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Nach einem noch nicht in Kraft getretenen »Rückübernahmeabkommen« mit dem Kosovo kann Deutschland pro Jahr bis zu 2.500 aus dem Kosovo stammende Flüchtlinge zurückschicken. Die frühere UN-Verwaltung des Kosovo hatte aufgrund der perspektivlosen Lage im Land aus Sicherheitsgründen verhindert, daß geflüchtete Roma zurückgeführt wurden. Solche humanitären Bedenken drangen nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo nicht mehr durch. Im Gegenzug zur völkerrechtlichen Anerkennung der weiterhin unter EU-Kolonialverwaltung stehenden ehemaligen serbischen Teilrepublik erklärte sich die kosovarische Regierung zur Unterzeichnung des Abkommens bereit. Bereits in diesem Jahr stellte die Bundesregierung zwischen Januar und August rund 1600 Rückübernahmeersuchen, von denen die kosovarische Seite nur 27 ablehnte. Insgesamt sind nach Angaben der Bundesregierung 14.399 Personen aus dem Kosovo unmittelbar ausreisepflichtig. Etwa 83 Prozent davon seien Angehörige nichtalbanischer Minderheiten, darunter 9842 Roma sowie Ashkali, Kosovo-Ägypter und Serben. Das Rückübernahmeabkommen sieht keine spezifische Regelung für Minderheitenangehörige vor, auf ein »angemessenes Verhältnis der verschiedenen Ethnien« werde aber geachtet, so die Bundesregierung. Demnach kann sie jährlich für etwa 1.700 Roma ein Rückübernahmeersuchen stellen. Bei rund 10.000 unmittelbar ausreisepflichtigen Roma und weiteren zwischen 3.200 und 6.400 geduldeten sowie rund 1000 mit einer Aufenthaltsgenehmigung auf Probe in Deutschland lebenden Roma hieße das, daß sich die Abschiebungen auf rund sieben Jahre verteilen würden. Doch je länger der Abschiebeprozeß dauert, desto verwurzelter und integrierter sind die Betroffenen in Deutschland. So beherrschen in Deutschland aufgewachsene Roma-Kinder im Regelfall nicht einmal die albanische Sprache, Deutsch ist ihre Muttersprache. In kosovarischen Schulen würden diese Kinder als Roma schon aufgrund ihrer fehlenden Sprachkenntnisse nicht akzeptiert werden. Entgegen der Darstellung der Bundesregierung seien Roma nach wie vor täglicher Gewalt ausgesetzt, warnt der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose. Tatsächlich besteht die Gefahr, daß Roma als traditionelle Sündenböcke für die wachsende Frustration vieler Kosovaren über die allgemeine soziale Misere und die Entmündigung durch eine korrupte EU-Kolonialverwaltung erneuten Übergriffen und Pogromen ausgesetzt wären. Es stehe »außer Zweifel, daß die beabsichtigte Abschiebung von Tausenden von Roma in das Kosovo zu neuen scharfen Spannungen zwischen den Minderheiten und den Kosovo-Albanern führen kann, die die Sicherheit der betroffenen Familien extrem gefährden werden«, so der Zentralrat. Weder die Verfassung des unabhängigen Kosovo noch die neue Gesetzgebung schützen die nicht-albanischen Minderheiten wirksam. Die proportionale Beteiligung von Minderheiten im öffentlichen Dienst wurde abgeschafft. Unter den wenigen noch im Kosovo lebenden Roma liegt die Erwerbslosenquote bei fast 100 Prozent. Trotzdem bestreitet die Bundesregierung, daß den Abgeschobenen dort ein Leben in absoluter Armut und Verelendung droht. Nach der Unabhängigkeitserklärung Kosovos ist die Verantwortung für Rückkehrer auf die kosovarischen Behörden übergegangen. Diese, vor allem die Gemeinden, sind schon aus Mangel an Finanzen nicht in der Lage, auch nur für die elementarsten Bedürfnisse zu sorgen, zum Beispiel für Unterkünfte. Unmittelbar nach dem Krieg hatten albanische Milizen ganze Dörfer von Roma, Aschkali und Kosovo-Ägyptern zerstört, um eine Rückkehr der Vertriebenen zu verhindern. In den Städten haben Albaner die nichtzerstörten Häuser von Roma und anderen Minderheiten besetzt. Aufgrund des korrupten Rechtssystems haben die alten Eigentümer keine Möglichkeit, wieder an ihren Besitz zu gelangen. In der zwischen Albanern und Serben umkämpften Stadt Mitrovica im Norden des Kosovo hatten Albaner im Juni 1999 das Roma-Viertel angegriffen, geplündert und restlos niedergebrannt. Die 8000 Bewohner flohen. Viele wurden von den UN-Truppen in Lager unmittelbar neben den bleiversuchten Abraumhalden der stillgelegten Trepca-Minen umgesiedelt. Obwohl dies nur als Zwischenlösung gedacht war, dokumentierte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch im Februar 2009, daß weiterhin 670 Roma dort leben müssen. »Die hohe Bleibelastung führte eindeutig zu gesundheitlichen Schäden bei den Menschen in diesen Lagern«, so Wanda Troszczynska van Genderen, Balkanexpertin von Human Rights Watch. »Kinder sind besonders schwer betroffen, manche sind körperlich und geistig unterentwickelt.« Der Vorsitzende des Europäischen Roma-Forums in Straßburg, Rudko Kawczynski, nannte die deutsche Regierung wegen des Rückübernahmeabkommens »die romafeindlichste in Europa«. Nach der Ermordung einer halber Million Sinti und Roma unter dem Nazi-Faschismus und der deutschen Beteiligung am Jugoslawienkrieg ist die Weigerung der Bundesregierung, den hier lebenden Roma eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung und damit eine Zukunftsorientierung zu geben, geschichtsvergessen und unverantwortlich.
Erschienen in Ossietzky 23/2009 |
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