsstaat, den illegalen Millionendeal mit Kriminellen strikt zu verweigern. Denn Begünstigung und Beihilfe zu Datenausspähung und Verrat von Geschäftsgeheimnissen sind auch strafbar, wenn sie von Staatsbediensteten begangen werden. Und eine tragfähige Rechtsgrundlage für den Ankauf solcher Daten ist ohnehin nirgends in Sicht. Ein solch anrüchiger Datenhandel jenseits der Legalität fördert, wie sich bereits deutlich zeigt, weiteren Datenklau und schafft ein Klima der Denunziation. Hier droht eine Geschäftsidee zum Erfolgsmodell für Datenabzocker und -händler zu werden, deren kriminelles Tun staatlicherseits durch Handelseinigkeit legitimiert und mit Millionenbeträgen aus Steuergeldern belohnt wird. Wenn sich ein solcher Täter infolge seiner Tat – etwa durch seine »Opfer« – gefährdet fühlt, so muß er keine Angst vor Strafe oder Rache haben, sondern darf auf staatliche Hilfe hoffen: Er erhält eine neue Identität wie schon jener Datenhändler, der Steuerflüchtlinge« nach Luxemburg auffliegen ließ. Angesichts dieser Wirkungen könnten sich die Propagandisten eines Datenkaufs, so geben Rechtswissenschaftler zu bedenken, einer strafbaren Aufforderung zur Begehung von Straftaten schuldig machen und die staatlichen Sicherheitsbehörden der Strafvereitelung im Amt. Der Zweck heiligt in einem Rechtsstaat auch in Fällen, die das Große Geld betreffen, keineswegs die Mittel. Auch nicht mit Verweis auf die Höhe der mutmaßlich hinterzogenen Steuermillionen; und auch nicht mit dem entschuldigenden Verweis auf andere dubiose Mittel und Methoden, deren sich der Staat zur Strafverfolgung mitunter bedient: etwa verfassungswidrige Ausforschungsmaßnahmen, Datentransfers oder zwielichtige Einsätze von Lockspitzeln und Kronzeugen. Insoweit ist längst ein schwindendes Datenschutz- und Verfassungsbewußtsein in der politischen Klasse und in mancher Sicherheitsbehörde zu beklagen, wenn immerzu im Namen des Staates und der vermeintlichen Sicherheit in Freiheit, Bürgerrechte und Rechtssicherheit eingegriffen wird. Deshalb mußte das Bundesverfassungsgericht in den vergangenen Jahren schon mehrfach Gesetze und staatliche Maßnahmen für verfassungswidrig und nichtig erklären. Ein gerechtes und vereinfachtes Steuersystem, effektive Betriebskontrollen, Doppelbesteuerungs- und Amtshilfeabkommen mit der Schweiz und anderen Finanzplätzen wären effektiver, nachhaltiger und seriöser als dubiose Millionendeals – und zudem legal. Dann dürfen aber auch Steuerfahnder, die mit Engagement wirklich großen Steuerbetrügern auf die Schliche kommen, nicht psychiatrisiert und kaltgestellt werden, wie dies in Hessen geschehen ist. Dann dürfen auch nicht Steuermillionen verpulvert werden, wie dies immer wieder vom Rechnungshof beanstandet wird. Und es müßte Schluß sein mit Steueroasen und der im Steuerrecht verankerten Generalamnestie von Steuerstraftätern. Statt bloßer Symptombekämpfung ist politischer Gestaltungswille gefordert, der endlich an Ursachen, Strukturen und Bedingungen der Großkriminalität ansetzt. Alles andere sind Ablenkungsmanöver, die auch noch rechtsstaatlichen Grundsätzen widersprechen.
Erschienen in Ossietzky 4/2010 |
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