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Wir waren so pazifistisch wie etwa Costa Rica und der Vatikan. Kein Militär und kein Militärartikel im Grundgesetz. Der kam erst 1956 ins GG. Daß der Artikel 87 a neu eingefügt wurde, gibt der Buchstabe a zu erkennen. In diesem Artikel stand eine defensive Militärdoktrin zur Landesverteidigung. Und diese gilt eigentlich noch heute – eigentlich, denn es geschah etwas, was verfassungswidrig, aber üblich ist: Das Grundgesetz wurde uminterpretiert. Es darf aber nicht geändert werden, ohne daß der Wortlaut geändert wird. Artikel 79 GG lautet: »Das Grundgesetz kann nur durch ein Gesetz geändert werden, das den Wortlaut des Grundgesetzes ausdrücklich ändert oder ergänzt.« Dagegen wird laufend verstoßen, zum Beispiel handeln die Bundeswehr und das Parlament den Artikeln 26 und 87 a zuwider. Deutschland führt verbotene und strafbare Angriffskriege, obwohl in Artikel 87 a GG von Streitkräften für die Verteidigung die Rede ist. Aus der Verteidigung wurde die Interessenverteidigung gemacht und dann die Verteidigung am Hindukusch, das aber sind Angriffskriege. Bei derart weitreichender Interpretation könnte man auch die Verteidigung in der Bundesliga mit Soldaten besetzen. Oder die Verteidigung im Gerichtssaal. Auch Artikel 139 wird einfach weginterpretiert: Die zur Befreiung des deutschen Volkes von Nationalsozialismus und Militarismus erlassenen Rechtsvorschriften bleiben zwar gültig, aber die NPD zum Beispiel wird nicht verboten.« Heribert Prantl gab mir in der Süddeutschen Zeitung recht: »Nichts von dem, was die Bundeswehr heute macht, ist dort (im Grundgesetz, U.S.) zu finden. Dort ist sie immer noch Verteidigungsarmee. Schleichend und ohne Verfassungsänderung ist die Bundeswehr in eine Kriseninterventionsarmee verwandelt worden. Das Grundgesetz ist der blinde Spiegel der Bundeswehr: Sie schaut hinein und sieht sich nicht. Die Tätigkeit der Truppe und ihre Aufgabenbeschreibung im Grundgesetz haben nichts mehr miteinander zu tun. Das Grundgesetz aber muß Leitfaden sein für jeden Staatsbürger – auch für den in Uniform.« Empfindliche OpferzahlenNach dem Tod dreier Bundeswehrsoldaten am 23. Juni 2009 sagte Peter Struck – der erste unserer heldenhaften Verteidiger am Hindukusch –, die Taliban zwängen den deutschen Truppen ihren Krieg auf. Eilig entgegnete sein Nachfolger Franz Josef Jung, es wäre »ein großer Fehler«, für die Lage in Afghanisten das Wort Krieg zu verwenden. Des Ministers Sprecher Thomas Raabe charakterisierte die Taktik der Bundeswehr in diesem Nicht-Krieg: Es sei wichtig gewesen zu zeigen, »daß unsere Soldaten Gefechte bestehen können und der Gegner empfindliche Opferzahlen zu beklagen hat«. Im Klartext bedeuten »empfindliche Opferzahlen«, daß deutsche Soldaten feste schießen und treffen, also töten sollen. Und wenn die Kriegsbefürworter immer den friedlichen Aufbau von Demokratie und Infrastruktur in Afghanistan preisen, dann heißt »friedlich«: ohne Gegenwehr der Zwangsbeglückten. Das westliche Modell läßt sich am besten verwirklichen, wenn alle Widerstandleistenden in »empfindliche Opferzahlen« verwandelt werden. Eine Taktik, die hohe Verluste an Menschenleben hinnimmt, sieht aber eher nach Vernichtungsstrategie als nach Unterstützung des friedlichen Wiederaufbaus aus. Eine Kriegstaktik verfolgt nur, wer sich im Krieg befindet. Die Bundeswehr befindet sich in einem Krieg, der auch ihr selber empfindliche Opfer abverlangt. Ministeriumssprecher Raabe rühmte die am 23. Juni eingesetzten deutschen Soldaten, sie hätten gezeigt, daß man den Taliban empfindliche Verluste zufügen könne. Er war also der Ansicht, daß die Zahl der afghanischen Opfer des besagten Gefechts empfindlich hoch war. Allen Pressemeldungen zufolge waren drei Afghani getötet worden. Die Verluste der Bundeswehr waren gleich hoch. Und wenn drei Opfer auf afghanischer Seite als »empfindliche« Verluste anzusehen sind, müssen auch die drei deutschen Opfer empfindliche Verluste genannt werden dürfen. In Afghanistan herrscht also Krieg mit empfindlichen Opferzahlen unter Einheimischen und deutschen Soldaten. Welcher weiteren Argumente bedarf es noch, diesen Wahnsinn zu beenden? Stefan Baufeld Antifaschisten und Antimilitaristen sollten auf Wiederherstellung des Grundgesetzes von 1949 bedacht sein – ohne 87 a. Artikel 26 dagegen (Verbot der Vorbereitung eines Angriffskrieges) war immer schon drin. Wer aber 87a rein- nimmt, hätte 26 rausnehmen müssen. Oder besser 26 drin lassen und 87 a ablehnen, wie es die Gewerkschaftsbewegung und die Friedensbewegung forderten. Leider ist das vergessen. Konsens in der Friedensbewegung, der Gewerkschaftsbewegung, bei Kommunisten und Sozialdemokraten war bis 1960 die Ablehnung der Wiederbewaffnung. 1960 hielt Herbert Wehner dann seine große Rede im Bundestag, um den erst ein Jahr zuvor bekanntgegebenen Deutschlandplan der SPD zurückzunehmen, der ein Mitteleuropa des Friedens und der Entspannung, ohne Militärblöcke vorsah. Dann kam das Bekenntnis der SPD zur NATO. Wir wissen heute, daß ein solches Bekenntnis die Voraussetzung für eine Regierungsbeteiligung ist. Erst war es so bei der SPD, später bei den Grünen. Daran ist zu erinnern, wenn unter der Losung »Raus aus der NATO« viele Demonstranten gegen den NATO-Gipfel protestieren, die Partei Die Linke dann aber demonstrativ verlangt, drin zu bleiben, bis die NATO ein gesamteuropäisches Sicherheitssystem inklusive Rußland geworden ist. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit SPD und Grünen ist das ein sehr bedenkliches Verhalten. Mit dem Verzicht auf die Forderung nach Austritt aus der NATO fing die Misere einer Kriegskoalition an. Wenn jetzt auch die Partei Die Linke diese Forderung aufgibt, gerate ich in tiefes Grübeln. Wie es weiterging, sei in Erinnerung gebracht: Schröder und Fischer wurden nach der Wahl 1998 ins Weiße Haus bestellt. Clinton sagte ihnen: Wir wollen den Restposten des Reichs des Bösen auf dem Balkan vernichten, dabei habt Ihr Deutschen mitzumachen, das gebietet die NATO-Mitgliedschaft. Noch vor der Kanzlerwahl beschloß der alte Bundestag den Kriegseinsatz gegen ein Gründungsmitglied der UNO, Jugoslawien. Deutschland warf ab 24. März 1999 wieder Bomben auf Belgrad. Fischer und Scharping trennten die Losung »Nie wieder Krieg und nie wieder Faschismus« auf und logen dreist: Nie wieder Auschwitz bedeute, endlich wieder Krieg zu führen. Das war die neue Auschwitzlüge. Es fing also alles mit der Mitgliedschaft in der NATO an. Doch wir sollten uns nicht einem verfälschten NATO-Vertrag verpflichtet fühlen, sondern der UNO und ihrer Charta, gegen die der »Kosovo-Krieg« genannte Überfall verstieß. Und wie bei manchen anderen Fragen hilft auch hier der Blick ins Grundgesetz: Artikel 139 verpflichtet uns auf die Rechtsbestimmungen zur Befreiung des deutschen Volkes von Militarismus und Nationalsozialismus, und Artikel 26 verbietet uns die Vorbereitung eines Angriffskrieges. Die NATO-Mitgliedschaft bedeutet permanenten Verstoß gegen unsere Verfassung, denn die NATO ist permanent damit beschäftigt, Angriffskriege vorzubereiten und zu führen. Deshalb muß der Austritt aus der NATO vorrangiges Ziel bleiben. Wenn jetzt gesagt wird, es sei »radikaler«, die NATO irgendwann aufzulösen und Rußland-kompatibel umzugestalten, wie es zum Beispiel der Abgeordnete Paul Schäfer (Die Linke) sagt, kann ich nur antworten: Eine internationale Friedensbewegung muß die Auflösung der NATO zum Ziel haben, eine deutsche ist zudem besonders an die Bestimmung der UNO-Charta gebunden, die den Deutschen jede Kriegsvorbereitung und -beteiligung verbietet. Der Bundeskongreß 2008 der Vereinigten der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten erinnerte daran: »Das Völkerrecht verbietet, entsprechend der UNO-Charta Artikel 53 und 107, Deutschland das Kriegführen. Das Grundgesetz mit seinem Verbot der Vorbereitung und Führung von Angriffskriegen (Artikel 26) und das Völkerrecht sind zu verteidigen und anzuwenden.« Gemessen an den völkerrechtlichen Auflagen der Antihitlerkoalition, denen wir verpflichtet sein sollten, sind auch die Aussagen Oskar Lafontaines befremdlich, der sagte: »Wir sind für eine militärische Zusammenarbeit in Europa, aber nicht für weitere Aufrüstung.« (Süddeutsche Zeitung, 26. Februar 2009) Das Parlament müsse an den Entscheidungen über Krieg und Frieden beteiligt sein, sagt Lafontaine. Ich meine: Die Rüstung muß runtergefahren werden, und Deutschland muß raus aus der NATO.
Erschienen in Ossietzky 15/2009 |
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