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Das ist zahlreichen Sponsoren zu verdanken, darunter solche Volksfreunden wie Vattenfall, GASAG und CocaCola. Schon bevor die Kunstmauer einstürzte, wanderten Himmelsboten, acht Engel mit bis zu vier Metern großen Flügeln, auf Gebäuden entlang des ehemaligen Grenzverlaufs, und auch auf Erden zeigte sich ein Engel, Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel. Nach Nicolas Sarkozy, Gordon Brown, Dimitri Medwedjew und Hillary Clinton sang sie das Hohelied der Freiheit. Der 9. November, so meinte sie, markiere »eine glückliche Stunde der deutschen und der europäischen Geschichte«. Nahezu beiläufig erwähnte sie auch den 9. November 1938 und bezeichnete ihn als das »dunkelste Kapitel deutscher Geschichte«. Ob sie damit die Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, besänftigen konnte, die gefordert hatte, die Reichspogromnacht nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, ist zu bezweifeln. Zu offenkundig lenkte das inflationäre Mauerfallgetöse von dem historischen Ereignis ab, das den Auftakt zum größten Verbrechen in der Menschheitsgeschichte bildete. Merkel ließ sich ihre Festtagslaune nicht verderben, und scherte sich nicht um die Warnung von Knoblochs Vorgänger Paul Spiegel: »Volksfeststimmung« tauge »nicht zum Gedenken an die Millionen von Toten des Nazi-Terrors«. Die vom Entertainer Thomas Gottschalk moderierte Open Air Show war der Höhepunkt des denkwürdigen »Gedenkjahres 2009«, das mit einer schier endlosen Reihe von Veranstaltungen, Symposien, Geschichtsmessen und -foren, Freiluft- und Wanderausstellungen, Theaterinszenierungen, Filmpremieren und vielem mehr begangen wurde. Die freiheitlichen Konzernmedien gaben ihr Letztes, nicht selten war es auch das Allerletzte, um den Mauerstaat zu verdammen und den Mauerfall zu würdigen. Auch das öffentlich-rechtliche, von CDU und SPD dominierte Fernsehen strahlte zahllose Dokumentationen, Spielfilme, Interviews, Talkshows zum Thema aus. Am Schluß war die Sendefolge so dicht, daß der Propagandafeldzug zum propagandistischen Dauertrommelfeuer wurde. Finsternis»Der 9. November ist seit zwanzig Jahren nicht mehr nur ein Datum der nationalen Schande, sondern auch ein Datum des nationalen Glücks«, erfahren wir aus einem Kommentar auf der Titelseite der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 10. November. Zum staatsoffiziellen »Tag der Deutschen« sei der historische Termin des »Sturms auf die Mauer« bisher nicht erklärt worden, weil das Datum »vielen Politikern und Intellektuellen zu hoch mit den dunklen Kapiteln der deutschen Geschichte belastet« erscheine; diese »Liste der Finsternis« reiche »von der Novemberrevolution nach dem Ersten Weltkrieg über den Hitler-Ludendorff-Putsch bis zur ›Reichskristallnacht‹ von 1938«. Autor des Kommentars ist nicht ein historisch halbgebildeter Zeitungsvolontär, sondern Berthold Kohler, Mitherausgeber der Zeitung. Daß der 9. November 1918 in eine »Liste der Finsternis« gehöre, weil die damalige Revolution nur eine halbe gewesen sei und die Reaktionäre heil davongekommen seien, wird Kohler ganz gewiß nicht sagen wollen. Wir dürfen ihn also so verstehen: Finster war’s, daß der Sozialdemokrat Scheidemann sich, um dem Kommunisten Liebknecht den Wind aus den Segeln zu nehmen, dahin treiben ließ, die Republik auszurufen. Der Wilhelminismus mit Kolonien, Dreiklassenwahlrecht, Patriarchat und all dem schönen Schnedderedeng verschwand. Eine nationale Schande. A. K. Einige Vortrommler konnten das eigentliche Mauerfalljubiläum gar nicht abwarten und veranstalteten lange vorher diverse Feierstunden. Eine fand am 31. Oktober, am Vorabend des Allerheiligenfestes, im Berliner Friedrichstadtpalast statt. Sie ist vielleicht nicht gerade deswegen bemerkenswert, weil Bundespräsident Köhler den drei Heiligen, den »Vätern der Einheit« Kohl, Bush sen. und Gorbatschow, Dank aussprach, auch nicht, weil Bush Kohl als »stabilen Fels« und »großen Staatsmann« würdigte und dieser bekannte, »nichts Besseres« zu haben, »als auf die deutsche Einheit stolz zu sein«, und dabei die »blühenden Landschaften« vergaß. Auch nicht, weil Gorbatschow dem gebrechlichen Freund Kohl wiederholt die Hand tätschelte, als einziger das Wort »DDR« in den Mund nahm, die »das Fenster nach Deutschland« gewesen sei, und tunlichst vermied, an seinen Besuch 1986 an der Mauer und seinen Eintrag in das Gästebuch zu erinnern: »Am Brandenburger Tor kann man sich anschaulich davon überzeugen, wieviel Kraft und wahrer Heldenmut der Schutz des ersten sozialistischen Staates auf deutschem Boden vor den Anschlägen des Klassenfeindes erfordert. Die Rechnung der Feinde des Sozialismus wird nicht aufgehen. Das Unterpfand dessen sind das unerschütterliche Bündnis zwischen der DDR und der UdSSR sowie das enge Zusammenwirken der Bruderländer im Rahmen des Warschauer Vertrages.« »Freiheit« und »Wiedervereinigung« wurden auch auf den ungezählten anderen Gedenkveranstaltungen immer aufs Neue gepriesen, ohne daß die kleinen Nebenwirkungen wie entschädigungslose Enteignung des Volkseigentums, Massenarbeitslosigkeit, andauernde Ost-West-Flucht, Bevölkerungsschwund, Verödung ganzer Landstriche, Kinderarmut und Ähnliches Erwähnung gefunden hätten. Besonders bemerkenswert an dem festlichen Event im Friedrichstadtpalast waren die Veranstalter: neben der Konrad-Adenauer-Stiftung auch die Axel Springer AG. Diese, genauer die Bild-Zeitung, gab sich die Ehre, nach der Feier hundert Gäste »aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft« in den Journalistenclub im 19. Stockwerk ihres Verlagshauses zu einem festlichen Empfang einzuladen. Friede Springer höchstselbst begrüßte die Gäste, die sich um die Einheit und den befreiten Osten Deutschlands verdient gemacht haben, darunter ihre Freundin, die Bundeskanzlerin, die drei »Väter der Einheit«, Josef Ackermann, Birgit Breuel, Volker Rühe, Guido Westerwelle, Jörg Schönbohm. Es wehte ein Hauch von Berlusconis Medien-Demokratie. Kein anderes Jubiläum ist jemals dermaßen gefeiert worden, schon gar nicht die runden Jahrestage des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa. Was ist denn schon die Befreiung von der Nazi-Barbarei gegenüber der von der DDR-Diktatur? Noch nie auch ist ein längst untergegangener Staat so erbittert, mit so viel Haß und horrendem Aufwand bekämpft worden wie der zeitweilige ostdeutsche. Warum nur? Ist er immer noch nicht tot? Besteht nicht nur die Mauer, sondern die DDR trotz ihrer selbstverschuldeten Mißstände und der von äußerem Druck, darunter einem bis zuletzt über sie verhängten Embargo bedingten Schwächen in den Köpfen weiter? Stellt ihr unvollkommener Sozialismus gar eine Gefahr für das herrschende kapitalistische System dar? Offenbar. Der monströse Gedenkmarathon 2009 läßt keinen anderen Schluß zu.
Erschienen in Ossietzky 23/2009 |
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