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Mit dem von ihr gestifteten Kapital (48.000 Mark der DDR) sollten in Greifswald regelmäßig hervorragende künstlerische, kunstwissenschaftliche oder kunstpädagogische Leistungen von Studenten und Absolventen ausgezeichnet werden. Doch seit 1996 ruht die Preisvergabe. Der damalige Rektor der Universität, Jürgen Kohler, bat das Greifswalder Caspar-David-Friedrich-Institut für Bildende Kunst und Kunstgeschichte, die Vergabe des Hans-und-Lea-Grundig-Preises zu prüfen. Institutsdirektor Ulrich Puritz, erst kurz zuvor nach Greifswald berufen, sprach daraufhin nach eigenen Angaben »mit Zeitzeugen« (Ostsee-Zeitung vom 21.1.2009). Ergebnis seiner informellen Befragung sei die Erkenntnis gewesen, Lea Grundig habe als Präsidentin des Verbandes Bildender Künstler dafür gesorgt, daß nicht »linientreue« Künstler aus dem Verband ausgeschlossen und in ihrer Laufbahn behindert worden seien. Doch diese und andere Anschuldigungen konnten nicht belegt werden. Der Kunsthistoriker Wolfgang Hütt erinnerte kürzlich daran, daß es nicht die Kulturpolitik in der DDR gab und Lea Grundig selbst keinen stromlinienförmigen kulturpolitischen Weg gegangen sei. Solche Differenzierungen sind jedoch den mit missionarischem Eifer aus Westdeutschland gekommenen Professoren in Greifswald fremd. »Wir hatten die Idee, ihm einen anderen Namen zu geben«, sagt Institutsleiter Puritz über den unliebsam gewordenen Preis. Damit soll der Name einer Künstlerin ausgemerzt werden, die in der Weimarer Republik und in der Illegalität großartige Grafiken schuf, bevor sie den Nazis entkam. Ihr als Künstler hochgeachteter Mann Hans überlebte wie durch ein Wunder KZ und Krieg. Doch Widerstand regt sich, Protestbriefe stapeln sich, der Studentenverband SDS in Greifswald positioniert sich für Lea Grundig. Im März diesen Jahres reichten Landtagsabgeordnete eine Anfrage an das zuständige Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Schwerin ein, das den Sachverhalt bestätigte; die Antwort auf eine erneute Anfrage wird dieser Tage erwartet. Ob das Ministerium überhaupt Einfluß ausüben kann, ist fraglich. Spätestens seitdem der große Umbau der bundesdeutschen Hochschulen im sogenannten Bologna-Prozeß begonnen hat, ringen Universitäten um private Spenden und lassen sich von Sponsoren ihre Forschungsthemen diktieren. In Greifswald ist laut Universitätsangaben »die Alfried-Krupp-von-Bohlen-und-Halbach-Stiftung mit ihrem Kuratoriumsvorsitzenden Berthold Beitz [ein] besonders generöser Förderer der Universität«. »Der Forschungsschwerpunkt Integration und Identität im Ostseeraum [sic!] konnte zudem dank der Zeit-Stiftung« und »dank der Mercator-Stiftung« erweitert werden. Eine »Greifenberg-Stiftung« fördert die historische Forschung »vornehmlich auf dem Gebiet der Geschichte Pommerns«. Der in Essen ansässige Beitz, der in den Medien gern »einflußreich« und »bedeutend« genannt wird und unzählige Würdigungen und Ehrendoktortitel erhielt, wurde bereits 1983 Ehrendoktor der Uni Greifswald. Um 1953 hatte er den Industriemagnaten Alfried Krupp kennengelernt, der gerade sein während der Nazi-Zeit in der Rüstungsindustrie erworbenes Vermögen von den Alliierten zurückbekam; er wurde dessen Generalbevollmächtigter und später Stiftungsgründer. Die Förderung der Ernst-Moritz-Arndt-Universität liegt Beitz besonders am Herzen, betont er doch gern seine pommersche Herkunft. Im Juni 2000 rief seine Stiftung zusammen mit der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern und der Uni Greifswald die »Stiftung Alfried Krupp-Kolleg« ins Leben. In der Haut der Verantwortlichen in Landesregierung und Universitätsverwaltung will man nicht stecken. Doch womöglich überleben in Greifswald noch Reste der grundgesetzlich garantierten Freiheit von Forschung und Lehre. Mitte August erschien als erste offizielle Reaktion von seiten der Universität auf die wachsende Zahl der Zuschriften und Beschwerden ein hinhaltendes Schreiben des derzeit Geschäftsführenden Direktors des Caspar-David-Friedrich-Instituts, Michael Soltau; dieser Tage folgte ein zweites, lediglich auf Verfahrensfragen eingehendes Schreiben. Sammler, Wissenschaftler und Künstler in ganz Deutschland verfolgen mit Staunen die beschämenden Greifswalder Vorgänge. Maria Heiner, enge Freundin Lea Grundigs und mit der Arbeit am Werkverzeichnis der Künstlerin betraut, fordert schlicht »einen normalen, dem Stiftungsrecht entsprechenden Umgang mit der Hans-und-Lea-Grundig-Stiftung«. Allerdings: »Die nicht belegten Anschuldigungen müssen vom Institut – mit einer entsprechenden Presseerklärung – zurückgenommen werden.« Der Berliner Kunstwissenschaftler Peter Michel weist in seinem offenen Brief an den Greifswalder Rektor darauf hin, daß der Jüdische Kulturverein Sachsen wie auch andere Institutionen glücklich wäre, mit den Stiftungsgeldern im Sinne von Hans und Lea Grundig arbeiten zu können.
Erschienen in Ossietzky 19/2009 |
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