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Auf der Bühne des Hamburger Schauspielhauses wird Kamprads Lebensgeschichte und Unternehmensphilosophie in Form eines Songdramas, von Harmonium und Geige begleitet, als »Das Wunder von Schweden« dargestellt. Erik Gedeon und Klas Abrahamsson sind für Musik, Text und Regie verantwortlich. Gedeon nennt es ein »atheistisches Oratorium«, denn »Kapitalismus und Religion haben viel gemein« sagt er. »Wenn man nicht daran glaubt, ist man draußen.« Die Eltern – sie haben ja sonst nichts – jubeln: »Ein Kind ist uns geboren.« Ein Kind, die sicherste Anlage. Der kleine Ingvar (Andreas Grötzinger) lernt schnell – der Markt ist eine harte Schule – und verkauft mit Profit Streichhölzer. »Gewinn ist ein herrliches Wort« singen alle, das Harmonium nimmt es auf. Mit siebzehn gründet Ingvar eine Möbelversandfirma, Onkel Ernst hilft. Der Chor singt einen Psalm, dann der Chef: »Denn treten tu ich, denn Leute kündigen tu ich.« Die Musik wechselt zu schwedischen Volksliedern, von Händeklatschen begleitet, denn alle Mitarbeiter müssen motiviert werden. Er sucht neue Angestellte aus, es klingt wie: Lasset die Kindlein zu mir kommen. Ihr dürft bei mir verkaufen, wenn ihr an IKEA glaubt. Eine Frau kommt, die in einem Sessel steckt, sie trägt das Möbel wie ein Kleid. Himmlische Musik. Der Chef läßt die Möbel tanzen, einen Schrankmann, eine Frau, die zur Stehlampe »Magdalena« mutierte. Ingvar nennt alle beim Vornamen, alle gehören zur Familie. Und er weint bitterlich über die alten häßlichen Möbel auf der Welt. Das »Demokratische Design« will er schaffen, das sich jeder leisten kann und muß. Design, das läßt die Kasse klingeln, sagt Ingvar, der bekennt, er habe keinen Geschmack. Aber »wir müssen sein am billigsten« fällt ihm ein, als er einmal schon am Boden liegt – denn Konkurrenz brach herein. IKEA macht Verluste. Er klagt zum Bach-Choral: »Ach Kapitalismus, du läßt mich im Stich – mein Kapitalismus, du hast mich verlassen.« Aber da kommt ihm die Idee: das Regal »Billy« – das können wir doch billig in Polen herstellen lassen. Da regieren zwar Kommunisten, aber wenn sie doch IK zum großen Möbelhaus verhelfen... Und Ingvar spricht: »1000 Jahre werden vergehn, bis wir so was noch mal sehn.« Aber wer soll das alles machen? Der Kunde! König Kunde, er soll selber schleppen und tragen – dann kostet es kein Geld. Unser Konzept ist das beste der Welt. Eine Hymne an Schweden. Einer mit Elchkopf erscheint, die Marke. »Die ganze Welt wird so sein wie wir« singen alle im Chor. Keine Banken, keine Aktien, Ingvar will alles für sich – Sparsamkeit. Und vielleicht läßt sich anderswo noch billiger produzieren. Die Realität überholt das Stück. IKEA schließt ein »Billy«-Werk in Gardelegen (Sachsen-Anhalt) nach 27 Jahren. Maschinen seien in die Slowakei gebracht worden, erfährt man. Überall wird der 30. Geburtstag des »Billy«-Regals gefeiert. Bis zu 6.500 Billys wurden täglich in Gardelegen produziert – damals in der DDR. Der nordamerikanische Markt, ein Kunde, wird jetzt von China versorgt. Heute legen die ArbeiterInnen in Gardelegen Blumen auf schwarze Pappsärge. Zurück ins Stück. Nicht nur Bach-Choräle, auch Pop-Songs. Sie singt: »Wie hoch ist der Bonus, Ingvar? So sprich!« Er, an einem Pult stehend, predigt: »Alle kriegen so ziemlich das gleiche – laßt euren Ärger draußen, wir kriegen ein kleines Stück vom Kuchen.« Die IKEA-Familie. Was meint er wohl damit? Gütig müssen wir uns erweisen. Was meint er wohl: Kapitalist und gütig? Er predigt Armut. Wir schlafen nicht in Luxushotels. Wir sagen »Du« zueinander. Und wir werden die Dritte Welt unterstützen und uns um die Arbeiter kümmern. »Jetzt eine Schweigeminute der Zufriedenheit« – sein Psalm ist Befehl. Als Echo ertönt eine Bach-Arie: »Er kam wie ein einfacher Mann, ich weiß, wer du bist, ich ahnte es schon: des Kapitalismus eingeborener Sohn.« Der Jubelchor: »Der Erlöser ist endlich gekommen.« Das Kreuz mit grünen Blättern wird errichtet – ein Maibaum steht im Börsenrund. »Wir sind eine große Familie, niemand bleibt allein. Es ist Liebe. Und wir sind IKEA.« Alle im Ringelreihn, die Geigerin vorneweg. Es gibt den Verräter: nicht Judas, Thomas, der Ungläubige (Tim Grobe). Er stellt sich vor Ingvar, den Erlöser, schleudert ihm entgegen: »Ihr lügt! Um schwedischen Steuern zu entkommen – Luxusvillen im Ausland – ein Weingut in der Provence.« Zu den Jüngern gewandt: »Und ihr kriegt Löhne, von denen ihr nicht leben könnt.« Die aber singen, unerschütterlich: »Ach, Ingvar hat nichts zu verbergen.« Thomas: »Dann, Ingvar, erzähl mal, daß du dich mal politisch engagiert hast und zwar als Faschist!« Die Geige klagt, Ingvar jammert: »Verzeiht mir, ich bereue es so.« Alle stehen betreten herum: »Wir glaubten deinen Worten. Um den gütigen Kapitalismus hast du uns betrogen – du hast uns belogen.« Dann bauen sie was zusammen: »Wo ist die Bauanleitung? Das Hämmern und Nageln, das macht uns Spaß.« Alle um ihn herum beim Maibaum-Kreuz. Er steht davor, den Kopf hängend – Heiland am Kreuz. Mitleid kommt auf: Er war doch gar nicht so übel, die hohen Steuern in Schweden und der Faschismus – er war ja noch so jung. »Er starb für uns.« Hinten ein Sternenhimmel. Und die Verwandlung. Er singt wieder: »Der gütige Kapitalismus wird ewig weiterleben.« Alle, sich begeisternd: »Wunderbare Zukunft. Das meiste ist noch ungetan.« Im Börsenrund alle am Laptop, das grüne Blätterkreuz in der Mitte, hochaufragend, herrschend. Wir sahen ein Passionsspiel mit exzellent singenden Bänkern, von Harmonium und Geige stimmungsvoll begleitet. Nachtrag zum Theaterbericht. Eine Meldung aus Chemnitz: IKEA darf im Zentrum vor dem Karl-Marx-Kopf ein riesiges Buch aufstellen, obwohl bei einer Abstimmung die Mehrheit dagegen war. Zum Dank verpflichtet sich IKEA, 25.000 Euro zur Sanierung des Denkmalssockels bereitzustellen und den Rasen drumherum ein Jahr zu pflegen. Aber zur Adventszeit muß die Aktion beendet sein. Bis dahin soll Marx soll das Buch studieren. Was für eins? Den IKEA-Katalog?
Erschienen in Ossietzky 20/2009 |
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