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Terror im Jemen

Interview vom Juni 2009 mit Fami Al Qadi, Mitglied der jemenitischen Opposition im Exil

Dieses Interview vom Juni 2009 veröffentlichten wir auf Bitte von Fami Al Quadi damals nicht, weil sein Vater, Hussein Al Quadi, im Spätsommer 2009 vom Geheimdienst des Jemens verhaftet worden war. Am 4. November 2009, ermordete der Geheimdienst, laut Fami Al Quadi, Hussein Al Quadi. Damit ist der Grund für die Zurückhaltung entfallen.

Utz Anhalt: Wer ist dieser ehemalige Präsident des Jemen. vor dem ihr vor 30 Jahren nach Deutschland geflohen seid, und der sich vor wenigen Wochen in einem Hotel in Bayern einquartiert hat?

Fami Al Qadi: Ali Salem Al Beidh war seit der Revolution Verteidigungsminister, seit dem 06.11.1967. Er stand unter dem Schutz der DDR und der Sowjetunion. Egal, welche Regierung dran war, er war immer dabei, bis 1994. Er hat die Vereinigung gemacht und 1991 den Jemen an Saudi-Arabien verkauft. Nach 1994 hat er Asyl im Oman beantragt, weil ihn der damalige und jetzige Präsident Jemens A.A. Saleh der Todesstrafe ausgesetzt hatte. Dort lebte er bis 2009 im Luxus. Der Sultan von Oman, Kabus, bürgerte ihn ein. Jetzt kommt er nach Deutschland. Al Beidh ist ein Massenmörder, er muss vor den Europäischen Gerichtshof. 1986 war er verantwortlich für Massaker an 40.000, 1994 an 80.000 Menschen. Jemen verhungerte, er saugte das Land aus. Er plünderte die Kulturschätze und Museen Jemens und verschacherte sie privat. Ich, Fami Al Qadi, klage ihn an, mich im Alter von zehn Jahren, 1969, in seiner Funktion als Innenminister, meine Mutter, meine Schwestern und meine Brüder ins Gefängnis geworfen zu haben. Zwanzig Bewaffnete mit vorgehaltenen Kalaschnikows führten uns ab, als wir den letzten Checkpoint im Südjemen auf dem Weg nach Nordjemen passieren wollten und brachten uns auf Al-Beidhs Geheiß in den Geheimdienstknast in Lahj. 1977 wurden der deutsche Konsul im Jemen und seine Frau ermordet. Der Mörder, Abdullah Barrakat, damals Chef der National Guard, läuft heute frei in Sanaa-Stadt herum und unterstützt Al Qaida – die deutsche Regierung spricht bis heute nicht darüber und stellt keine Fragen, die jemenitische Regierung tut bis heute so, als wäre der Mord nur ein Unfall gewesen. Ich frage mich, warum Deutschland kein Interesse an der Aufklärung zeigt. Der Fall gilt bis heute als unaufgeklärt, im Jemen ist aber bekannt, dass Barrakat der Täter ist. Während sich Al Beidh heute in einem Luxushotel in Bayern einquartiert, warten hunderte politisch Verfolgte aus dem Jemen seit fünf Jahren in Deutschland auf ihre Asylverfahren in Kassel. Ich habe die Beweise dazu. Noch etwas: Al-Beidh hat dem Südjemen 44 Milliarden US-Dollar Schulden hinterlassen, und zwar von Waffenkäufen aus der Sowjetunion. Diese Waffen gibt es nicht im Jemen, sie sind natürlich kontinuierlich weitergeliefert worden – nach Somalia und in den Sudan, um die Kriege dort voranzutreiben.
Er konnte natürlich nicht in bar bezahlen, sondern bezahlt mit Fisch aus dem Golf von Aden, der den Menschen im Jemen jetzt auf Jahrzehnte fehlt. Den Jemeniten ist privater Fischfang bei Höchststrafen verboten.

Utz Anhalt: Was war der Grund dafür, dass er eure Familie verfolgte?

Fami Al Qadi: Wir waren Demokraten und mein Vater, Hussein al-Qadi, einer der führenden Oppositionspolitiker der FLOSY, die bis heute aktiv ist.

Utz Anhalt: Wie sieht das mit dem heutigen Präsidenten aus?

Fami Al Qadi: Der jetzige Präsident heißt Ali Abdullah Saleh al- Afesh. Er unterstützt Al Qaida, mit ihm regiert Al Qaida im Jemen. Dafür bekam Saleh dann ca. 300 Millionen Euro deutsche Entwicklungshilfe pro Jahr von der damaligen SPD-Bundesregierung unter Schröder. Ich bitte die deutsche Regierung im Namen der jemenitischen Exil-Opposition, keine finanzielle Entwicklungshilfe an den Jemen zu leisten. Seit wie vielen Jahren zahlt Deutschland Entwicklungshilfe? Geht es den Menschen dort besser? Alles schluckt die Korruption und deutsche und jemitische Politiker profitieren davon, während Kinder aus Not betteln und arbeiten müssen. Saleh ist ein Mörder und Diktator wie Al Beidh, er verkauft Frauen und Kinder. Schröder, Schily und Möllemann führten freundschaftliche Beziehungen zu ihm, Möllemann war der Kugelschreiber für Saudi-Arabien. Schily verkaufte alles Mögliche an Saleh, Überwachungskameras, Sicherheitstechnik, alles, was eine Diktatur braucht, er ist verantwortlich für Al Qaida. Ex-Kanzler Schröder schüttelte dem Schlächter bei der Expo 2000 in Hannover die Hand. Ehemalige Stasi-Leute hängen als Ausbilder im Geheimdienst des Jemens drin. Jemen hat heute eines der ärmsten Völker der Welt, 80% der Menschen leben mit weniger als einem Dollar pro Tag. Die Luft zum Atmen gehört der Militärdiktatur. Saleh ließ den Präsidenten Ibrahim Al Hamdi ermorden. Er verkauft die Vögel im Himmel, die Fische im Wasser und die Erde, er arbeitet mit den Piraten im Golf von Aden und mit Al Qaida zusammen. Er kassiert für jedes Schiff, das durch den Golf von Aden fährt, persönlich. Wenn du zu seiner Familie gehörst, lebst du mehr als im Luxus und das Volk verblutet.

Utz Anhalt: Die Bundeswehr kämpft in Afghanistan gegen Al Qaida und die Bundesregierung unterstützt gleichzeitig ein Regime, das mit Al Qaida zusammenarbeitet?

Fami Al Qadi: Bin Laden kriegt Schutz vom Geheimdienst des Jemen, dem von Pakistan und aus Saudi-Arabien. Saudi-Arabien hat Al Qaida in Saudi-Arabien gegründet; Al Qaida hat eine Zentrale in Sanaa-Stadt unter persönlicher Fürsorge von Saleh. Bin Laden hielt sich mehrmals in Sanaa auf. Al Qaida hat die Geiseln entführt und ermordet und Saleh weiß, wer die Geiselnehmer sind und wo sie sich aufhalten. Er braucht die Geiselnahmen, um mehr Entwicklungshilfe aus Deutschland zu erpressen. Saleh hat Kinder aus dem Jemen wie Ratten eingesammelt und nach Afghanistan geliefert, damit sie dort Selbstmordanschläge verüben. Der Präsident ist persönlich für die Morde an den Geiseln verantwortlich. Bin Laden gilt in Sanaa als eine Art Rambo von Arabien und ist sehr beliebt.

Utz Anhalt: Saleh macht die schiitischen Huti-Rebellen für die Geiselnahmen verantwortlich.

Fami Al Qadi: Die haben damit nicht das geringste zu tun. Das sind keine Dschihadisten, Islamisten oder Terroristen. sondern Menschen, die ihre Freiheit verteidigen. Saleh herrscht nur über Sanaa-Stadt. Er bekommt die Rebellen in den Bergen nicht unter Kontrolle. Jetzt versucht er, den Westen gegen die Rebellen aufzuhetzen und zugleich von seiner Schuld für die Geiselnahmen abzulenken.

Utz Anhalt: Du sagst, Al Qaida wurde von Saudi-Arabien gegründet und Saleh ist der Lakai Saudi-Arabiens. Wie kommt es dann, dass Saudi-Arabien Verbündeter der USA im Afghanistankrieg war?

Fami Al Qadi: Der Kampf zwischen Bush und Bin Laden war ein Kampf um Familiengeld. Ussama Bin Ladens Familie hat sich mit ihm aus Familiengründen zerstritten, nicht wegen Al Qaida und dem Terrorismus. Der Jemen und die Saudis finanzieren den Dschihad im Irak, in Afghanistan, sie finanzieren Al Quaida und die Terroranschläge.Zugleich lassen sie sich vom Westen das Öl bezahlen, bzw. Entwicklungshilfe geben.

Utz Anhalt: Das heißt, deutsche Entwicklungshilfe finanziert mit Saleh einen Despoten, der die Entführung und Ermordung von deutschen Staatsbürgern zu verantworten hat?

Fami Al Qadi: So ist es.

Utz Anhalt: Wie sieht es mit der Verfolgung von Oppositionellen in Europa durch Saleh aus?

Fami Al Qadi: Der jemenitische Geheimdienst ist hier in Deutschland seit vielen Jahren hinter mir und meiner Familie her. Ein Geheimdienstagent hatte in Deutschland Asyl beantragt, hier fünf Jahre lang jemenitische Asylbewerber bespitzelt und wurde dann nach Dubai abgeschoben, mit Diplomatenpass. Solche Gewaltleute kriegen immer ihre Papiere. Die Mitarbeiter der jemenitischen Botschaft sind vor allem damit beschäftigt, Informationen über in Deutschland lebende Dissidenten zu bekommen. Die politisch Verfolgten aus dem Jemen stellt man hier hingegen unter Terrorverdacht. Dabei sind wir Demokraten, Al Qadi, nicht Al Qaida. Nach dem 11.9. 2001 haben in Deutschland lebende Oppositionelle wegen der Terrorangst ihrer Arbeitgeber ihre Jobs verloren. Wir sind hier Gäste. Wenn der Schlächter abtritt, gehen wir sofort zurück in unser Land. Das gilt auch für die Asylbewerber in Kassel und ganz Europa. Kurz: Europa könnte sehr leicht eine Anzahl Asylbewerber loswerden, wenn die Militärdiktatur im Jemen abgesetzt und durch eine demokratische Regierung ersetzt würde. Aber leider unterstützen Europa, Amerika, Saudi- Arabien diese Militärdiktatur. Und heute pflegt Angela Merkel die freundschaftlichsten Beziehungen zu Saleh. Auf den Internetseiten der Bundesregierung ist das sehr schön nachzulesen (Pressekonferenz Februar 2008, Salehs Besuch in Deutschland. Wir werden aber nicht nur vom jemenitischen Geheimdienst verfolgt und bedroht, sondern auch vom saudischen Geheimdienst: Drohanrufe, Verfolgung und Photoaufnahmen von uns sind einige der Mittel.

Utz Anhalt: Saleh stellt sich als eine Art jemenitischen Helmut Kohl dar, als den Präsidenten der Vereinigung zwischen Nord- und Südjemen.

Fami Al Qadi: Wir wollen die Vereinigung, aber ohne ihn. Schon 1980 sind die Al Qadis im Gefängnis brutal zusammengeschlagen worden, weil sie die Vereinigung wollten. Wir waren mit 300 Oppositionellen in einer großen Zelle mit feuchtem, kalten Zementboden, als Nahrung 1 Kg Reis mit Sand vermischt für alle 300, Schläge durch kubanische Aufseher, die unsere Sprache nicht verstanden, und Folter.

Utz Anhalt: Was soll mit Saleh passieren?

Fami Al Qadi: Ich, Fami Al Qadi, sage, "wenn Ali Abdullah Saleh, Ali Salem Al Beidh und der Mörder des deutschen Konsuls, Abdullah Barrakat, im demokratischen Europa vor Gericht stehen, glaube ich an Demokratie und gehe ich sofort in meine Heimat zurück."

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sopos 1/2010