Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Tucholsky in RheinsbergKurt Pätzold Irgendwie kam er sich in diesen Räumlichkeiten, den Zimmern eines einstigen preußischen Schlosses, doch fremd vor, selbst nachdem so viele Jahre vergangen waren, seit ein Blaublütiger aus der Familie der Hohenzollern hier Hausherr gewesen war. Was hatte seine Hinterlassenschaft hier eigentlich zu suchen? Der Schreibtisch, das praktische Drehkreuz für die Bücher, jetzt angefüllt mit der bis zum letzten, dem 22. Band geratenen Ausgabe seiner Werke. Dazu allerlei unbedeutende Gegenstände, die ihm einst diesen oder jenen Dienst erwiesen hatten. Und dann sein Leben an Wänden, in Vitrinen und Schubkästen: Fotografien, Papiere, entstanden aus verschiedensten Anlässen, Zeittafeln mit Daten seines Lebensweges, aufführend Ereignisse und Vorkommnisse. Eine Tafel: Er und die Frauen. Gut, die war nicht entbehrlich. Erstausgaben seiner Bücher und andere bemerkenswerte Drucke. An den Wänden Kopfhörer, mit denen sich Lieder hören ließen, deren Texte von ihm stammten, und ein Sehgerät, auf dem Bilder aus der Verfilmung jener Geschichte von den beiden Verliebten liefen, die für ein paar Stunden und eine einzige Nacht hierher gereist waren, nicht des Schlosses wegen. Lästig war, die vielen Texte stehend zu lesen, zumal sich in der Enge der Zimmer Besucher zu drängen begannen. Er setzte sich auf den Stuhl, der neben dem Tischchen mit dem lieblosen Ordner stand, der das Besucherbuch ersetzte. War er das eigentlich? Ein Leben wie das Seine in einem großen und einem kleinen Zimmer und einem fensterlosen Kabuff. Er griff zu den Seiten neben ihm. Die Eintragungen verdummter Schüler, deren Wortschatz sich zwischen »cool« und »super« bewegte, ließen sich überlesen. Darin hatte er Übung. Was aber meinten die sich wiederholenden Forderungen, dieses und jenes, was er geschrieben hatte, müsse der Regierung nach Berlin geschickt werden? Die solle das dann lesen. In einem Satz war ihr auch angeraten worden, wie sie seinen Text sich zu übersetzen hätte. Da stand »Raus aus Afghanistan!« Merkwürdige Leute. Auf den Verstand von Regierenden hatte er zu seiner Zeit nie gesetzt. Bedingt auf den der Massen, dem es aufzuhelfen galt. Und auf deren Willen zur Tat. Also ganz hatten die Leute, die ihn auf diesen Seiten lobten, nicht verstanden. Und kräftige Hilfestellung wurde ihnen an diesem Orte auch nicht. Gewiß, das Weglassen wäre ihm auch nicht erspart geblieben, hätte er – Gott behüte – hier selber den Einrichter geben müssen. Dennoch: Irgendwie kam er sich, wie er da saß, amputiert vor. Kein Wort von den Hoffnungen, die ihm mit der Niederlage der Novemberrevolution zerschlagen worden waren, und von seinen Versuchen zu sorgen, daß deren »Melodie« bewahrt würde. Kein Zeugnis seiner leidenschaftlichen Anklagen gegen das Massenelend, namentlich das der Arbeiterfrauen und -kinder, denen er zugerufen hatte, sich den Kämpfenden zuzugesellen. Und auf der Herreise war ihm beiläufig gesagt worden, daß auch und gerade hier in Rheinsberg die Braunen nicht ausgestorben seien, gegen deren Vorfahren er angeschrieben zu haben sich erinnerte. Doch hier war das kein Thema. Gestört hatte er ja immer irgendjemanden. Wen aber diesmal? Jetzt würde er erst einmal sehen, ob es im Tucholsky-Café einen französischen Tropfen gäbe, am besten den von ihm bevorzugten Burgunder. Vielleicht träfe er dort einen Einheimischen, der ihm seine Frage beantworten könnte.
Erschienen in Ossietzky 24/2009 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |