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Eine überwältigende Zustimmung der Parlamentarier ist trotzdem auch in diesem Jahr wahrscheinlich, während die nächste Eskalationsstufe des »Stabilisierungseinsatzes« bereits zielstrebig vorbereitet wird. Nach einem Bericht des Deutschlandfunks soll die Obergrenze der deutschen Truppe am Hindukusch von 4.500 auf 7.000 Soldaten angehoben werden. Die Aufstockung solle »den Handlungsspielraum der künftigen Bundesregierung auf der geplanten internationalen Afghanistan-Konferenz erhöhen«, so die Begründung. Doch wozu wird der vorgebliche Spielraum genutzt? Unter anderem, wie es scheint, zur schleichenden Anpassung an die Gesetze des Krieges. Schon im März dieses Jahres konnte man nämlich folgendes lesen: »Die Bundeswehr greift in Afghanistan offenbar routinemäßig auf die Unterstützung durch Luftangriffe anderer NATO-Staaten zurück. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des Abgeordneten Paul Schäfer (Die Linke) hervor. Die Anforderung von Flugzeugen und Hubschraubern zur sogenannten ›Luftnahunterstützung‹ (close air support) erfolgt damit sehr viel häufiger als bislang von Beobachtern angenommen. Auffallend ist besonders der Anstieg im letzten Jahr: 11 der insgesamt 19 Einsätze seit Beginn des ISAF-Einsatzes 2002 fanden allein im Jahr 2008 statt.« Der von einem Offizier der Bundeswehr im September angeforderte Bombenangriff auf zwei Tanklaster, der etwa 100 Tote zur Folge hatte, war so gesehen nur der bisherige Höhepunkt in einer stetigen Entwicklung. Die USA erleben und gestalten diese Entwicklung noch weitaus drastischer. Der Politologe und Journalist Eric Chauvistré zitiert in seinem vor kurzem erschienenen Buch »Wir Gutkrieger – Warum die Bundeswehr im Ausland scheitern wird« (Campus Verlag, 188 Seiten, 17.90 Euro) das Air Force Magazine zum dramatischen Anstieg der Luftangriffe in Afghanistan: »Die Zahl stieg von 86 Angriffen im Jahr 2004 über 176 im Jahr 2005 auf 1.770 im Jahr 2006 und 3.247 im Jahr 2007. Innerhalb von drei Jahren haben sich die Bombeneinsätze also mehr als verzehnfacht.« Stabilisierung sieht anders aus. Die Frage nach dem eigentlichen Grund für den gesamten »Einsatz« ist im Kriegsgetümmel zudem längst verblaßt. Dringt eine öffentliche Debatte doch einmal bis zu diesem sorgsam gemiedenen weißen Fleck vor, wird formelhaft der 11. September 2001 als letztes Argument genannt. Schon die Erwähnung dieses magischen Datums wischt alle Einwände bequem beiseite: Der Terror sei schließlich vom Hindukusch gekommen. Weiterdenken unerwünscht. Aber gerade die Annahme, die Anschläge von 9/11 seien vor allem in Afghanistan geplant worden, kann mit guten Gründen bestritten werden. Wenn man sich denn die Mühe machte, den Sachverhalt zu untersuchen. Die Skepsis könnte bei der einfachen Tatsache beginnen, daß keiner der vier mutmaßlichen Terrorpiloten oder ihrer 15 Helfer Afghane war. Die Piloten stammten aus Saudi-Arabien, Ägyten, den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Libanon. Drei von Ihnen wohnten lange in Hamburg, bevor sie mehr als ein Jahr vor dem Anschlag in die USA zogen. Der vierte lebte schon länger in den Vereinigten Staaten. Dort fand die eigentliche Planung und Vorbereitung der Flugzeugentführungen statt. Zu mindestens sechs Absprachen trafen sich die Piloten allein in Las Vegas. Zwei der Planer wohnten bei einem Spitzel des FBI (der vom Justizministerium anschließend vor der parlamentarischen Untersuchungskommission versteckt wurde). All dies geschah in Kalifornien, das, wie man weiß, nicht am Hindukusch liegt. Anführer Mohammed Atta schließlich erlernte in Florida und nicht etwa Kandahar das Fliegen. Bereits zwei Monate nach Attas Einreise in die USA waren er und seine Komplizen durch ein geheimes US-Militär-Sonderprogramm namens »Able Danger« als Terrorzelle erkannt worden, ohne daß diese Information an Ermittlungsbehörden weitergeleitet wurde. Die New York Times machte den skandalösen Vorgang im Jahr 2005 einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. 9/11 hatte seine Wurzeln also mithin in den USA sowie in Deutschland. Mohammed Haydar Zammar, der Rekrutierer von drei der späteren Piloten (Mohammed Atta, Marwan Al-Shehhi, Ziad Jarrah), lebte in Hamburg und wurde auch vom deutschen Geheimdienst namens Verfassungsschutz observiert; der ihn sogar anzuwerben versuchte. Zugleich operierte die CIA im Umfeld der Hamburger Terroristen. Nach den Anschlägen wurde die Schlüsselfigur Zammar schließlich mit Wissen der USA verschleppt und wird bis heute in Syrien unter Verschluß gehalten. Ein öffentlicher und transparenter Prozeß gegen ihn war bisher anscheinend unerwünscht. Soviel zur Verbindung zwischen Afghanistan und dem 11. September. Sie ist eher schwach. Sicher, es gab und gibt dort terroristische Trainingscamps, und auch Osama Bin Laden hatte bei den Taliban Unterschlupf gefunden. Jedoch ist gerade Bin Laden skandalöserweise bis heute keinerlei Verbindung zu 9/11 gerichtsverwertbar nachgewiesen worden. Selbst das FBI räumt ein, ihn offiziell weiterhin lediglich wegen der Anschläge in Ostafrika von 1998 zu suchen. Die hauptsächliche Planung des 11. September fand so nach allen vorliegenden Indizien eindeutig in zwei Mitgliedsländern der NATO statt. Ebenjenen Ländern, die nun in Afghanistan ihr Vietnam gefunden haben. In seinem Buch erinnert Eric Chauvistré an einen fast vergessenen Zusammenhang: »Im November 2001 beschloß der Deutsche Bundestag die Teilnahme an der ›Operation Enduring Freedom‹. (...) Dabei bezog er sich auf das Selbstverteidigungsrecht jedes Staates unter Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen. (...) Auch sieben Jahre nach den Anschlägen von New York und Washington steht dieser Bezug in den Mandatsbeschlüssen des Bundestags. Noch immer ist die Bundeswehr demnach mit der Verteidigung der USA beschäftigt (...) Aber so ganz glauben das offenbar nicht einmal diejenigen, die dem Einsatz jährlich zustimmen.« Der Journalist fährt fort: »Das Problem vieler Abgeordneter ist, daß sie inzwischen das, was sie in die Mandate für die Auslandseinsätze hineininterpretieren, für ihren tatsächlichen Inhalt halten. Dagegen gibt es Abhilfe: die selbst abgesegneten Beschlüsse sorgfältig lesen.« Quellen sind unter www.paul-schreyer.de/recherchen.html verlinkt.
Erschienen in Ossietzky 21/2009 |
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