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Ist das schön. Oder Angst einflößend? Oder beides? Eine trauernde Maria sitzt da ohne Arme und ohne ihren Sohn. Dicke blutrote Tränen auf ihrem Gesicht. Ein Christus von einer anderen Pietá ist ihr gegenüber aufgestellt. Viel Blut fließt. Auch ihm fehlen die Arme, aber er trägt ein edelsteinbesetztes Lendentuch. Zwei Gekreuzigte aus Holz. Einer vom Anfang des 12. Jahrhunderts wirkt so, als wäre er lebendig. Die Augen geöffnet, keine Dornenkrone, kein Blut. Gar keine Farbe. Die Arme seitwärts ausgestreckt – will er fliegen? Er ist das älteste Stück der Ausstellung und wirkt am modernsten in seiner Einfachheit. Der andere Christus aus dem 14. Jahrhundert: blutüberströmt, ein Gemarterter. Alles plastisch und drastisch herausgearbeitet, entstanden unter dem Einfluß der Kreuzzüge. Schön und sanft: Christus, Johannes an seiner Schulter, schlafend. Eine Holzskulptur. Die Hände, die einst zärtlich ineinander verschlungen waren, sind abgebrochen. Die Geste war schon in der Antike ein Symbol für den Ehestand. Die Hochzeit mit dem himmlischen Bräutigam – diese Gruppe wurde meistens in Frauenklöstern aufgestellt. Die 1,98 Meter hohe Schutzmantel-Madonna aus Sandstein stand im Turm des Münsters. Viele kleine Menschlein verkriechen sich unter ihrem langen Umhang, klettern den Rock hinauf bis zu den Armen. Mit ihrer Krone und den langen Haarflechten ist sie nun ganz nah zu betrachten. Schön, bis auf die abgeschlagene Nase. Nicht Menschlein, sondern viele nackte Engelchen klettern an Christus hoch, umklammern seine Arme und Beine, heulen Rotz und Wasser. Er sitzt da, schon ein Gestorbener, Blut fließt aus den Nagelwunden. Ein Bild von Hans Baldung Grien aus dem Jahr 1513: »Schmerzensmann, von Maria und Engeln beweint«. Maria mit rot umrandeten Augen ringt die Hände. Aus dem Himmel, aus Wolken wie Därme, purzeln immer mehr kleine Engel mit Gesten komischer Verzweiflung. Das letzte Bild der Ausstellung, auch von Grien, ist ein Fragment: »Amor mit brennendem Pfeil«. Dieser Amor, ein Baby fast noch, mit dicklichen Armen, hat einer Dame den Pelz gestohlen. Von der Dame ist nur ein Ohr zu sehen und etwas Haar. Über den Kopf schwingt er seinen Pfeil, der lodert. Wunderschöne zarte blaue Flügelfedern vor schwarzem Himmel – aber der Blick! Dieses kleine Wesen mit bösem Mund sieht den Betrachter aus halb zugekniffenen Augen verschlagen und wissend direkt an. Ein Blick, der aus dem Mittelalter hinaus in die Neuzeit führt. (Der Katalog mit 254 Seiten kostet 24,80 €) * Wie die Menschen des ausgehenden Mittelalters das Ende der Welt nahe glaubten, belegt durch Himmelszeichen und Wunder, so sah ein Künstler Anfang des 20. Jahrhunderts in seinen »Apokalyptischen Landschaften« die Grausamkeiten und Schrecken des Ersten Weltkriegs voraus. Der expressionistische Dichter, Maler und Zeichner Ludwig Meidner ließ schon 1912 die Welt aus den Fugen geraten. Im Hamburger Ernst-Barlach-Haus sind diese visionären Bilder unter dem Titel »Unter unerforschlichen Meteoren« ausgestellt, zudem Portraits seiner Dichter- und Malerfreunde, konfrontiert mit Werken von Ernst Barlach. Gemeinsamkeiten – nicht auf den ersten Blick zu erkennen – gibt es in der Auflehnung gegen den Krieg (bei Barlach erst später) und der Hinwendung zu den Unterdrückten, Geächteten. Barlach hüllt alles in einen metaphysischen Mantel, in einen Allzusammenhang. Beide Künstler schrieben auch expressionistische Texte (Beispiele im Katalog). Beide wurden von den Nazis geächtet, ihre Werke in der Schandausstellung »Entartete Kunst« gezeigt. Barlach starb 1938, Meidner mußte 1939 nach England emigrieren. 1953 kehrte er nach Deutschland zurück – auch der deutschen Sprache und des Bieres wegen, schrieb er. Er bekam Portraitaufträge, auch für Theodor Heuss. Auf seine alten Tage wurde ihm das Bundesverdienstkreuz verliehen, und er bekannte: »Obschon ich immer sozialdemokratisch gewählt habe, wähle ich diesmal Adenauer, denn er ist ein Staatsmann.« Zu seinen Freunden hatten früher der Maler Konrad Felixmüller (auf einem großen Gemälde von 1915 düster-nachdenklich) und der Dichter Johannes R. Becher gehört (die Augen hell, das Gesicht kantig auf dem Bild von 1916). Und die expressionistischen Dichter Jakob van Hoddis, der das berühmte Gedicht »Weltende« schrieb und in einer Anstalt von den Nazis getötet wurde, und Ernst Wilhelm Lotz, dessen Tod gleich am Anfang des Krieges 1914 Meidner tief erschüttert hatte. Beide Zeichnungen von 1913 sind wie ins Papier gekerbt. Barlachs Portraits von Bauern, 1906 in Rußland gezeichnet, wirken merkwürdig starr und verdrossen. Seine »Russische Bettlerin«, ein kleiner Bronzeguß von 1907, drückt ihr verschämtes Am-Boden-Kauern und das Gesichtverhüllen so aus, daß es berührt. Meidners Bettler (von 1916) sitzt da, präsentiert sein Gesicht und seine Armut öffentlich als »Pathetiker« – ein anderer Titel des Blattes. Kriegsende, 1919: Barlach schafft einen riesenhaften Moses aus Eichenholz, der die Gesetzestafeln zeigt, sie sind leer, ohne Schrift. Meidner beschäftigt sich gleichzeitig mit dem Apostel Paulus. Auf zwei Blättern in Gouache-Technik und Aquarell. Mit einem Lichtflämmchen auf dem Kopf läuft Paulus barfuß über die Erdkugel, die Hand am Kopf, die Augen fanatisch glühend – ein Verzückter. Auf dem Aquarell »Die Pauluspredigt« lauschen ihm hingerissen die Menschen, er wirkt wie ein Demagoge, unheimlich, mit zwingendem Blick. Oder nur ein phantastischer Schauspieler? (Der Katalog mit 176 Seiten kostet 25 €)
Erschienen in Ossietzky 24/2009 |
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