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Galbraith, der wohl einflußreichste Förderer der Unabhängigkeit irakischer Kurden, hatte offensichtlich auch ein sehr privates Interesse an einer uneingeschränkten kurdischen Selbstverwaltung: Er stieg 2004 in ein lukratives Ölgeschäft ein, das die kurdische Regionalregierung (KRG) unter Umgehung Bagdads mit DNO abschloß. Galbraith, der schon seit den 1980er Jahren enge Beziehungen zu den beiden großen Kurdenparteien PUK und KDP unterhält, zählte auch zu den eifrigen Befürwortern eines Krieges, mit dem Saddam Hussein gestürzt werden sollte. Obwohl politisch den Demokraten nahestehend, wurde er 2002 in der republikanischen Regierung Berater des stellvertretenden US-Verteidigungsministers Paul Wolfowitz, eines maßgeblichen Architekten des Krieges. Wenige Monate nach der Invasion beendete er (im Streit über die Besatzungspolitik) seine 24-jährige Karriere in der US-Regierung und trat in den Dienst der beiden Kurdenparteien. Von nun an konzentrierte er sich auf die Durchsetzung einer weitgehenden Unabhängigkeit der kurdischen Nordprovinzen des Irak. Praktische Erfahrung hatte er auf dem Balkan gesammelt, wo er von 1993 bis 1998 als erster US-Botschafter in Kroatien seinen Beitrag zur Zerschlagung Jugoslawiens leistete. Galbraith wollte nun die dort erprobten Rezepte im Irak anwenden und trat für eine Trennung der angeblich traditionell verfeindeten Bevölkerungsgruppen durch die Aufteilung des Irak in nahezu selbständige Teilstaaten ein. Eine Idee, die in den USA vor allem bei den Demokraten viele Anhänger gewann, darunter dem jetzigen Vizepräsidenten Joe Biden. Mit Galbraiths Hilfe gelang es den Kurden schließlich, ein extremes Föderalismus-Konzept in die neue irakische Verfassung einzuführen. Mehrere Provinzen können sich nun theoretisch zu autonomen Regionen – wie der kurdischen – zusammenschließen, denen die meisten staatlichen Machtbefugnisse und Hoheitsrechte übertragen werden. Unter alleiniger Hoheit der Zentralregierung soll nur noch die Außen- und Verteidigungspolitik verbleiben. Die Aufgabe Bagdads sei es zu garantieren, dass »ein Meter in Basra die selbe Länge hat wie in Erbil,« so Galbraith sarkastisch in seinem 2006 erschienen Buch »The End of Iraq«, in dem er seine herausragende Rolle bei der Gestaltung der neuen Verfassung ausführlich beschreibt. Vor allem soll die Verfügungsgewalt über die Bodenschätze weitgehend in die Hände der Regionen übergehen. Die diesbezüglichen Verfassungsartikel sind widersprüchlich und heftig umstritten. Sie bieten den Kurdenparteien jedoch eine ausreichende Legitimation für selbständige Verträge mit ausländischen Konzernen. Die kurdische Führung schloß sogenannte Produktionsteilungs-Abkommen ab, die im übrigen Irak als Ausverkauf nationaler Ressourcen verstanden und mehrheitlich abgelehnt werden. Während das Ölministerium in Bagdad die Ölvorkommen und die Öl-Förderung in staatlicher Hand behalten will und nur Service-Abkommen zu festen Preisen abschließt, bietet die kurdische Regionalregierung ausländischen Firmen Anteile am Verkaufserlös von zwanzig Prozent und mehr. So sind die Konzerne und die herrschenden kurdischen Clans sehr gut im Geschäft. Bis 2008 war es auch Peter Galbraith. Wie Norwegens größte Wirtschaftszeitung Dagens Naeringsliv herausfand, war er zur selben Zeit, als er eine gewichtige Rolle in der US-Debatte über die Struktur des neuen Irak spielte, über seine in Delaware ansässige Firma Porcupine zu fünf Prozent an der Ausbeutung des Tawke-Feldes im kurdischen Autonomiegebiet beteiligt. Dies war vermutlich die Belohnung für die Vermittlung des Abkommen zwischen der norwegischen DNO und der kurdischen Regionalregierung, dem ersten dieser Art im Irak seit dem Rausschmiß von »Big Oil« 1972. Die angestrebte Fördermenge beträgt 100.000 Barrel pro Tag, die nach heutigen Preisen Einnahmen in Höhe von 2,5 Milliarden US-Dollar pro Jahr bringen würden. Als Galbraith in Parlamentsanhörungen, Treffen mit Regierungsvertretern und Artikeln in den großen Zeitungen dafür warb, den Kurden weitgehende Unabhängigkeit und die volle Kontrolle über das Öl in ihrer Region zu verschaffen, kämpfte er also gleichzeitig für den Erfolg dieses Geschäftes. Noch blieb dieser Erfolg allerdings aus. Da Bagdad die Nutzung der nordirakischen Pipelines verwehrte, konnten zunächst nur kleine Mengen Rohöl per Lastwagen in den Iran exportiert werden. Erst seit Juni des Jahres kann das Tawke-Öl über die Pipelines im Norden nach Ceyhan (Türkei) gepumpt werden, zur Zeit 43.000 Barrel täglich. Die Einnahmen fließen aber in den Topf, in den alle Öleinnahmen fließen, den »Iraq Development Funds«, aus dem 17 Prozent an die kurdische Regionalregierung weiterfließen. Da die irakische Regierung die Verträge der Regionalregierung nicht anerkennt, sieht sie auch keine Veranlassung, den ausländischen Firmen einen Anteil zu überweisen. DNO hat daher noch keinen Cent erhalten. Galbraith selbst flog 2008 nach einer Neufassung des Abkommens aus dem Geschäft und versucht nun eine Abfindung in Höhe von 250 Millionen Dollar einzuklagen. Galbraiths Föderalismus-Konzept und der mit seiner Hilfe verankerte Anspruch der Kurden auf »ihr« Öl fachen die Konflikte zwischen den Kurdenparteien und den anderen irakischen Kräften um so kräftiger an, je näher ein Abzug der Besatzung zu rücken scheint. Die damit verbundenen Anstrengungen der kurdischen Führung, ihr Herrschaftsgebiet auf andere ölreiche Gebiete auszudehnen, können jederzeit in offene militärische Auseinandersetzungen umschlagen; explosiv ist vor allem die Situation in Kirkuk. Doch USA und EU unterstützen weiterhin die Politik der Regionalregierung. Der kurdische Norden nimmt eine zunehmend wichtige strategische Stellung für Europa ein. Hier bohren mittlerweile nicht nur mehr als 30 ausländische Konzerne nach Öl, ihm ist auch eine wesentliche Rolle im Nabucco-Projekt zugedacht. Durch den Bau einer acht Milliarden Euro teuren Gaspipeline durch die Osttürkei nach Zentraleuropas soll die Abhängigkeit von russischem Erdgas reduziert werden – mit kurdischer Hilfe. Seit Mai beteiligen sich die österreichischen und ungarischen Ölkonzerne OMV und Mol an der Erschließung der Khor-Mor- und Chamchamal-Gasfelder. Die Europäer wollen die Gasproduktion auf 30 Milliarden Kubikmeter pro Jahr steigern. Die Hälfte soll dann über Nabucco nach Europa fließen. Für die Europäer hängt viel von dem kurdischen Gas ab – es kann über Erfolg oder Mißerfolg von Nabucco entscheiden.
Erschienen in Ossietzky 22/2009 |
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