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Das immer knappere Wasser wird zum Handels- und Spekulationsobjekt. Konzerne eignen sich an, was vom Himmel regnet. Zum Beispiel im Harz. Am Brocken, dem höchsten Berg Norddeutschlands, regnen sich die Wolken ab. Seit Jahrhunderten wird der Regen aufgefangen: für Energieerzeugung (Mühlen), für schiffbare Kanäle, fürs Waschen, Reinigen, Tränken und Trinken. Etliche Städte beziehen Trinkwasser aus dem Harz. Als Gerhard Schröder Ministerpräsident in Niedersachsen war, ließ er das Harzwasser, zuvor im Gemeinschaftsbesitz, privatisieren. Es wurde zum Konzernbesitz. Eine der größten Privatisierungen in der Europäischen Union fand kurz darauf, Ende der 1990er Jahre, in Berlin statt. Für knapp 1,7 Milliarden Euro wurden über eine Holding-Aktiengesellschaft 49,9 Prozent der Anteile an den Berliner Wasserbetrieben (BWB) verkauft. Nutznießer dieser Holding-Konstruktion sind die Konzerne RWE Aqua und Veolia Wasser. Die sogenannten Investoren finanzierten ihren Einstieg nicht aus Eigenmitteln, sondern mit Krediten. Dieser Umstand verdient deshalb besondere Erwähnung, weil der Verkauf öffentlichen Vermögens regelmäßig mit der öffentlichen Verschuldung begründet wird. Die Verschuldung privater »Investoren« fällt in der Berichterstattung regelmäßig unter den Tisch, obwohl offenkundig nicht nur die Gewinnansprüche der »Investoren«, sondern auch die Zinsansprüche der Banken in den Wasserpreis eingerechnet werden und alle Kalkulationen der Konzerne eben darauf beruhen. Eine solche Privatisierung erfolgt juristisch durch ein Gesetz, aber auch durch privatrechtliche Verträge, die geheimgehalten und auch nicht vom Parlament kontrolliert werden. Nur unter äußerst restriktiven Bedingungen dürfen im Fall der BWB Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses die Verträge einsehen. Sie müssen sich zur Verschwiegenheit verpflichten. Verstoßen sie nachweislich gegen die Geheimhaltungspflicht, haben sie mit strafrechtlicher Verfolgung zu rechnen, von möglichen Regreßforderungen ganz zu schweigen. Die Abgeordneten sind also nicht nur ihrem Gewissen unterworfen, sondern auch an private Rechtsansprüche gekettet. Die Unterscheidung zwischen den öffentlichen und den privaten Vorgängen ist notwendig nicht nur für das Verständnis der Privatisierung, sondern auch für geeigneten Widerstand. Im Fall der BWB konzentrierte sich die gesellschaftspolitische Kritik auf den öffentlichen Prozeß und mündete in einer Klage gegen das Teilprivatisierungsgesetz vor dem Berliner Verfassungsgerichtshof. Die privaten Verträge waren weder Gegenstand des Protests noch der verfassungsgerichtlichen Prüfung. Die Klage gegen das Gesetz hatte zur Folge, daß der Verfassungsgerichtshof einen Teil der im Gesetz festgeschriebenen Kosten- und Gewinnkalkulation für verfassungswidrig erklärte. Dieses wichtige Ergebnis wurde jedoch durch eine als sittenwidrig anzusehende Klausel unterlaufen, die vorsorglich im Geheimen Konsortialvertrag zwischen dem Land Berlin und den privaten »Investoren« vereinbart worden war (Paragraph 23.7). Diese Klausel enthält für die Käufer eine Gewinngarantie, deren Bezugsgröße nicht das investierte Kapital ist, sondern das betriebsnotwendige Vermögen. Ganz gleich, was Gesetzgeber und Rechtsprechung an Auflagen und Einschränkungen beschließen, der privatrechtlich garantierte Gewinnanspruch bleibt davon unberührt und muß notfalls aus dem verschuldeten Haushalt bezahlt werden. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum die Konzerne RWE Aqua und Veolia Wasser nicht das geringste Interesse haben, sich jemals aus dem Berliner Geschäft zurückzuziehen, zumal ihnen das Land Berlin mit einem ebenfalls geheimen Beherrschungs- und Leitungsvertrag sowohl die kaufmännische als auch die technische Leitung der Wasserbetriebe zur Gänze übertragen hat. Die Folgen: Personalabbau, gestiegene Wasserpreise, Externalisierung sozialer und ökologischer Funktionen. Das im Jahr 2008 vorgestellte Wasserversorgungskonzept sieht die Schließung von drei Wasserwerken vor, wodurch Berlin etwa 30 Quadratkilometer Trinkwasserschutzgebiet verliert. Als Bauland ist es lukrativer. Der Fall hat Signalwirkung weit über Berlin und Deutschland hinaus. Die hohen Wasserpreise in Berlin müssen Konzerne geradezu verführen, auch anderswo mit Hilfe neoliberaler Bilanzierungstricks die Verbraucher abzukassieren. Infolge der Finanzkrise wird die Kapitalisierung von Rohstoffmärkten im Allgemeinen und von Wassermärkten im Besonderen stärker als bisher in das Kalkül der Investmentbanker geraten, jedoch beschränkt auf prosperierende Regionen. Arme Regionen trocknen weiter aus, die Kluft zwischen Reich und Arm wird sich weiter vergrößern. Denken wir weiter. Was ist zu tun? In der UN-Charta der Menschenrechte muß ein Menschenrecht auf Trinkwasser und Zugang zu sanitärer Grundversorgung verankert werden. Auf kommunaler und nationaler Ebene müssen alle BürgerInnen das Recht erhalten, per Abstimmung entscheiden zu lassen, ob zentrale Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge privatisiert werden sollen. In der Schweiz konnte so die Privatisierung der Bahn verhindert werden. Des Weiteren ist generell zu verbieten, daß Regierungen die Parlamente und die Bürger mittels privatrechtlicher Geheimverträge entmündigen. Die Bürgerinitiative »Berliner Wassertisch« hat gemeinsam mit dem Umweltverband »Grüne Liga Berlin« sowie anderen Organisationen ein Volksbegehrensgesetz zur Offenlegung von Geheimverträgen vorgelegt. Aber auch der rot-rote Senat beruft sich auf die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Konzerne, statt die Rechte der Verbraucher und Bürger zu stärken. Es bleibt abzuwarten, wie der Berliner Verfassungsgerichtshof in dieser Frage entscheidet. Weitere Stichworte für künftiges politisches Engagement: geschlossene Wasserkreisläufe in der Industrie; verbindliche Einführung der Tröpfchenbewässerungstechniken in der Landwirtschaft; solartechnische Meerwasserentsalzungsanlagen zur Versorgung wasserarmer Regionen; Abwasseraufbereitung. Andernfalls droht uns zunehmende toxische Belastung der Grundwasservorkommen, Vergiftung der Natur und des Menschen.
Erschienen in Ossietzky 15/2009 |
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