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Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) wird sie gleich ehren – ein netter Anlaß für unser Gespräch. KoK und Deko, so nennen sich meine Rapper Dag-Sören Knieriem und Steffen Küster, kommen standesgemäß in Kapuzenpulli und Schlabberjeans. Ob die anderen ihr preisgekröntes Stück »Niedersachsen paßt auf. Gemeinsam gegen rechts« schon kennen? Die beiden wollen hier auftreten, soviel ist klar. Wir besorgen uns Kaffee und eine ruhige Ecke, und Knieriem alis Deko erzählt mir was über seine Musik. »Rap«, erklärt er mir, »ist eine ehrliche Musik. Es ist unsere Antwort auf die Gewalt, wir kämpfen mit Worten.« Das erste Mal kämpften sie vor knapp einem Jahr, als Salzgitter gegen Nazis aufstand. Tausende waren auf der Straße, und KoK und Deko schrien sich die Wut aus dem Leib. Ob Innenminister Uwe Schünemanns Spitzel sie damals auf dem Sucher hatten? Wenn Nazigegner auf die Straße gehen, sind Schünemanns Leute jedenfalls nicht weit. Neulich, bei der Demonstration eines linken Aktionsbündnisses in Bad Lauterberg, haben sie die Busse der Nazigegner durchwühlt und Namen notiert – die Namen der Nazigegner. Die Rechten, beschied Schünemann erboste Kritiker im Landtag, hätten ja weder gefilmt noch fotografiert. Oder letztes Jahr beim »Antifaschistischen Stadtrundgang – Göttingen und seine Universität im Nationalsozialismus«, mitorganisiert von Jüdischer Gemeinde und Deutschem Gewerkschaftsbund. Die interessierten Teilnehmer wurden von Staatsbeamten observiert und konnten es kaum glauben. Na und, rechtfertigte Schünemann die peinliche Aktion, es hätten ja »gewaltbereite Autonome« unter den Teilnehmern sein können. Jetzt dampft erst mal der Kaffeeautomat, und immer mehr junge Preisträger kommen an. »In unserem Betrieb ist Ruhe«, beschreibt mir Rapper Steffen Küster die Lage an seinem Arbeitsplatz. Er ist Elektroniker bei Bosch. So richtig traut er dem Frieden nicht, um ihn herum passiert einfach zuviel. Neulich hat er mitbekommen, daß auf der Kundenliste eines Naziladens in Salzgitter viele BoschKollegen stehen. Und dann die Überfälle auf seine schwarzen Freunde in einem Vorort: »Die wurden von Nazis mit Baseball-Schlägern verfolgt.« Achtung, der Innenminister kommt. Ruckartig gefriert die Atmosphäre im Saal. Regie-Anweisung: »Nur eine Stunde Zeit.« Keine Zeit also für einen Live-Auftritt, keine Zeit für »Niedersachsen paßt auf«. Stattdessen walzt der Innenminister über wehrlose Schüler hinweg: Bloß kein NPD-Verbot, das sei doch wegen der V-Leute beim ersten Mal schon schiefgegangen. Und wenn so was noch einmal passiere, seien die Nazis am Ende stärker als jetzt. Und warum die V-Leute nicht einfach abziehen? Zum Nachweis, daß die NPD rassistisch ist, braucht man sie nicht. Das ist längst nachgewiesen. (Und auch dies ist bekannt: V-Leute betätigen sich in der NPD als Scharfmacher. Schünemanns baden-württembergischen Innenminister-Kollege und Parteifreund Heribert Rech sagte neulich: »Wenn ich alle meine verdeckten Ermittler aus den NPD-Gremien abziehen würde dann würde die NPD in sich zusammenfallen.«) Ob die Düsseldorfer Auszubildenden von ThyssenKrupp Nirosta, die sich vorne immer noch auf ihre Preise freuen und nun fragende Blicke zum Rednerpult werfen, den Mann verstehen? Sie waren gemeinsam in Auschwitz und haben im Stammlager dem Zeitzeugen Henryk Mandelbaum gelauscht. Was der von den Nazis gequälte Jude erzählte, war unglaublich. Und so haben sich die Azubis entschlossen, ihre Studienfahrt in einem Online-Tagebuch zu dokumentieren. Das, was sie über Auschwitz gehört haben, müssen unbedingt auch andere hören. Aber hier in Hannover erhalten sie nicht mal eine Chance für einen Bericht. KoK und Deko müssen als letzte nach vorn. Schünemann übergibt ihnen eine Urkunde. Nicht mal ein Lächeln, der Mann wirkt gequält. Sind dem Rechtsaußen womöglich die Nazigegner suspekt? Oder denkt er gerade darüber nach, daß es wichtigere Themen gibt? Neulich hat er bei der Konrad-Adenauer-Stiftung darüber philosophiert, was ihm wichtig ist: »Die unterschätzte Gefahr, Linksextremismus in Deutschland« war sein Thema. Für den gelernten Industriekaufmann ist das vor allem die Linkspartei. Deren »Eckpunktepapier«, vokabulierte er, eröffne extremistischem Gedankengut Tor und Tür. Mit dem Leitprinzip des Demokratischen Sozialismus wolle sie »den Kapitalismus in einem transformatorischen Prozeß überwinden«. So versuchte Schünemann sein Publikum zu ängstigen. Jetzt noch die Fotos, die Presse wartet. Für den Linkenhasser ist das die Chance, sich der Öffentlichkeit endlich mal als Antirassist zu präsentieren. Und zum ersten Mal wirkt der Innenminister leicht entspannt. Er steht ganz vorn im Mittelpunkt – und weit hinten am Rande die Migrantinnen der Frankfurter Berta-Jourdan-Berufsschule. Sie haben ein pädagogisches Modul zum Thema Rassismus produziert und dafür den ersten Preis erhalten. Gehören sie nicht in den Mittelpunkt? Selbst beim Fotoshooting bleiben die Migrantinnen Randfiguren. Ob die jungen PreisträgerInnen und Preisträger, aus der gesamten Bundesrepublik angereist, wissen, daß sich dieser selbsternannte Antirassist gerade bei den Kommunen über den humanen Umgang mit Flüchtlingen beschwert hat? Und inhaftierte Migranten noch schneller abschieben will? »Schünemanns Vorstöße dienen dazu, den Rassismus in unserem Land zu schüren«, hielt im Niedersächsischen Landtag die innenpolitische Sprecherin der Linkspartei, Pia Zimmermann, der Landesregierung vor. Draußen noch ein Schwätzchen mit KoK und Deko. Sie sind ein bißchen darüber enttäuscht, daß sie hier nicht gegen die Nazis auftreten durften. Der Tag geht immerhin von ihrem Urlaub ab, ihre Arbeitgeber schenken ihnen nichts. Jedenfalls nicht für ihr Engagement gegen Rechts.
Erschienen in Ossietzky 9/2009 |
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