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Wir alle wissen, daß es teuer zu stehen kommen kann, wenn man zwar ein gutes Produkt zu verkaufen hat, aber mit dem Markennamen daneben liegt. »Pajero« heißt im vulgären Spanisch »Wichser«. Daher fahren so wenige Landrover von Mitsubishi auf Spaniens Straßen. Wer möchte schon gern als Wichser mit Vierradantrieb in Erscheinung treten! Hätte man das in Japan gewußt, wäre kein Absatzloch in Spanien entstanden. Es hängt eben alles mit allem zusammen. Auch Viviane hat es mit Wichsern zu tun. Von ihr stammt der Name für die neue Potenz-Pille. Früher ließen sich Männer solche Sachen besorgen. Seit jedoch »Wachsendes Vergnügen« auf dem Markt ist, genieren sich auch schüchterne Typen nicht mehr, selbst in die Apotheke zu gehen, und bevorzugen sogar die von Frauen geführten Geschäfte. »Wachsendes Vergnügen« ist ein großartiger Name, sagt die Fachwelt. »Wachsendes Vergnügen« hat Viviane über Nacht zu einem Naming-Star gemacht. Das schafft Selbstbewußtsein. Aber so weit, daß sie sich wieder selbstbewußt zum Eintopf bekennt, ist Viviane noch nicht. Klingelingeling Schreiben heißt neuerdings »wording«. Jargon der Creativ-Branche, wo alles englisch sein muß, weil man ja sonst verstanden würde, was ob der Banalitäten, die man zu verstehen geben will, peinlich wäre. Wohnen heißt »homing«. Wer seine grenzenlose Flexibilität demonstrieren will, pflegt das »mobil homing«. Für die Creativen ist das Eigenheim auf vier Rädern ein Muß. Die Arbeit kommt nicht mehr zu den Menschen, im Gegenteil, die Jobs laufen weg und die Leute müssen hinterher, mit Sack und Pack. »Das Kapital ist ein scheues Reh«, erklären die Arbeitgeber. Die Creativen finden die Formulierung super. Frauen und Männer von statischem Stand und Ansehen gibt es in der Creativ-Branche nicht. Jeder müht sich um sein »standing«, das allerdings nur ein flüchtiger Rang ist. Laufende »rankings« sorgen dafür. Heute noch »Mitarbeiter des Monats«, morgen schon »Arschloch des Quartals«. So hält man die Creativen auf Trab, und sie rotieren begeistert mit. Die Voraussetzungen dafür haben sie. Wer andere laufend beschwindelt, muß selber schwindelfrei sein. Gibt es eigentlich das Wort »leben« noch? Im nächsten Duden wird stehen: »veraltet für: existing«. Generation Weißnichts Am Telefon der Redaktion notierte die junge Volontärin den Anzeigentext: »Super lässiger Rentner für Gartenarbeit gesucht.« Nachdem die Annonce erschienen war, beschwerte sich der Auftraggeber über den mißratenen Wortlaut. Zuerst glaubte man an einen Flüchtigkeitsfehler. Dann gab die junge Volontärin zu, das Wort »zuverlässig« nicht zu kennen. Da ihr Schulabschluß okay war, wußte man die Bildungslücke nicht anders zu erklären als mit der »Generation X«, der die Volontärin vom Jahrgang her angehöre. Insgeheime Zusammenhänge Daß im Duden die »Toleranz« nur wenige Wörter entfernt vom »Tollpatsch« steht und die »Erbswurst« unmittelbar auf die »Erbsünde« folgt, ist der Macht des Alphabets geschuldet, die keine mitdenkende Macht ist. Seit uns intelligente Computerprogramme bei der Suche nach dem richtigen Wort behilflich sind, werden wir auf Zusammenhänge gestoßen, auf die sonst nur gewiefte Sprachkünstler mit dadaistischen Neigungen gekommen wären. Alles begann damit, daß Fred aus lauter Langeweile den Namen eines Arbeitskollegen in die Suchmaschine von Google eingab. Der Mann hieß »Bardmann«. »Meinten Sie Bardame?« fragte der fürsorgliche Rechner zurück. Das brachte Fred auf den Geschmack. Gut gefiel ihm, daß er statt des ungeliebten »Schwiegervater« einen derben »Schweinebraten« angeboten bekam. Am meisten aber amüsierte ihn die Rückfrage: »Meinten Sie Kreisverwaltung?« Er hatte das Wort »Kriegsverwüstung« eingetippt. Dabei erinnerte sich Fred, daß er, der die moderne Kunst liebt, schon lange vor der Zeit mitdenkender Computer so manches Mal aus freien Stücken und ohne jede Hilfestellung »Beuysschüler« gelesen hatte, wo schwarz auf weiß »Babyschnuller« stand. Stille Post »Bitte sagen Sie Ihrem Koch«, beschwert sich der Gast, »daß die Suppe ruhig etwas heißer sein könnte.« Darauf der Kellner, freundlich bis hinter beide Ohren: »Das kommuniziere ich gern!« Warum sagt er nicht im Ton der Bescheidenheit: »Ja, das mache ich«? Oder aber mit dem Ausdruck des Bedauerns, nicht derart auftrumpfend: »Das kommuniziere ich gern, tüddelü!« Wir beobachten die Szene weiter und stellen fest, daß dem Kellner der direkte Zugang zum Koch verwehrt ist. Er muß die Beschwerde tatsächlich »kommunizieren«, das heißt: auf den Weg bringen, weiterleiten. Zuerst sagt er es dem Oberkellner, ausdrücklich und mit wichtiger Miene. Man sieht, wie beide Männer kurz zum Gast herüberschauen. Dann sieht man, wie der Oberkellner mit einer »Ach, übrigens«-Geste den Oberkoch beiseite nimmt. Dann sieht man, wie der Oberkoch durch einen Stapel schwankender Untertassen abgelenkt wird, so daß er vergißt, durch den Vorhang in die Küche zu gehen, um es dem Koch mitzuteilen. Wer ein Problem »kommuniziert«, läuft also Gefahr, daß die Adresse nicht erreicht wird. Mithin geschieht auch nichts. Und niemand fühlt sich verantwortlich, daß nichts geschieht. Was die Voraussetzung dafür ist, daß alle, bis auf den Gast, unerschütterlich freundlich bleiben. Am Ende findet sogar der Gast die Temperatur der Suppe nicht mehr der Rede wert.
Erschienen in Ossietzky 19/2009 |
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