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Deutschen Bundestages werden über die Farbkombination entscheiden, nicht nach dem Gewissen, sondern unter striktem Fraktionszwang. Doch ehe es soweit ist, sei an dieser Stelle erst einmal den Abgeordneten der ablaufenden 16. Legislaturperiode aus tiefsten Herzen gedankt. Wie haben sie sich doch in dem »Dem deutschen Volke« gewidmeten Haus abgerackert, dem Volkswohl zu dienen. Ruhm und Ehre gebühren ihnen, ob sie nun ausscheiden wie zum Beispiel Otto Schily, Walter Riester, Peter Struck, Friedrich Merz, Lothar Bisky, Winfried Nachtwei oder ob sie weiter ihren politischen Frondienst leisten werden. 105.727 Minuten hat der 16. Bundestag im Plenum getagt. Das sind zusammengerechnet immerhin zwei Monate, eine Woche, sechs Tage, dreizehn Stunden und sieben Minuten, eine Minute so hart wie die andere. Die längste Sitzung dauerte, das Frühgebet nicht mitgerechnet, von 9.00 Uhr morgens bis 1.08 Uhr in der Nacht, wobei rekordverdächtig 63 Tagesordnungspunkte abgehandelt wurden. Natürlich drückte nicht jeder Volksvertreter mehr als 100.000 Minuten die harte Abgeordnetenbank, andere wichtigere Verpflichtungen und so mancher Nebenjob hielten ihn oder sie davon ab. Aber in ihrer Gesamtheit bewältigten sie ein Mammutprogramm. Mehr als 600 Gesetze haben sie verabschiedet, 150 pro Jahr. Wahre Kleinode sind darunter, so die Gesetze zur Erhöhung der Mehrwertsteuer, zur Senkung und Wiedererhöhung der Pendlerpauschale, zur Verringerung des Körperschaftssteuersatzes, zur Erweiterung der Kompetenzen des Bundeskriminalamtes zwecks Terrorabwehr, das Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz, die Föderalismusreform I und II. Auch an gesetzgeberischen Dauerwerken mangelt es nicht. Erinnert sei nur an die 2007 verabschiedete Gesundheitsreform, die das Chaos im Gesundheitswesen fortschrieb und auch dem 17. Bundestag hitzige Debatten verschaffen wird. Nicht zu vergessen die Bundestagsbeschlüsse zum Ausbau der deutschen Vornwegverteidigung vor eventuell mögliche Feinden des Vaterlandes. Außerdem mußte sich der Bundestag auch mit 2.935 Dokumenten des Europäischen Rates und 717 Entschließungen des Europaparlamentes befassen. Wahrlich, für diese nahezu übermenschlichen Anstrengungen kann den Abgeordneten nur gedankt werden. Allerdings mit einer Ausnahme. Den Parlamentariern der Linkspartei sind keine Lorbeerkränze zu flechten. Sie haben sich als notorische Querulanten, als Störenfriede erwiesen. Wieder und wieder haben sie mit ihrem Druck von links den rechten Ablauf der parlamentarischen Geschäfte zu stören versucht. Ständig nervten sie ihre Abgeordnetenkollegen mit Forderungen, unter anderem nach einem einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn, einer Anhebung des steuerfreien Existenzminimums bei der Einkommensbesteuerung, wirkungsvollen Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung, einem staatlichen Konjunkturprogramm von 100 Milliarden Euro, Angleichung des Arbeitslosengeldes II Ost an das Westniveau, Belegschaftsbeteiligung an Unternehmensentscheidungen, Begrenzung der Managergehälter. In einigen Punkten sahen sich die anderen Fraktionen leider genötigt, Kompromisse einzugehen, verständlicherweise verschweigend, daß es sich um originäre Forderungen der Linken handelte. Wie geschickt sie dabei vorgingen, zeigte beispielsweise die SPD beim Mindestlohn. Zuerst lehnte sie ihn kategorisch ab, um alsbald in die Vorkämpfer-Rolle zu schlüpfen. Bedauerlicherweise gelang es nicht überall, der Linkspartei den Wind aus den Segeln zu nehmen. Besonders ärgerlich war und ist es, daß die uneinsichtige Partei im Parlament alle Kriegsbeteiligungen der BRD ablehnt und für friedliche Konfliktlösungen eintritt. Populistisch, wie sie ist, hat sie sich von Anfang an nicht gescheut, die Meinung der Bevölkerungsmehrheit zu vertreten und den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan zu verlangen. Wie weit der Populismus und die Dreistigkeit dieser Partei gehen, demonstrierten ihre Fraktionsvorsitzenden Oskar Lafontaine und Gregor Gysi, die in einer Analyse der zurückliegenden Wahlperiode CDU/CSU, SPD, FDP und die Grünen beschuldigten, sie ständen für Sozialabbau und eine Wirtschafts- und Finanzpolitik, die zum ökonomischen Bankrott geführt hat. So scharf sie andere kritisierten, so laut lobten sie sich selbst: »Die Linke hat zuerst die Zeichen der Zeit erkannt und vor dem zügellosen Casino-Kapitalismus gewarnt, den die anderen Parteien mit ihrer Gesetzgebung erst ermöglicht haben. Wir haben Vorschläge zur Regulierung der Finanzmärkte in den Deutschen Bundestag eingebracht, als Kanzlerin Merkel, Vizekanzler Steinmeier und Finanzminister Steinbrück noch die freien Märkte bejubelten und der Entstaatlichung Deutschlands das Wort redeten.« So viel Arroganz und Selbstgerechtigkeit mußte bestraft werden, demokratische Gegenwehr tat not. Das erkannten zum Glück auch die Medien, private wie öffentlich-rechtliche, die sich zuverlässig als Schild und Knüppel des Kapitalismus bewähren und der Linkspartei Paroli bieten – selbstverständlich in bewährter demokratischer Manier: Regelmäßig, ausführlich und sachlich berichten sie über die Haltung der widerspenstigen Partei zu aktuellen und grundsätzlichen gesellschaftlichen Fragen, da deren Realitätsferne und Widersinnigkeit für sich sprechen. Angriffe und Diffamierungen werden strikt vermieden. In Berichten über politische Initiativen der drei Oppositionsparteien wird die Linkspartei stets gleichrangig behandelt. Besondere Aufmerksamkeit widmen die Medien Oskar Lafontaine und seinen Verdiensten in der Vergangenheit. Mit welcher Feinfühligkeit und Konsequenz das geschieht, führte im ZDF-Sommerinterview Peter Frey vor, der sich die Mühe machte, Lafontaines Ausführungen zu den Wahlzielen der Linken siebenmal mit der Frage zu unterbrechen, weshalb er 1999 »hingeschmissen« habe. Der Beifall der freien Presse war Frey sicher, denn der unvoreingenommene Umgang mit Linken ist ihr eine Herzenssache und zudem ein wirksamer Beitrag zur Gewährleistung des freiheitlich-demokratischen Charakters der Wahlen und zur Wiederwahl unserer verdienstvollen Kanzlerin. Mit ihr an der Spitze, gewählt von Schwarz-Gelb oder wie bisher von Schwarz-Rosa, wird die Voraussetzung dafür geschaffen, daß auch in den 100.000 Sitzungsminuten des 17. Deutschen Bundestages der bewährte Kurs der Einheit von Neoliberalismus und militarisierter Außenpolitik parlamentarisch abgesichert und erfolgreich fortgesetzt werden kann.
Erschienen in Ossietzky 17/2009 |
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