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Der notwendige Krieg gegen Terroristen im Gazastreifen hatte doch der Selbstverteidigung gedient, ausgeführt von der moralischsten Armee dieser Erde: ein gerechter Krieg, wenn es eine solche Kategorie überhaupt noch gab. Ähnlich hatten es die NATO bei ihrem Überfall auf Jugoslawien und George W. Bush bei seinem Überfall auf Irak gesehen. Nur der Hinweis auf die moralische Unantastbarkeit ihrer Armeen fehlte damals. Hier soll es nicht darum gehen, den Nachweis dieser Moralität zu führen oder zu widerlegen. Beschränken wir uns auf die Frage, wie der in der Philosophie und Theologie beheimatete Begriff der Moral so unvermittelt in den politischen und militärischen Sprachgebrauch gekommen ist. Denn bisher galt eher eine einverständliche Unverträglichkeit zwischen Moral und Politik, die nun plötzlich durch das Militär aufgehoben sein soll. Der Vorgang ist einfach zu klären. Je brüchiger, zweifelhafter und antastbarer die juristische Rechtfertigung einer Tat ist, desto höher ist ihr Bedarf an allgemeiner philosophischer und vielleicht sogar theologischer Legitimation. Die Alternative, sich an das Recht zu halten und die Tat zu unterlassen oder sie anderweitig zu rechtfertigen, ist in den Kriegen der letzten zehn Jahre immer zu Lasten des Rechts ausgegangen. Man hat weder Fälschungen und Lügen noch Irreführungen oder Verleumdungen gescheut, um dem offensichtlichen Verbrechen einen Mantel der Rechtfertigung umzuhängen, unter dem das juristisch nicht mehr verantwortbare Handeln fortgeführt werden konnte. Dies ist die Aufgabe von Intellektuellen, deren Käuflichkeit ebenso wichtig ist wie ihre Geschicklichkeit, den Entscheidungen der Politiker und ihrer Ausführung durch das Militär eine metajuristische Begründung zu liefern, die vom Volk akzeptiert wird. Ethiker unter sichWenn sich ein Bischof politisch äußert, insbesondere militärpolitisch, und der regierenden Politik Beistand von oben verschafft, ist das »Verantwortungsethik«, christliche. Verantwortlich verhielt sich der bisherige EKD-Vorsitzende, Bischof Huber, als er mehr gesellschaftliche Unterstützung für die in Afghanistan eingesetzten Bundeswehrsoldaten einforderte. Nun hat die neue EKD-Vorsitzende, Bischöfin Käßmann, in einigen Predigten Bedenken gegen das deutsche »kriegsähnliche« Engagement am Hindukusch erhoben. Dieser Waffeneinsatz sei offensichtlich nicht friedenschaffend. Das ist, so empörten sich christdemokratische und sozialdemokratische Politiker, auch sie Christen, unverantwortliche »Gesinnungsethik«. Philipp Mißfelder, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, zeigte sich feministisch hocherschreckt: »Die Bischöfin hat sich auf eine Stufe mit Oskar Lafontaine gestellt. Wer soll die Rechte afghanischer Frauen schützen, wenn die NATO abzieht?« Der SPD-Außenpolitiker Hans-Ulrich Klose kam in der Welt am Sonntag gleich zweimal zu Wort mit seinem Vorwurf, Bischöfin Käßmann habe sich in Gegensatz zur Mehrheit des Deutschen Bundestages gebracht – denn das darf sie nicht, schon gar nicht, wenn sie damit die Meinung der großen Mehrheit der Bevölkerung ausspricht. Der grüne Politiker Ralf Fücks, Vorsitzender der Böll-Stiftung und, wie er schreibt, »immer noch Mitglied der evangelischen Kirche«, stimmte mit einem Offenen Brief in der WamS in die Empörung ein und wiederholte das grüne Standard-Argument, Bundeswehreinsätze out of area seien als »Lektion aus der deutschen Geschichte« zu verstehen. So hätte alles seine diskurspolitische Ordnung, wenn WamS-Redakteur Alan Posener, ebenfalls über Bischöfin Käßmann erzürnt, es sich versagt hätte, in seinem Beitrag einen historischen Sachverhalt zu erwähnen: Die bösen afghanischen Fundamentalisten wurden seinerzeit mit US-Waffen hochgepäppelt, um »zum Sturz des Kommunismus beizutragen«, also die UdSSR dem Zerfall näherzubringen. Solch ein profanes machtpolitisches Kalkül hätte er nicht ansprechen dürfen, wo von Verantwortungsethik die Rede ist. Peter Söhren In Israel hat diese Aufgabe Asa Kasher, Professor für Ethik und praktische Philosophie an der Universität Tel Aviv und Berater der israelischen Armee, übernommen. Er ist spätestens seit 2005, als er mit Generalmajor Amos Yadlin in einer US-amerikanischen Zeitschrift den Aufsatz »Gezielte und präventive Tötung« veröffentlichte, verantwortlich für den »code of conduct«, das heißt die innere und äußere Führung der israelischen Armee. Auf ihn ist es im Wesentlichen zurückzuführen, daß sich in der israelischen politischen und militärischen Führung ein Gerechtigkeitsgefühl verbreitet hat, welches mehr mit Selbstgerechtigkeit als mit Recht zu tun hat. Gegenüber dem Vorwurf der Kriegsverbrechen wird er nicht müde zu versichern: »Wir sind die moralischste Armee der Welt, und keine ist besser als wir.« Seine Ethik versichert den Israelis: »Wenn wir zwischen einem Nachbarn und einem Soldaten unserer Armee zu wählen haben, erhält der Soldat den Vorzug.« Und: »Das Leben unserer Soldaten ist für mich von größerem Interesse als das Wohl und Wehe der Palästinenser.« Kasher kennt keine Rechtfertigung dafür, das Leben eines Soldaten zu gefährden, nur um das Leben von Zivilisten zu schonen, die in der Nähe von Terroristen leben. Dies war das zentrale Thema seines Aufsatzes mit Amos Yadlin: Hat die Kriegsführung zwischen Kombattanten, Terroristen und Zivilisten zu unterscheiden? Ihre Antwort: »Ein Kombattant ist ein Bürger in Uniform. In Israel ist er sehr oft ein Wehrpflichtiger oder ein Reservist. Sein Staat sollte zwingende Gründe haben, sein Leben zu gefährden. Die Tatsache, daß Terroristen als Nicht-Kombattanten bezeichnet werden und daß sie in der Nachbarschaft von Personen leben und agieren, die nichts mit dem Terror zu tun haben, ist kein Grund, das Leben der Kombattanten bei der Verfolgung der Terroristen zu gefährden … Die Terroristen tragen die Verantwortung für ihren Zusammenstoß mit den Kombattanten und haben deswegen die Konsequenzen zu tragen … Wo der Staat keine effektive Kontrolle über die Nachbarschaft hat, trägt er keine Verantwortung dafür, daß Terroristen in der Nachbarschaft von Personen operieren, die keine Terroristen sind.« Kasher und Yadlin sehen in dem Krieg gegen Terroristen – und das sind für sie allemal Mitglieder der Hisbollah und Hamas – einen gerechten Krieg, in dem die Sicherheit ihrer Soldaten mehr zählt als die der Zivilisten auf der Gegenseite. Abgesehen davon, daß die Figur des »gerechten Krieges« schon lange keine juristische Kategorie mehr ist und typischerweise immer im Diskurs expansiver imperialer Kriegsführung herangezogen wurde, um Angriffskriege zu rechtfertigen, bedeutet die »Freigabe« der Zivilisten einen gefährlichen Angriff auf ein zentrales Prinzip des humanitären Völkerrechts der Haager und Genfer Konventionen. Dort hat der Schutz der Zivilisten im Krieg absoluten Vorrang und begründet die strikte Unterscheidung zwischen Kombattanten und Nicht-Kombattanten. Wenn Kasher und Yadlin jedoch den Zivilisten in der Nähe von Mitgliedern der Hamas, die gegen den Angriff der israelischen Armee kämpfen, den Schutz versagen, benutzen sie den juristisch nirgends definierten Begriff des »Terroristen«, um eine wesentliche Unterscheidung des Kriegsvölkerrechts zu verwischen. Aber nicht nur das. Avishai Margalit und Michael Walzer haben in ihrer Kritik der Position von Kasher und Yadlin zur Recht geltend gemacht (The New York Review of Books, 14. Mai 2009), daß gleichgültig, welche Kriegsverbrechen der Feind begeht, das Kriegsvölkerrecht dennoch von der anderen Seite die unbedingte Einhaltung seiner Regeln verlangt. Im konkreten Fall befreit der völkerrechtswidrige Raketenbeschuß der Stadt Sderot durch Hamas die israelische Armee nicht davon, alle Regeln des Kriegsvölkerrechts einschließlich des unbedingten Schutzes der Zivilisten strikt zu befolgen. Denn Ziel der Haager und Genfer Regeln ist die Regulierung der Kriegsführung, die Begrenzung der eingesetzten Mittel und Instrumente und der Schutz vor exzessiver Gewaltanwendung. Vergeblich, mag man einwenden. Doch kein derartiger Einwand beseitigt diese Regeln, ohne die zum Beispiel der Goldstone-Bericht der Vereinten Nationen über den Krieg im Gazastreifen gar nicht möglich gewesen wäre und niemand eine Anklage wegen Kriegsverbrechen zu befürchten hätte. Die »Ethik« des Professor Kasher ist in der Tat die Ethik der israelischen Armee und der politischen Führung Israels geworden. Auch einige Rabbiner haben sich ihm ideologisch angeschlossen und stärken der Armee den Rücken. Sie denunzieren den Goldstone-Bericht nicht nur als »einseitig und antisemitische Propaganda«, sondern halten auch den Einsatz von weißem Phosphor für eine »legitime Waffe«. Kasher beruft sich auf die Auskunft eines israelischen Soldaten, neben dem Phosphor niedergegangen sei, ohne daß ihm etwas geschehen sei. Auch die Bombardierung von Krankenhäusern sei nicht zu beanstanden, da sich in ihren Kellern Terroristen versteckt hätten. Den Tod von 200 Kindern rechtfertigt Kasher mit ihrem »nach rechtlichen Maßstäben schon erwachsenen Alter – 15 bis 18 Jahre – und ihrer aktiven Beteiligung am Krieg«. Gideon Levy weiß in der israelischen Zeitung Haaretz zu berichten (»It’s all kosher for Kasher«, 4. Oktober 2009), daß der Ethik-Professor nicht immer ein derartiger Zyniker und Weißwäscher gewesen ist. Er war einer der Gründer der Organisation der Kriegsdienstverweigerer Yesh Gvul und kritisierte während des ersten Libanon-Feldzugs den israelischen Ministerpräsidenten heftig wegen der Behandlung unschuldiger Zivilisten als Gefangene in einem Krieg, den er begonnen habe. Der Krieg in Gaza war nicht weniger grausam als der im Libanon. Auch Levy kann die radikale Umkehr Asa Kashers vom Kritiker zum philosophischen Lakaien der Armee nicht erklären. »Dies ist der Mann, der unsere Moralität symbolisiert, und so verhalten wir uns. Warum sollten wir uns über Verteidigungsminister Ehud Barak beklagen? Warum sollten wir den Stabschef Gabi Ashkenasi verdammen? … wenn über ihnen dieser giftige Geist schwebt, der direkt aus den Hallen des Humanismus, der Philosophie und der Ethik kommt und durch bloße Worte eine Rechtfertigung für diesen grauenvollen Abgrund liefert.« Eines Tages werden ihn die Historiker ganz oben auf die Liste der Kriegsverbrecher setzen, meint Levy. Die Gerichte sollten sich schon vorher mit seinem Beitrag zu den Kriegsverbrechen beschäftigen.
Erschienen in Ossietzky 1/2010 |
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