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Für die anderen, die die DDR wollten, aufbauten und trugen, kann sich die Antwort auf diese Frage nur aus wissenschaftlicher und politischer Analyse ergeben: innere Ursachen, äußere Einflüsse, Kalter Krieg, strategische Interessen der Sowjetunion, ökonomische und politische Strukturen, wirtschaftliche Effizienz, Interessen der Arbeiterklasse, Lebensstandard und Lebensqualität des Volkes, Führungsqualitäten beziehungsweise -schwächen. Ein substantielles Thema für die Linke: Wie funktioniert Sozialismus, kann er überhaupt funktionieren? Wie? Welche Fehler muß man vermeiden? Die Autoren des Films »Das Ende des Politbüros« befassen sich nicht mit den Sorgen der Linken. Für sie gibt es Gewißheiten: Das Land stand wirtschaftlich vor dem Kollaps (erzählt ihnen Chefplaner Gerhard Schürer). »Die Unzufriedenheit der Menschen wächst von Tag zu Tag.« Anders gesagt: Es mußte so kommen. Fazit: »In der DDR haben die Bürger in einer friedlichen Revolution das alte Regime gestürzt.« Ein wichtiges Detail wird aber untersucht: Wieweit erkannte die politische Führung der SED – gleich Führung der DDR – die Krise, wie analysierte und verarbeitete sie diese, welche Maßnahmen ergriff sie, welche Machtmittel, welchen Rückhalt im Volk und in der Partei hatte sie? Thomas Grimm führt seit Jahren Interviews mit Zeitzeugen, vor allem befragt er Leute mit Insiderwissen aus politischen und ökonomischen Strukturen der DDR. Die bieten reichhaltiges Material für den Dokumentarfilm. Verwendet werden Aussagen von Mitgliedern des Politbüros, von Sekretären der Bezirksleitungen, vom Chef der Hauptverwaltung Aufklärung, vom Generaldirektor eines Kombinats, vom Leibarzt, vom Personenschützer und schließlich vom Vernehmer Erich Honeckers. Der Leiter der Sicherheitsabteilung des ZK, Wolfgang Herger, der nicht vor die Kamera wollte, bot statt dessen sein Tagebuch an, aus dem Grimm ausführlich zitiert. Klar wird aus den Aussagen von Krenz, Schabowski, Schürer, Modrow und anderen, daß es für die Parteiführer nie vorstellbar gewesen ist, die Arbeiterklasse, die Partei und das Volk könnten ihnen nicht mehr folgen – das Volk, dessen Interessen zu dienen sie sich ernsthaft vorgenommen hatten. In ihrer Vorstellung konnte es keine Krise geben, weil sie sich des Vertrauens des Volkes sicher glaubten; also gab es auch kein Krisenmanagement. (Sage keiner, das wäre heute anders. Man prognostiziert Wachstum und stürzt ab in die Überproduktionskrise. Man organisiert Spekulationsblasen, aber rechnet nicht mit ihrem Platzen. Man rechnet mit fünf Millionen Arbeitslosen, verspricht jedoch Vollbeschäftigung.) Krenz und Genossen bekennen sich zu ihrem Unvermögen. Dem Zuschauer wird klar, daß diese »Führung« die DDR nicht retten konnte. Die kleine Gruppe von »Verschwörern«, die auf die Absetzung Erich Honeckers hinarbeitete, hatte nicht ansatzweise ein Programm für eine Umgestaltung wie etwa 1956 Wolfgang Harich und Walter Janka. Diese Männer waren einfach unfähig. In diesem Punkt trägt der Film im 20. Jahr des Scheiterns der DDR zur Wahrheitsfindung bei – gutes Material für Wissenschaft und Politik. Offen bleibt, wie solches Denken bei denen entsteht, die einst für das Volk ein besseres Leben schaffen wollten und um sein Vertrauen geworben hatten. Wie konnten sie an diese Bindung glauben, ohne sich ihrer ständig zu vergewissern? Lachen und weinen könnte man über Schabowskis »Vermutung«, er könnte mit seiner vorschnellen Verlautbarung zur »unverzüglichen« Öffnung der Grenze am Abend des 9. November einen Fehler gemacht haben. Das Blatt mit dem offiziellen Termin 10. November hielt er in seiner Hand. Wenn der Handwerker pfuscht, leistet er Ersatz, wenn der Politiker pfuscht, ist es ein bedauerlicher Irrtum, an dem andere schuld sind, die ihn falsch informiert haben. Deutlich wird der Verrat Gorbatschows an der DDR, der den besten Bemühungen um ihre Rettung keine Chance ließ. Die Verantwortung für das Ende des Politbüros wird klar. Jedoch werden seine Mitglieder auch im Film nicht gefordert, ihr Versagen zu erklären. »Wir haben es nicht gesehen« ist zu wenig. Das Ende wird durch den Rücktritt des ZK im Dezember 1989 besiegelt. Krenz: »Die Partei fiel zusammen wie ein Kartenhaus.« Die Bedeutung der Montagsdemonstrationen in Leipzig, ihr friedlicher Charakter werden im Film betont. Die Tatsache, daß Krenz vor der Demo am 13. Oktober 1989 nach Leipzig geflogen war, um Armee, Polizei, Staatssicherheit und Kampfgruppen Gewaltanwendung zu verbieten, wird im Film ausgespart und hinterläßt eine Lücke in der Bewertung der Akteure. »Das Ende des Politbüros«, Dokumentarfilm von Thomas Grimm und Jens Becker, Ausstrahlungen bei ARTE am 16. September, 21 Uhr, und im MDR am 18. Oktober, 20.15 Uhr.
Erschienen in Ossietzky 18/2009 |
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