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Tatsache ist, daß die Landsmannschaft im März 2003 in Prag ein – offiziell als »Handelsniederlassung« deklariertes – Büro eröffnet hat und es immer wieder als »Botschaft« bezeichnet. Zunächst hieß es noch etwas verschämt »Botschaft des guten Willens«, später schlicht und dreist »Sudetendeutsche Botschaft«. Büroleiter Peter Barton wird als Botschafter stilisiert. In einem Konferenzbericht war zu lesen: »Die Sudetendeutschen vertrat der Leiter des Sudetendeutschen Büros in der Tschechischen Republik, Peter Barton. Auch die Botschafter Deutschlands und Österreichs … waren zugegen.« Derartige Anmaßungen entsprechen dem quasi-staatlichen Selbstverständnis der SL (eines privaten Vereins mit schrumpfender Mitgliederzahl) als »die repräsentative Organisation der sudetendeutschen Volksgruppe« (SL-Website). München wird als »Exilhauptstadt« bezeichnet, die Sudetendeutsche Bundesversammlung als »Exilparlament«. Wenn dieses tagt, weht über dem Maximilianeum, dem bayerischen Landtagsgebäude, die schwarzrote sudetendeutsche Fahne. Die SL-Spitzen (Bundesvorsitzender und Sprecher) behaupten, für »alle Sudetendeutschen« zu sprechen, und meinen damit vier Millionen Menschen in aller Welt, deren allergrößter Teil davon nichts ahnt und diese Möchtegern-Regierung nie legitimiert hat. Aus ihrem Selbstverständnis fordert die SL einen »direkten Dialog« mit der tschechischen Regierung. Vereinbarungen zwischen Berlin und Prag betrachtet sie als nicht akzeptabel für die Sudetendeutschen. Der heutige SL-Sprecher Bernd Posselt (von den CSU-Wählern entsandter Abgeordneter des Europäischen Parlaments) pflegt das so auszudrücken: »Wir sind nicht obrigkeitshörig, sondern wir sind eine … sich selbst verwaltende Volksgruppe, die gewohnt ist, … ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. … Wir sind entschlossen, auch in künftigen sudetendeutschen Generationen als Volksgruppe Partner zu sein und nicht ein Anhängsel irgendeiner staatlichen Struktur« (Rede beim Sudetendeutschen Tag 2007, fast wortgleich 2008). Allenfalls ist die bayerische Staatsregierung als Vermittlerin des geforderten »Dialogs« erwünscht. Pech für die SL-Protagonisten ist nur, daß die Regierung in Prag sich darauf nicht einläßt. Deren Gesprächs- und Verhandlungspartner ist Berlin. Hier setzt »Botschafter« Barton an. Er hat drei Aufgaben: Erstens soll er in der tschechischen Gesellschaft die SL-Forderungen ständig im Bewußtsein halten, den Widerstand dagegen zermürben und möglichst viele (möglichst einflußreiche) Tschechen für eine »Versöhnung« nach den Vorstellungen der SL gewinnen. Zweitens fungiert er als Verbindungsmann (und Überbringer finanzieller Wohltaten) zu den »heimatverbliebenen« deutschstämmigen Staatsbürgern der Tschechischen Republik, die die SL zu ihrer Klientel zählt. Und drittens ist er Ansprechpartner für deutsche Besucher in der Tschechischen Republik, denen er die Sicht der SL nahebringt oder die er darin bestärkt. Über den öffentlichen Teil seiner Tätigkeit und seine Erfolge berichtet Barton wöchentlich in der Sudetendeutschen Zeitung. Dort erfährt man, welche tschechischen und deutschen Politiker das SL-Büro besucht haben, wer bei welcher Gelegenheit in das Horn der Landsmannschaft getutet hat, welche »deutschen Spuren« Barton in Prag oder sonstwo in der Tschechischen Republik ausfindig gemacht hat, wann er wo welche verdienten Mitglieder von »Volksgruppenorganisationen« mit seiner Anwesenheit und einem wohldotierten Preis geehrt hat, welche Besuchergruppen er in der »Botschaft« empfangen und welches Programm er für sie organisiert hat. Eine wichtige Funktion übt er auch als Ansprechpartner für wohlmeinende Tschechen aus, die im Grenzgebiet irgendwelche Dachbodenfunde gemacht haben und das Gefundene den früheren Besitzern des Hauses oder deren Nachfahren zukommen lassen wollen. Wenn sich solche Menschen in gutem Glauben an das Prager SL-Büro wenden, wird ihre Geschichte ausgeschlachtet, und sie selbst werden als Kronzeugen des »Unrechts der Vertreibung« präsentiert. Aber Bartons Wirken hat auch Folgen, die seinen Auftraggebern gar nicht schmecken. Gift und Galle spucken sie zum Beispiel über die in der tschechischen Bevölkerung wieder zunehmende Ablehnung des SL-Verlangens nach Aufhebung der Beneš-Dekrete und über die Aufstellung neuer Beneš-Statuen.
Erschienen in Ossietzky 2/2010 |
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