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Das ist ein zauberhafter, unweit der Dörfer Schnarrtanne und Vogelsgrün gelegener kleiner Ortsteil der »Großen Kreisstadt Auerbach« im Herzen des Vogtlands. Hier ist die Luft noch frisch und klar, kein Wunder, liegt doch das malerische Fleckchen Erde auf einer Höhe von 700 Meter inmitten grüner Wälder. Das war auch der Grund dafür, daß in Albertsberg Ende des 19. Jahrhunderts ein Chemnitzer Arzt eine der ersten Lungenkliniken in Deutschland gründete, in der im Laufe der Jahrzehnte viele Tausende Tuberkulosekranke Heilung suchten und größtenteils auch fanden. Zu DDR-Zeiten waren es in der Regel 160 Patienten, die von 60 Ärzten, Schwestern und Pflegern betreut wurden. Diese wohnten mit ihren Familien zumeist in den umliegenden Häusern, so daß ihr Weg zum Sanatorium kurz und selbst in den schneereichen Wintern nicht sehr beschwerlich war. Ein Linienbus verband sie mit der Außenwelt, es gab einen kleinen Laden und wie in nahezu allen Dörfern eine Poststelle. Nachdem in der DDR mit Schutzimpfungen im Kindesalter und jährlichen Röntgenreihenuntersuchungen für alle Bürger die Tuberkulose besiegt war, wurde die Lungenheilstätte in die Außenstelle einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie umgewandelt. Als die »friedliche Revolution« ausbrach – das Vogtland und vor allem seine Kleinmetropole Plauen war eines ihrer Zentren, in dem die Staatsfahne des untergehenden Landes vor den Kameras bundesdeutscher Fernsehanstalten symbolisch in einen Sarg geworfen und von den Revolutionären triumphierend durch die Stadt getragen wurde –, veränderte sich auch das Leben in Albertsberg. Freiheit und freie Marktwirtschaft zogen ein. Die Heilstätte wurde geschlossen, und aus unergründlichen Motiven kaufte das wiederauferstandene Land Sachsen, inzwischen in den Rang eines Freistaates erhoben, der Stadt Auerbach das Sanatoriumsgebäude und die umliegenden Häuser ab, um die Immobilie alsbald an einen Heizungsbau-Unternehmer aus dem fernen Aachen zu einem ungenannten Preis weiterzuveräußern. Der neue Eigentümer sparte nicht mit Versprechungen. Ein Hotel und neue Arbeitsplätze sollten entstehen, ein »Schmuckstück« sollte es werden. Doch kaum versprochen, schon gebrochen. Nichts geschah, die Häuser wurden dem Verfall preisgegeben. Ihre Bewohner suchten das Weite, 15 zumeist alte und gebrechliche blieben zurück – ohne Anschluß an den Nahverkehr, ohne Laden, von einer Poststelle ganz zu schweigen. Selbst der Briefkasten ist abmontiert. Der »Aufschwung Ost« hatte auch um Albertsberg einen Bogen gemacht. Jetzt aber, 20 Jahre nach der Revolution, soll er kommen. Der Aachener Geschäftsmann bietet das Areal von 30.000 Quadratmetern mit den Gebäuden über eine Immobilienfirma aus Ratzeburg in Schleswig-Holstein per Internet zur Versteigerung an. Das Mindestgebot beträgt 380.000 Euro. Da Albertsberg ein selbständiger Ortsteil von Auerbach ist, worauf auch zwei leuchtendgelbe Ortsschilder hinweisen, wird für den Verkauf mit dem Slogan »Ein Dorf unter dem Hammer« geworben. Aber bisher ist der Hammer nicht gefallen, obwohl es nicht an Interessenten mangelt, die die Liegenschaft als Schnäppchen erwerben möchten. Schon manch einer hat sich an Ort und Stelle umgesehen und seine Pläne preisgegeben. Einer wollte eine Straußenfarm anlegen, ein anderer trug sich mit der Absicht, in des Waldes Einsamkeit einen Luxuspuff zu errichten. Doch für Strauße ist es in der Höhenlage zu kalt, und die Bordelle im nicht weit entfernten Tschechien sind preiswerter. So hat bisher keiner zugeschlagen, Auch ein Plan, die kleine idyllische Ortschaft zu sanieren und Eigentumswohnungen zu schaffen, hätte wenig Aussicht, in die Tat umgesetzt zu werden. Wer sollte sie kaufen, und woher sollten die Bewohner kommen? Aus der nahen Umgebung nicht, denn wie in Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen, die durch Wegzug, Geburtenrückgang und Überalterung eine katastrophale demografische Entwicklung nehmen, verliert auch das schöne Vogtland ständig an Einwohnern, es ist ein »Schrumpfgebiet« mit »Sterbeüberschuß«, wie die Demografen es auszudrücken belieben. Auch die »Große Kreisstadt«, so wird Auerbach verwaltungstechnisch genannt, zählt nur noch 20.000 Einwohner, und jährlich werden es 400 weniger. Also, was tun? In Albertsberg hat sich in den 20 postrevolutionären Jahren vieles verändert, geblieben ist die gute Luft. Vielleicht könnte jetzt, da die Tuberkulose zurückkehrt, auch das Sanatorium, gründlich saniert, wiedereröffnet werden und im kleinen Albertsberg vom großen »Aufschwung Ost« künden. Vorausgesetzt, der gesamtdeutsche Gesundheitsfonds enthält noch etwas Geld, um diese Seuche zu bekämpfen.
Erschienen in Ossietzky 21/2009 |
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