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Aus diesem Anlaß werden von Jahr zu Jahr pompösere Militärparaden abgehalten, die akrobatische Fliegerstaffel der »Freccie Tricolori« durchschneidet mit ihren nationalfarbenen Auspuffgasen den blau-weißen römischen Himmel, doch angesichts der finanziellen Engpässe verkündete die Regierung in diesem Jahr eine Einsparung von einer Million Euro zugunsten der Erdbebenopfer in den Abruzzen. Eine Million! Welch eine Umverteilung! Am gleichen Tag fand im norditalienischen Novara, einer Provinzstadt zwischen Milano und Torino, eine Kundgebung von etwa 1500 Friedensaktivisten aus nah und fern statt. Auf dem hundert Jahre alten Militärflugplatz Camerati, der heute mitten im Naturpark des Ticino liegt, sollen nämlich ab Ende 2009 in einem neuen Werk Jagdbomber vom Typ F 35 der US-Firma Lockheed Martin zusammengesetzt werden, todbringende Angriffswaffen, von denen Italien (dessen Verfassung Angriffskriege ächtet) 131 Stück kaufen will, wofür die italienischen Steuerzahler dann insgesamt 15 Milliarden Euro in bequemen Jahresraten bis 2026 zu zahlen haben werden. Die um Alenia-Fincantieri gescharten Geschäftspartner gehören zu den Rüstungsfirmen, die gerade in Krisenzeiten prosperieren. Allein 2008 erhöhten die italienischen Waffenfabrikanten ihren Umsatz um 222 Prozent (wie dem jüngsten Export-Bericht der Regierung zu entnehmen ist) und exportierten vor allem in die Türkei, nach England, aber auch nach China, Indien, Pakistan, Kosovo und Serbien sowie nach Kuweit, Syrien und Israel. Laut Jahrbuch 2008 des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (SIPRI) steht Italien mit seinen staatlichen Rüstungsausgaben (33,1 Milliarden Dollar gleich 568 Dollar pro Kopf der Bevölkerung) an achter Stelle in der Welt. Doch solche Einzelheiten und Zusammenhänge sind hier so wenig Wahlkampfthema wie in Deutschland. Auch die linke Opposition schweigt darüber und fast die gesamte Presse. Gegen die neue Todesfabrik protestierten kaum Ortsansässige, sondern Friedensaktivisten von »No Dal Molin« aus Vicenza (s. Ossietzky 4/07) und von der Protestbewegung »No Tav« gegen die Hochgeschwindigkeitstrasse in der Val Susa (Piemont), Anarchisten und »Frauen in schwarz« sowie kleinere Gruppen. Auffallend also das Fehlen der Linksparteien, die nur durch vereinzelte Fahnen vertreten waren, sowie der Gewerkschaften –, auffallend, aber leicht zu erklären. Das milliardenschwere Projekt reicht nämlich bis in die erste Amtszeit von Prodis Mitte-Links-Regierung zurück und wurde von der bisherigen Provinz-Regierung (Demokratische Partei) unterstützt. Immerhin soll es 600 neue Arbeitsplätze bringen. Bei der Wahl am 7. Juni fiel auch diese Provinz an die Rechte. Daran sieht man das Dilemma der Opposition: Sie unterscheidet sich in vielem nur graduell von der Rechten, und gegenüber der Schutzmacht USA stehen (fast) alle stramm. Immer noch. Was man mit diesen Summen alternativ machen könnte, war auf den Spruchbändern und Plakaten nachzulesen, die über fünf Kilometer an Reisfeldern vorbei um die Stadt herumgetragen wurden, da die Polizei die Innenstadt gesperrt hatte: Man könnte sofort das gesamte erdbebenzerstörte Gebiet in den Abruzzen wiederaufbauen oder den Hunderttausenden Arbeitslosen, die ohne jeden finanziellen Schutz dastehen, eine Unterstützung zahlen, man könnte Tausende von Arbeitsplätzen in der Sonnenenergieproduktion schaffen und andere mehr. Aber mangels tatkräftiger landesweiter Opposition stützt sich die letzte Hoffnung der Friedensaktivisten, die Todesfabrik noch abwenden zu können, auf die Finanznöte der USA, die 2008 ihr höchstes Militärbudget seit dem weiten Weltkrieg erreichten. Sie haben Unsummen in das Gemeinschaftsprojekt F 35 gesteckt. Seit 2006 steht Deutschland auf Platz 3 der waffenexportierenden Staaten – nach den USA und Rußland, mit deutlichem Abstand vor Frankreich, den Niederlanden, Großbritannien, Italien, Spanien und China. Sein Anteil am internationalen Waffenmarkt wächst weiter und beträgt derzeit zehn Prozent. Der Grundsatz, Waffen nicht in Spannungsgebiete zu liefern, wird zunehmend mißachtet – dort lassen sich eben die einträglichsten Geschäfte machen. Zum Beispiel in Nahost. Das Sortiment reicht von Gewehren bis zu Unterseebooten; zu deren Empfängern gehören Israel und Pakistan. Der Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Jürgen Grässlin, nennt Rüstungsexport »aktive Beihilfe zum Mord«. Gemeinsam mit dem Militärhistoriker Wolfram Wette gehört er zu den Initiatoren der »Waldkircher Erklärung« gegen Waffenexport (www.dfg-vk.de). Red.
Erschienen in Ossietzky 12/2009 |
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