Zweiwochenschrift
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Die Antworten kommentieren
Daniel Bahr, FDP-Aufsteiger. – Beim schwarz-gelben Koalitionsgeschäft mischen Sie mit, einen Job als Staatssekretär traut man Ihnen zu – oder Sie werden Generalsekretär der Partei. Die Frankfurter Allgemeine listet Ihre Qualifikationen auf: Von Möllemann haben Sie »gelernt, Politik zu verkaufen«; als einer der ersten haben Sie Westerwelle seinerzeit als Parteivorsitzenden vorgeschlagen; und im jüngsten Bundestagswahlkampf konnten Sie nach Westerwelle und Niebel die höchste FDP-Medienpräsenz für sich verbuchen. Vor allem: Sie haben »ein feines Gespür dafür, woher der Wind bläst«. Mehr kann eine Partei von einem Nachwuchstalent nicht verlangen, und wohin der Wind blasen soll, steht außer Zweifel: Privatisierung ist die Himmelsrichtung. Geht es mit Schwarz-Gelb doch mal schief, steht Ihnen die Versicherungsbranche gewiß offen.
Bodo Ramelow, PDL-Dompteur. – Wie man »die vielen radikalen Leute in der neuen Bundestagsfraktion der Linkspartei bändigen soll«, fragte Sie die Welt am Sonntag. »Wir arbeiten mit Hochdruck daran«, war Ihre Auskunft. Die Novizen müßten sich »an das Reglement gewöhnen«, ein »großer Reifungsprozeß« werde nötig sein. Da wird ein Realo mit Ihrer Erfahrung einiges zu tun haben. Koalitionsfähigkeit, das wissen Sie ja, braucht strenge Erziehung.
Olaf Scholz, SPD-Arrangeur. – Sie haben sich um die personelle »Erneuerung« an der sozialdemokratischen Spitze verdient gemacht, zwischen allen Zirkeln vermittelnd. Bei dieser Klüngelei seien Sie leidenschaftslos geblieben, wurde Ihnen in der Presse bescheinigt. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung wollte dann von Ihnen wissen, wie sich Oskar Lafontaine in einen »unverkrampften Umgang« zwischen SPD und Linkspartei« einfügen könne. Sie fragten zurück: »Oskar Lafontaine – wer ist das schon?« Ganz unverkrampft.
Michael Sommer, DGB-Verwalter. – Die Feier zum 60. Geburtstag des Deutschen Gewerkschaftsbundes gab Ihnen Gelegenheit, einmal mehr zu beteuern, Sie würden mit jeder rechtmäßig gewählten Regierung konstruktiv zusammenarbeiten. Sie fügten hinzu: »Das heißt mitnichten, daß wir jede Politik mittragen.« Die anwesende Kanzlerin nahm es in aller Ruhe zur Kenntnis. Mitträgerschaft wird nicht für alle künftigen Unternehmungen der Bundesregierung benötigt. Es genügt, wenn die Arbeitnehmerorganisationen sich resolutionierend in ihr Schicksal ergeben und auf resolute Aktionen verzichten.
Deutsche Konzernmedien, meinungsbildend. – Zu den Fähigkeiten, die wir an Ihnen am meisten bewundern, gehört das Ausfindigmachen von Schuldigen. Beispiel: Die Frankfurter Rundschau aus dem DuMont-Konzern meldet am 12. Oktober auf Seite 1 über Oskar Lafontaine: »Der Chef der Linkspartei hat Rot-Rot-Grün an der Saar verhindert.« Denn, so erklärt das Blatt, die Grünen wollen ihn nicht und koalieren lieber mit der CDU. Ganz klar – wie es Ihnen auch schon seit mehr als zehn Jahren gelingt, uns klar zu machen, daß »die Serben« und namentlich der damalige Präsident Slobodan Milosevic am NATO-Bombenkrieg gegen Jugoslawien schuld waren. Nach gleicher Logik muß der damalige Direktor des serbischen Fernsehens, Dragoljub Milanovic, noch jahrelang in Haft bleiben; ihm wird angelastet, daß er trotz des dringenden Wunsches der NATO, die Sendezentrale in Belgrad auszuschalten, diese nicht selber räumen ließ, daher seien bei dem völkerrechtswidrigen Bombenangriff 16 seiner Mitarbeiter getötet und viele weitere verletzt worden. Wir verstehen Ihre Freude über den Literatur-Nobelpreis für Herta Müller, die damals die NATO zu noch mehr Gewalt gegen Jugoslawien aufhetzte, ebenso wie Ihre Wut über Lafontaine, der sich getreu den SPD-Beschlüssen nicht an Gerhard Schröders Angriffskrieg und Sozialabbau beteiligen wollte und den Sie deswegen gern als »Verräter« apostrophieren. Am 2. Weltkrieg, das haben Sie neuerdings klargestellt, ist die Sowjetunion zumindest mitschuldig. Deutschland wird immer unschuldiger. Sie schaffen das. Danke für die tägliche Volksaufklärung!
Erschienen in Ossietzky 21/2009
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