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Und so, wie wir über die Heilkraft der Kerzen und des Hexenkrautes lachen, werden unsere späten Nachfahren die Köpfe über die sich Wissenschaftler nennenden Propheten schütteln, die da verkünden, der momentane Sieg des Raubtierkapitalismus und der sogenannten freien Marktwirtschaft sei endgültig und bringe der Menschheit ein Wohlgefallen. Mit ihm habe sich die Geschichte vollendet. In einigen hundert Jahren wird man über solche Lobpreisung der blutigen Ereignisse, der Unterdrückung und Ausbeutung in unseren finsteren Zeiten sagen: »Diese Dinge sind für unser erleuchtetes Jahrhundert so schwer begreiflich.« Dieser prophetische Satz steht in dem vor hundert Jahre erschienenen Buch »Die Eiserne Ferse« des großen sozialistischen Schriftstellers Jack London (s. Ossietzky 3/07). Der Roman schildert die Klassenkämpfe der vergangenen und kommenden Jahrzehnte, die vielen Niederlagen der arbeitenden Menschen und die blutbesudelten Siege der »Eisernen Ferse«, wie Jack London die Herrschaft der Oligarchen nennt, die die Unbotmäßigen notfalls ohne Skrupel zermalmt. Kurz: Er schildert unsere Zeit. Die entscheidenden Aussagen aber macht Jack London in den Kommentaren und Fußnoten zu den dargestellten Ereignissen. Denn das Manuskript wurde erst – so der Autor – im Jahre 2700 gefunden, 400 Jahre nach dem Untergang des Kapitalismus und dem Beginn der »Verbrüderung der Menschheit«. Von diesen Umwälzungen ist der Schriftsteller – und nicht nur er – überzeugt. Gerade in unseren finsteren Tagen scheint es hilfreich, einige dieser Kommentare und Erläuterungen zu zitieren. Die Gründe für die Niederlagen in der Vergangenheit und in unseren Tagen werden unter anderem so erklärt: »Im Land ist eine Macht entstanden, größer als das Volk selbst, aus vielen, verschiedenartigen und mächtigen Interessen zusammengesetzt und zusammengehalten durch die Kohäsionskraft des riesigen Überschusses der Banken.« Zu dieser Macht gehören und in ihrem Dienst stehen all jene, deren Wort das Kapital dank seiner vielfältigen Möglichkeiten verbreitet und zur unumstößlichen Wahrheit erklärt, weil sie die bestehenden Verhältnisse rechtfertigen: »Die Menschen jenes Zeitalters waren Sklaven der Phrase. Worte hatten für sie eine Macht, die größer war als die Kunst von Hexenmeistern. Ein solches Wort war ›Utopie‹. Dieses Wort allein genügte zur Verurteilung einer Idee, die eine ökonomische Veränderung betraf, so vernünftig sie auch sein mochte.« Denn »aus der moralischen Inkonsequenz des Kapitals schufen die Oligarchen eine neue, zusammenhängende und stahlscharfe Ethik, die abgeschmackteste und unwissenschaftlichste, dabei aber die mächtigste, die eine Tyrannenklasse je geschaffen. Die Oligarchen glaubten an ihre Moralität, und dieser Glaube setzte sie drei Jahrhunderte lang instand, die mächtige Flut des humanen Fortschritts zurückzudämmen, ein gewaltiges, mächtiges Schauspiel, das dem Materialisten viele Zweifel und Nachprüfungen verursacht hat.« Dem Kapital standen alle Möglichkeiten zur Verbreitung seiner die Menschenwürde verlachenden Idee zur Verfügung: Kirchenkanzeln, Medien, Schulen, Lehrende, die sich Wissenschaftler und Gelehrte nannten. Sie prägten die Ansichten. Ein Beispiel: »Es erscheint uns heute unglaublich, daß seit den ökonomischen Entdeckungen des Karl Marx Generationen verstrichen sind, in den er von anerkannten Denkern und Gelehrten verspottet wurde.« Und trifft nicht dieser Kommentar haarscharf zu: »Solange das System der kapitalistischen Produktion existierte, stritten Arbeit und Kapital sich über die Teilung des gemeinschaftlichen Gewinnes. Uns scheint das heute als ein lächerliches Schauspiel, wir dürfen aber nicht vergessen, daß wir den Vorteil haben, sieben Jahrhunderte später zu leben.« Jack London wurde zu seiner Zeit und auch bis heute von Gesinnungsgenossen wegen seines angeblichen Pessimismus scharf kritisiert. Dabei sind fast alle seine Voraussagen eingetroffen: über die faschistische Barbarei bis hin zur Globalisierung, die den vorübergehenden Sieg des Imperialismus bedeutet. Sein Werk ist aber trotz alledem optimistisch. Niemand hat das deutlicher gesagt, als bereits wenige Jahre nach seinem Erscheinen der französische Romancier und Nobelpreisträger Anatole France: »Die Plutokratie wird vergehen.. Sie wird vergehen, weil jede Kastenherrschaft dem Tode geweiht ist. Sie wird vergehen, weil sie ungerecht ist. Sie wird, von Stolz geschwollen und auf der Höhe ihrer Macht, vergehen, wie Sklaverei und Leibeigenschaft vergangen sind.« Und dann mahnend: »Diese Oligarchie wird nicht plötzlich und ohne Kampf vergehen. Sie wird kämpfen. Ihr letzter Kampf wird vielleicht lange dauern.« Und doch voller Gewißheit: »Oh, ihr Generationen der Zukunft, ihr Kinder der Tage, die da kommen werden! Ihr werdet kämpfen. Und wenn Rückschläge euch am Erfolg eurer Sache zweifeln lassen, werdet ihr wieder Mut fassen.« Auch dank dieses Buches, das uns dunkle Tage leichter überstehen läßt.
Erschienen in Ossietzky 13/2009 |
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