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Der Fernsehkommentar nennt die Hygienemaßnahmen in Peru vorbildlich. flexible MenschAus dem Stellengesuch tritt fettgedruckt die Qualifikation des Bewerbers hervor: »Studienabbrecher«. Der Mann weiß, was die Industrie sucht. Selbstbewußte Versager, die das Spiel vom hire and fire mitspielen. Gut gelaunte Nach-vorne-Gucker, die nicht nein sagen, wenn sie von jetzt auf gleich vor die Tür gesetzt werden. Weil sie wissen, daß mit jeder klaglos hingenommenen Kündigung ihre Befähigung für einen neuen Job wächst. Jedenfalls in den Augen derer, die heute noch Arbeit zu vergeben haben. Der unzufriedene ProfessorMeine Studenten sind dumm wie Brot, beherrschen aber Powerpoint. Das verleiht der Schlichtheit ihrer geistigen Plagiate, die heute das ersetzen, was man zu meiner Zeit »Referate« nannte, einen gewissen Glanz der Makellosigkeit. Meine Studenten scheinen rundherum zufrieden mit ihrer aufgebrezelten Flickschusterei zu sein, die sie hochtrabend »Präsentation« nennen, ja sogar stolz darauf, nur weil es ihnen gelingt, den passenden Stecker zu finden, die richtige Taste zu treffen und sich zu verkabeln wie auf der Intensivstation. Eine »anschließende Diskussion«, wie im Seminar vorgesehen, möchten sie am liebsten ganz vermeiden. Darum füllen sie die Seminarzeit bis zur letzten Minute mit semantischen Doubletten: sprechen den Wortlaut, den alle auf der Folie mühelos lesen können, noch einmal so unbeholfen mündlich nach, als würden sie ihn zum ersten Mal lesen, wobei sie ihr Gesicht von den Seminarteilnehmern ab- und der Projektionsfläche zuwenden. Hier sind junge Hirnverbrannte am Werk, denen man Platons Höhlengleichnis erzählen müßte. Aber würden sie es überhaupt verstehen, geschweige denn, auf sich beziehen, sich »persönlich«, wie sie empört nachfragen würden, die wärmende Sonne des Beamers im Rücken? Der zufriedene ProfessorMan bezichtigte ihn, ein DiMiDo-Professor zu sein. Er wies das zurück. »Dienstags, mittwochs und donnerstags«, sagte er, »mache ich immer frei.« Verrückte Maßstäbe»Dem Kind ist über die Vernichtung seines Lebens hinaus kein weiteres Übel zugefügt worden.« Das Gericht hält dem Kindsmörder zugute, dass er das kleine Mädchen nicht vergewaltigt hat, bevor er es tötete. Fast ein anständiger Kerl also! Überall ist man dabei, bescheidener zu werden und die Ansprüche herunterzuschrauben. In Zukunft wird es überhaupt keine Vergewaltigungen mehr geben, weil man das häßliche Wort abgeschafft haben wird. Schon heute spricht man unter Juristen von »extraordinären Befruchtungsakten«. Und die Opfer extraordinärer Befruchtungsakte werden für den Fall, daß sie nicht umgebracht wurden, ihren Tätern dankbar sein müssen, lebenslang. ArbeitsvermittlungAls »Schwerter zu Pflugscharen!« die Parole war, wollte »man«, das heißt »das Volk«, das heißt ein Teil davon, »kritische Masse«, einen Beitrag zum Weltfrieden leisten, der in höchster Gefahr schien. Frühe achtziger Jahre. BRD hier, DDR dort, Pershings hier, SS-20 dort. Dann beruhigte sich die Lage. Der Weltfrieden war nach wie vor in Gefahr, aber die Arbeitslosigkeit trat wieder in den Vordergrund, im Westen jedenfalls. Selbst Akademiker waren betroffen. Besonders die »Orchideenfächer«, so benannt von den Effizienzaposteln aus dem Gänseblümchenfach BWL. In den Arbeitsämtern erinnerte man sich der alten Friedensparole aus dem biblischen Buch Micha und ersetzte »Schwerter« durch »Ägyptologen« und »Pflugscharen« durch »Müllbeutel«. Wenn man einen promovierten Orientalisten zur Hilfsarbeit bei der Stadtreinigung verpflichten mußte, wie es das Gesetz vorschrieb, blieb dem Sachbearbeiter, sofern er sich noch einen Funken Mitgefühl bewahrt hatte, oft nur die Flucht in den Galgenhumor: »Ägyptologen zu Müllbeuteln!« Wie anders hätte man die menschenerniedrigende Arbeit sonst erledigen können? Zuerst im Westen, dann auch im Beitrittsgebiet, schließlich überall. Pilotprojekt»Der Einstellungstest bei Schnell & Jürgensmeier ist berüchtigt.« Die Zeitung, in der das steht, will Stellenbewerber informieren. Fritz, der das liest, ist in einem Alter, in dem man nicht mehr eingestellt wird. Ein Jahr noch bis zur Rente. Dennoch gibt ihm der Satz zu denken, besonders das Wort »Einstellungstest«. Gibt es auch einen Ausstellungstest? Oder sollte man besser Ausscheidungstest sagen? Auf Gut Ludwigsfluch bei Philippsweiler ist jetzt ein Pilotprojekt gestartet worden, berichtet das Handelsblatt. Man hat einen Kellerraum hergerichtet, in dem nur das Nötigste vorhanden ist: ein Haken in der Decke, ein Seil und ein Stuhl. Alles weitere bleibt dem Ehrgeiz der Kandidaten überlassen. Wonnen des AltersZuerst hörte, dann erst sah der Herr Karl das Elend in seiner ganzen Pracht: zuckendes Blaulicht, ohrenbetäubendes Tatütata. Heidewitzka! Der füllige Mann spreizte sich breitbeinig an den Straßenrand, setzte sein breitestes Grinsen auf und signalisierte dem vorbeirasenden Notarzt, indem er mit dem dicken Zeigefinger auf die eigene, nicht minder dicke Brust pochte und dabei genüßlich den dicken kahlen Kopf schüttelte: »I ned! I ned!« So ähnlich fühlt sich Hansjochen, seit er 50 ist. Wenn er die Samstagsausgabe der FAZ aufschlägt, fliegen als erstes die letzten 30 Seiten, »Beruf und Chance«, unbesehen in den Abfall: »I ned! I ned!«>
Erschienen in Ossietzky 13/2009 |
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