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Erinnert sich noch jemand an die Wochen und Monate vor dem 20. März 2003, als die USA mit einer »Koalition der Willigen« Irak angriffen? Dieses Mal geht es gegen Iran. Wieder heißt es, ein nahöstlicher Diktator, ein Widergänger Adolf Hitlers, greife nach Massenvernichtungswaffen. Wieder heißt es, Israel sei tödlich bedroht, ein zweiter Holocaust werde vorbereitet. Wieder heißt es, alle Verhandlungen scheiterten an der Starrsinnigkeit der Gegenseite, und allein eine Ultima Ratio könne noch Abhilfe schaffen: der Krieg. Die Zielstrebigkeit, mit der die USA nach dem Einmarsch in den Irak 2003 einen Überfall auf den Nachbarstaat Iran ansteuerten, wäre schon für sich genommen atemberaubend. An Dreistigkeit nicht zu überbieten ist aber die schlichte Wiederholung der Propagandalügen vom letzten Mal, als hätte man sich damit nicht bis auf die Knochen blamiert. Lediglich ein Unterschied zur Propaganda vor dem Irak-Feldzug sticht ins Auge: Damals bemühte sich die US-Regierung immerhin noch darum, der Öffentlichkeit die Existenz der gegnerischen Massenvernichtungswaffen zu beweisen. Unvergessen wird etwa die Power-Point-Präsentation bleiben, mit der der damalige Außenminister Colin Powell im Februar 2003 den Weltsicherheitsrat von der furchtbaren Bedrohung durch Saddam Hussein überzeugen wollte. Die fahrbaren Biowaffenlabors, die er in Schaubildern und Luftaufnahmen vorführte, erwiesen sich später als so ungefährlich wie rollende Toilettenwagen. Zwei Jahre oder schätzungsweise 200.000 Tote später hatte Powell der Katzenjammer gepackt: In einem Interview mit dem US-Fernsehsender ABC sagte er im Mai 2005, er fühle sich »furchtbar« wegen seiner damaligen Falschbehauptungen. Dies sei ein »Schandfleck« in seiner Karriere, klagte Powell. Für die US-Regierung hatte das Debakel aber nur eine Konsequenz: Wenn sie dem Iran das Streben nach Massenvernichtungswaffen unterstellt, vermeidet sie dabei, anders als im Falle Irak, konkrete Hinweise auf geheime Waffenlabors, Konstruktionspläne oder Vorräte von waffenfähigem Material, was sich verifizieren und gegebenenfalls widerlegen ließe. Denn sämtliche Nuklearanlagen werden ja von den Kontrolleuren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) überwacht, ebenso alle anfallenden Spaltstoffe wie angereichertes Uran. Die vierteljährlichen Berichte der Behörde dementierten regelmäßig alle Atomwaffenvorwürfe an die Adresse Teherans. Kleinere Lücken in der Berichtslegung wurden im November 2007 von der IAEO als geklärt befunden. Zum Jahresende 2007 sah es so aus, als wäre die Kriegspartei endlich an ihre Grenzen gestoßen. Nach monatelanger Verzögerung wurde eine gemeinsame Lageeinschätzung aller US-amerikanischen Geheimdienste zum Atomprogramm Irans veröffentlicht, die eindeutig Entwarnung gab. Die Zeit titelte in ihrer Ausgabe vom 6. Dezember 2007: »Amerikas große Lüge – Das Atomwaffenprogramm des iranischen Diktators gibt es nicht mehr«. Und weiter: »Ein Neun-Seiten-Papier hat die Weltlage im Handumdrehen verändert. Noch nie hat ein Geheimdienstbericht einen weltpolitischen Streit so plötzlich, so vollständig auf den Kopf gestellt. Die amerikanischen Nachrichtendienste – und zwar alle 16 unisono – konstatieren im soeben veröffentlichten National Intelligence Estimate (NIE), der Iran habe sein Atomwaffenprogramm im Herbst 2003 aufgegeben.« Doch selbst diese geballte Intervention der Geheimdienste brachte die Bush-Administration nicht zur Raison. Die Kriegspropaganda gegen den Iran flackerte bereits zu Jahresanfang 2008 wieder auf und nahm bis zum Ende der Amtszeit des Republikaners im Januar 2009 nicht mehr ab. Auch nach dem Einzug Barack Obamas ins Weiße Haus wurden die Propagandalügen weiter gepflegt, auch wenn die Führungsrolle bei den direkten Kriegsvorbereitungen von Washington nach Jerusalem überging, wo kurz nach Obamas Vereidigung eine ultranationalistische Regierung um den Likud-Chef Benjamin Netanyahu an die Schalthebel der Macht gekommen ist. In diesen Tagen erscheint im Kai Homilius Verlag (www.compact-reihe.de) das Buch »Iran – Fakten gegen westliche Propaganda«, hg. von Jürgen Elsässer, 105 Seiten, 7.50 €
Erschienen in Ossietzky 22/2009 |
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